Eins der ältesten Open-Air-Konzerte in Braunschweig feiert dieses Jahr am 18. August 2018 sein 20-jähriges Jubiläum: das Lammer Open Air. Bemerkenswert ist, dass dieses kleine aber feine Festival in Braunschweig nicht von einem professionellen Betreiber veranstaltet wird, sondern von einem Verein, den Lammer Open Air Freunden e. V. (LOAF), die mit viel Herzblut, Engagement und Tatkraft seit 20 Jahren für ein Konzert der Extraklasse am Rande Braunschweigs sorgen. Und das mindestens genauso professionell wie die üblichen Veranstalter!
Von Uriah Heep bis Royal Republic –
20 Jahre Lammer Open Air
Wie alles begann …
Ich treffe Peter Bethge, den 1. Vorsitzenden des Vereins, in Lamme, diesem ehemals kleinen verträumten Ortsteil von Braunschweig. Umgeben ist das Dorf von weiten Feldern, es mutet sogar eher ländlich an. Aber „Lamme ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen“, so Peter Bethge, „mittlerweile haben wir knapp 5.000 Einwohner.“ Von klein kann also kaum noch die Rede sein. Und klein ist auch das Open Air nicht – denn auf dem alten Sportplatz in der Frankenstraße haben bis zu 3.000 Besucher Platz. „Dann ist aber ausverkauft, Vorgabe von der Stadt!“, teilt mir Bethge mit. Doch das Lammer Open Air war nicht immer so groß. Im Gegenteil, gestartet wurde ganz klein, mitten im Ort vor dem Dorfgemeinschaftshaus.
Peter Bethge hatte durch seine Mitgliedschaft im Fanclub der Hardrock-Band Uriah Heep Kontakt zu dem ehemaligen Sänger John Lawton. Bethge, der der Band einige Gigs verschafft hatte, kam mit Lawton ins Gespräch und sie verstanden sich so gut, dass dieser versprach, ein Konzert zu geben. Ein Weltstar in Lamme! Also organisierte Peter Bethge eine „Bühne“ in Form eines LKW- Anhängers, die vor dem Dorfgemeinschaftshaus aufgebaut werden sollte. Er selbst war zu der Zeit auf einer Hochzeit, sodass eifrige Helfer (alles Mitglieder der ersten Stunde des Vereins) den Aufbau übernahmen.
Doch es lief nicht alles glatt, bei diesem ersten Open Air am 18. September 1999 … John Lawton weigerte sich, auf dieser viel zu kleinen „Bühne“ zu spielen! Was nun? Glücklicherweise war Achim Twele vor Ort. Der Trucker schlug vor, seinen 12 Meter langen LKW als Bühne zur Verfügung zu stellen. Der Vorschlag wurde dankend angenommen und so holte Achim Twele gerade noch rechtzeitig vor Schließung der Werkstatt seinen LKW aus der Inspektion und parkte ihn vor dem Dorfgemeinschaftshaus. Mit dieser Bühne war sogar John Lawton zufrieden und das Konzert konnte stattfinden.
Umzug auf den Sportplatz
Schon bei diesem Konzert vor dem Dorfgemeinschaftshaus war klar, dass dieses Open Air ein ganz besonderes Flair hat. Wie es sich gehört, wurden flux eine Theke und ein Zelt mit Grill aufgebaut, damit auch für das leibliche Wohl der Konzertbesucher gesorgt war. „Das war alles noch sehr improvisiert“, schmunzelt Dachdeckermeister Andreas „Latte“ Twele, 2. Vorsitzender des Vereins. „In den ersten vier Jahren war der LKW von meinem Vater unsere Bühne – das war schon Kult!“ Doch bereits nach zwei Jahren musste der Standort vom Dorfgemeinschaftshaus auf den alten Sportplatz in die Frankenstraße umziehen. Das Open Air bekam immer größeren Zulauf, das Publikumsinteresse war immens. „Das war die richtige Entscheidung“, bestätigt Peter Bethge, „das Gelände war und ist viel besser geeignet.“ Und so findet das Festival seit 2001 hier statt.
Mit dem Umzug auf den Sportplatz begann auch die Ära der Lammer Open Air Freunde: Der Verein wurde gegründet und jedes Mitglied bekam seine Aufgabe. Peter, als 1. Vorsitzender mit den besten Kontakten in die Musikszene, ist noch heute der Kopf der Veranstaltung. Er plant das Konzept, kümmert sich um alles Organisatorische und ist der stete Ansprechpartner für alle. Ohne ihn läuft nichts, auch wenn der Nachwuchs natürlich schon längst mit dabei ist. Tochter Sarah Bethge hat die Leidenschaft, die sie von ihrem Vater übernommen hat, sogar zum Beruf gemacht und ist jetzt Veranstaltungskauffrau!
Trailer zum Lammer Open Air
Die Lammer Open Air Freunde und ihre Helfer
Der 2. Vorsitzende Andreas „Latte“ Twele ist für den Aufbau am Platz zuständig. Der Dachdeckermeister hat das nötige Equipment, um die mittlerweile professionelle Bühne, die Zäune und alles andere aufzubauen. Timo Geismar – auch ein Mann der ersten Stunde – ist als Fleischermeister für den Essenstand zuständig. Sein leckerer Krustenbraten ist Kult und wurde, als er ihn ein Jahr nicht anbot, schmerzlich vermisst. In den letzten Jahren gab es einige Wechsel im Verein, die Mitglieder stammen jetzt nicht mehr nur ausschließlich aus Lamme. Aber mit wachsenden Zuschauerzahlen wuchsen auch die Aufgaben und ganz alleine kann kein Festival in dieser Größenordnung gestemmt werden. So ist eine beträchtliche Anzahl an freiwilligen Helfern – die über 60 sogenannten HeLOAFer – bei jedem Open Air im Einsatz.
