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Der „Feuerteufel“
– Warum Ronald Auringer Explosionen liebt, nicht nur an Sylvester

Eigentlich traue ich mich gar nicht, diese Frage einem Pyrotechniker zu stellen. Ausgerechnet einem Feuerwerker! Einem Experten für zündende Effekte. Einem Himmelskünstler, der ja wohl am Ende des Jahres nur eines im Sinn haben kann, nämlich, seine Choreografie in die Nacht zu schreiben und so den Sternen seinen Willkommensgruß zum neuen Jahr an die Seite zu jagen: „Was machen Sie Silvester, Herr Auringer?“

Ronald Auringer, Geschäftsführer von „ARIS Die Feuerteufel“ in Peine-Abbensen, beugt sich vor und blickt mich über den Rand seiner Brille an und dehnt die Pause bis zu seiner Antwort rhetorisch geschickt noch ein wenig aus. Von wegen Effekt und so. Da ist er ganz Feuerwerker, der seine Effekte ja auch klug auf das große Staunen hin komponieren muss. „Sie werden lachen“, grient der 49-Jährige, „Silvester bin ich eigentlich Privatmann. Da schieße ich allenfalls noch die Reste mit meinen Jungs in die Luft.“ Das hätte ich nun wirklich nicht gedacht!

 

Raketenregen von Meisterhand

„Ist doch eigentlich logisch“, sagt Auringer, „wer will schon Silvester arbeiten?“ Dementsprechend hoch seien die Preise für ein Feuerwerk vom Fachmann und diesen finanziellen Aufwand scheuten eben viele Veranstalter. Ein Renner bei Gaststätten, Restaurants und anderen Veranstaltern seien vielmehr Komplettpakete, die Auringer den Kunden schnürt und vorab liefert. Ist es null Uhr, muss nur noch eine Zündschnur angezündet werden und ab geht es in die Nacht.

Dieses Jahr hat Auringer allerdings einen Auftrag im Harz angenommen. Die Nachbarn im heimischen Abbensen im Landkreis Peine werden es bedauern, entgeht ihnen doch so ein Raketenregen von Meisterhand.

 

„Andere gehen golfen oder Tennis spielen. Ich sprenge eben.“

Wie verfällt man eigentlich der Idee, Pyrotechniker mit staatlich anerkanntem Fachkundezeugnis zu werden? Zu viele Filme mit Spezialeffekten gesehen? Als Kind immer nur Wunderkerzen in die Hand gedrückt bekommen, weil Mutti zu viel Angst hatte? Es nie mal richtig krachen lassen dürfen? Auringer lacht: „Klar, habe ich gern Feuerwerk gemacht als Kind. Ich komme aus dem Osten. Ost-Berlin. Da gab es fünf Effekte. Den sechsten musstest du dir selbst basteln.“

Auringer arbeitet im Außendienst, verkauft für eine Handelsvertretung Prototypenteile. Für Autos wohlgemerkt. Die Feuerwerkerei, die er seit 2000 als Zubrot betreibt, ist sein Ausgleich. „Andere gehen golfen oder Tennis spielen. Ich sprenge eben.“

Mit einem Feuerwerk bei der eigenen Hochzeit 1996 fing alles an, das Loblied auf den schönen Effekt sprach sich herum und irgendwann entschied sich Auringer, die Ausbildung zu machen. 9.000 Euro kostet so ein Befähigungsschein nach § 20 SprengG mit Vorbereitung, Ausbildung und allem Drum und Dran, „die Investition musst du natürlich auch wieder reinkriegen“, sagt Auringer.

Also sorgt er seither für Licht am Himmel und Ohs, Ahs und Wows am Boden. Hochkonjunktur ist – nein, nicht am 31.12. – zwischen April und Oktober: Schützen- und Stadtfeste, mal eine Grundsteinlegung oder eher selten eine Feier zur Beschneidung. Dauerbrenner sind Hochzeiten, Hochzeiten, Hochzeiten …

 

Feuerwerk, ein Männerhobby

„Ein Feuerwerk ist kein Fertighaus“, sagt Auringer und man könnte sich diesen Satz auch schön als Banner über seinem Messestand vorstellen. Hochzeitsmessen besucht er zwischen Januar und März. „Mein Stand ist das Bällebad für Männer. Wenn die Frauen stundenlang Kleider und Blingbling aussuchen, begeistern sich die Männer für Glitzereffekte, die man in die Luft jagen kann.“

Feuerwerk ist also kein Fertighaus, sondern eine wenn auch nicht komplizierte, so doch diffizile Baustelle. Der Abbrennplatz muss vorab besichtigt werden. Hüfthohes Getreide, das im Wind wogt, mag zwar ein romantisches Bild abgeben, wenn hernach aber alles in Flammen steht, könnte das die Hochzeitsfeierlichkeiten sprengen. Zudem muss die Choreografie geplant werden.

Die Bräute sind zwar schnell entflammt, wollen, dass es schön aussieht. Aber wer Feuer und Flamme ist, hat noch nichts geplant. Das dauert. Vom musiksynchron kombinierten Barock- und Höhenfeuerwerk bis hin zum fünfminütigen preisgünstigeren kleinen Bruder ist alles drin. Herzen und Smilies werden gern mal abgefackelt, „Ich liebe Dich“ funktioniert nicht. „Das wäre wie Tütensuppe. Die kann ich an den Himmel ballern, aber ich weiß nicht, was dabei rauskommt.“

 

Peiner Explosionen fürs TV

Auringer hat auch den Sonderlehrgang SFX absolviert, er darf also auch bei Film und Fernsehen, für THW und Feuerwehr alles sprengen, was man so sprengen darf. Im Repertoire: Sprengung von Häusern oder Bergen, Häuserbrand oder Flugzeugabsturzsimulation. Natürlich sei das gefährlich, sagt Auringer auf meine Frage nach Risiken. „Man muss Achtung haben vor dem Material. Wie ein Koch, der sollte ja auch nie den Respekt vorm scharfen Messer verlieren.“

Und Silvester lässt ihn echt kalt, also auch geschäftlich? Natürlich nicht. Liebhaber großer Effekte bestellen in der Regel online bei ihm, aber „an den drei tollen Tagen“ wird die Ware dann in einem eigens gemieteten Geschäft in Peine abgeholt.

Auringer muss seine Feuerwerke in einem Bunker lagern, auch das Auto unterliegt Transportvorschriften. Die Versicherungen sind kostspielig, alle fünf Jahre muss er zur Nachschulung. „Wie ein Hubschrauberpilot.“ Seine Söhne sind nicht entflammt für Papas „Freizeitausgleich“: „Es gab Zeiten, da haben meine Frau und ich den Himmel abgebrannt und die Jungs saßen im Auto überm Gameboy.“

 

Fast jedes Wochenende auf Tour

Er selbst sieht seine Kunstwerke nie. „Ich kenne meine Feuerwerke nicht. Ich zünde ja noch selbst, stehe quasi direkt unter dem Feuerwerk. Ich höre nur den Applaus.“ Beinahe jedes Wochenende unterwegs, viel Vorschriftendschungel, Bürokratie für die Genehmigungen. Wofür das alles? Auringer überlegt kurz. „Etwas zu schaffen, das nur ganz kurz die Nacht erhellt, das so schön und doch so vergänglich ist – das ist ein Highlight. Nicht nur am Himmel.“