Sie alle stammen überwiegend aus Lamme und sorgen mit ihrem engagierten und unentgeltlichen Einsatz jedes Jahr aufs Neue dafür, dass das Konzert ein Erfolg wird. Einer der HeLOAFer ist die 22-jährige Nicole aus Lamme, die schon als Kind mit ihren Eltern immer auf dem Platz war und mir strahlend berichtet: „Ich bin jetzt seit vier Jahren Helfer und mache hier total gerne mit. Das ist eine ganz tolle Gemeinschaft und wir haben hier immer riesig viel Spaß. Dieses Jahr haben wir ja das 20-jährige Jubiläum und Royal Republic ist dabei, die mag ich persönlich super gerne. Auf die freue ich mich besonders!“
Viele tolle Bands und ein Feuerwerk
Dass für Nicole im Jubiläumsjahr Royal Republic ein besonderes Highlight ist, freut Peter Bethge ausdrücklich: „Wir wollten für unsere unglaublichen Helfer zum 20. Jubiläum etwas ganz Besonderes bieten – und mit Royal Republic ist uns das gelungen. So eine Band hat das Lammer Open Air noch nie geboten!“ Die international erfolgreichen Schweden, gerade mit den Toten Hosen auf Tour, machen besten Garage Rock und füllen bei Konzerten riesen Plätze, wie beispielsweise beim Chiemsee-Festival oder Rock am Park. Und so soll es auch am 18. August 2018 sein, wenn das Lammer Open Air seinen 20. Geburtstag feiert.
Nach dem Motto „Was Wacken kann, können wir schon Lamme“ wird dieses Jahr das Open Air vom ortseigenen Chor, dem Lammari Cantat eröffnet. Danach spielen Mellow 57, einst Zweitplatzierte beim Radio ffn Nachwuchswettbewerb, gefolgt von der Band, die alles countryfiziert, was es zu singen gibt: The Twang. Die Prime Time rocken dann die begnadeten Royal Republic. Zum Schluss geht die Jubiläumsparty ab mit Ryffhuntr, die alle Rockkracher der 1980er auf Lager haben. Und was natürlich nicht fehlen darf: das Feuerwerk, dass im nächtlichen Himmel über Lamme jedes Jahr einen Höhepunkt darstellt.
Vom Dorffest zum Festival
Was einst als ein reines Dorffest auf der Straße mitten in Lamme begann, ist heute auch über die Grenzen Braunschweigs hinaus bekannt. Und wie es sich für ein waschechtes Festival gehört, darf auch eine Saison im Matsch nicht fehlen – man denke nur an Woodstock oder Wacken. Und so erzählt mir Peter Bethge vom letzten Open Air 2017: „Letztes Jahr hatten wir viel Regen, der auch am Tag des Aufbaus am Freitag unaufhörlich vom Himmel kam. Unser Platz war durchweicht, matschig, nass – der LKW, der die Bühne brachte, hatte sich sogar festgefahren. Als es nachts immer noch nicht aufhörte zu regnen, wollte ich das ganze Open Air eigentlich abblasen. Das wäre unser Ruin gewesen.“
Aber so kam es dann doch nicht. Und obwohl das Raffteich Open Air, das am selben Tag stattfinden sollte, abgesagt wurde, nahm Bethge allen Mut zusammen und den trockenen Samstagmorgen als Anlass, noch einen Aufruf über die sozialen Medien zu verbreiten, dass das Lammer Open Air allen Widrigkeiten zum Trotz doch stattfinden werde. „Unser Bauer hatte eine geniale Lösung für unseren Platz. Wir wollten schon Stroh vor der Bühne auslegen, damit man nicht im Schlamm versinkt, aber er kam mit einem Flies, dass er mit seinem Traktor brachte, ausrollte wie einen großen grauen Teppich und auf dem das Publikum ganz wunderbar tanzen konnte, ohne zu versumpfen.“ Die Live-Berichterstattung vom Platz hat sicher noch einige Zuschauer gezogen. Aus den kleinen Videos auf Facebook ist mittlerweile ein eigener YouTube-Kanal entstanden, auf dem in immer neuen Folgen von LOAF-TV die Bands live vorgestellt werden.
Die Zukunft vom Lammer Open Air
Das Lammer Open Air ist wirklich etwas Besonderes. Die Begeisterung, die ich bei allen Vereinsmitgliedern und den HeLOAFern erlebe, ist der zündende Funke, der auch jedes Jahr das Festival bei den Gästen zu einem besonderen Erlebnis werden lässt. Ein Jahr Arbeit für einen Tag voller Musik – das lohnt, finden alle LOAFs einstimmig. Und nur durch ihren unermüdlichen Einsatz konnte aus dem kleinen Dorffest mit einem LKW als Bühne ein Open-Air-Festival der Extraklasse werden, das der örtlichen Musikszene die Gelegenheit gibt, auch neben internationalen Acts aufzutreten. Und so ist auch schon die nächste Stufe in Planung. Peter Bethge träumt davon, das Open Air auf einem eigenen Gelände durchzuführen.
Natürlich immer noch in Lamme, aber mit der Möglichkeit für einen Zelt- und Parkplatz. Genau wie in Wacken. Das wird nächstes Jahr übrigens 30 – es bleibt also noch genug Zeit für das Lammer Open Air, seinen festen Platz in der Festival-Szene auszubauen und zu wachsen. Die Lammer Open Air Freunde und alle HeLOAFer sind mit Sicherheit tatkräftig dabei!