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Großes Programm
Wir zeigen euch das kleinste Theater Braunschweigs

Die Türen des Theaters ‚Das KULT‘ stehen sperrangelweit offen, als ich im Schimmelhof, Eingang C2, ankomme. „Welch schöne Begrüßung“, geht es mir durch den Kopf.

Bärbel Mäkeler

Und da kommt mir der knapp 50-jährige Inhaber des kleinsten Theaters Braunschweigs, Thomas Hirche, schon entgegen. Mit Hut. „Der ist zu meinem Markenzeichen geworden“, erzählt er gleich locker vom Hocker – nein, vom Gartenstuhl – im Foyer des schnuckeligen Theaters. Und schon sind wir mitten im Gespräch. „Wie kam es denn zum Umzug in die Hamburger Straße?“, frage ich, denn ich weiß, dass Hirche vorher am Hagenmarkt das KULT als noch kleineres Theater bewirtschaftete. In einer Wohnung. Das war 2012.

Wohnzimmer-Theater

„Ich hatte die Wohnung angemietet, zum Proben und weil ich Theaterrequisiten lagern musste – ich hatte gerade einige Bühnenelemente von einer befreundeten Bühne bekommen – und dachte mir: Die kann ich auch aufbauen und befreundete Gastspieler auftreten lassen und dazu gleich meine Freunde einladen. Vielleicht kommen ja auch noch ein paar andere dazu“, erzählt er. Und es kamen mit der Zeit wirklich mehr Besucher.

Das KleinkunstUnterhaltungsLiteraturTheater (Das KULT) war geboren. Die Bühne bestand aus einem schwarzen PVC-Belag, eine Traverse mit Licht sorgte für selbiges, der Vorhang hing und die Stühle waren ein sympathisches Sammelsurium von geschenkten Stühlen – wie auch heute noch. Für die nächsten anderthalb Jahre war das KULT ein neues Refugium der Kleinkunst in Braunschweig. Nun ja, kurz erzählt, der Mietvertrag lief aus und wurde nicht verlängert. Also musste ein neuer Raum her.

Das kleinste Theater zieht in den Schimmelhof

Hier spielte der Zufall Schicksal, denn die Niederdeutsche Bühne, die bis dato Mieterin der Räume im Schimmelhof war, wollte 2014 ausziehen. „Da musste ich schnell zugreifen“, schmunzelt Hirche, „und habe die 200 Quadratmeter angemietet. Familie Schimmel unterstützte mich dabei, sie hat das Klavier gesponsert und die Toiletten, das Foyer sowie die Rollstuhl-Rampe eingebaut.“

 

Vom Sozialarbeiter zum Theaterdirektor

In seinem früheren Leben war Thomas Hirche Sozialarbeiter, erfahre ich. Da bietet sich die Frage an: „Wie lange hast du denn schon diese Theaterambitionen?“ Die Antwort erstaunt mich nicht. „Och, als Autodidakt schauspielere ich seit meinem 16. Lebensjahr. Damals habe ich eine Theatergruppe mitbegründet, spielte in diversen Kabarettformationen, tourte unter anderem mit meinem eigenen semi-professionellen Figurentheater „Kunst & Honig“ durch Deutschland und habe Straßentheater gemacht. 2007 entschloss ich mich zu einer ‚Solokarriere‘. Ich klonte mich selbst, indem ich mir die lebensgroße Figur Mr. T. baute und gründete mein eigenes Tourneetheater ‚Me, myself and I‘.“

Im KULT steht Mr. T. als ein lebensgroßer Pappkamerad, der an Uncle Sam erinnert. „2010 habe ich dann meinen Job als Sozialarbeiter an den Nagel gehängt und bin zu 100 Prozent Theaterspieler geworden.“

Bärbel Mäkeler

Walkacts, Improvisationstheater und vieles mehr

Bei so vielen Informationen rund um Hirches schauspielerisches Spektrum schwirrt mir der Kopf. „Was hast du denn nun alles in deinem persönlichen Repertoire?“, muss ich einfach noch mal fragen. „Also, ich mache Theaterstücke für Kinder und Erwachsene, Papier- und Figurentheater sowie Straßen- und Improtheater mit der Gruppe ‚4gewinnt‘; das spielen wir fünf Mal im Jahr im ‚Roten Saal‘ im Schloss. Man kann mich auch für Theaterfeste oder private Feiern buchen. Zum Beispiel sind Walkacts bei größeren Veranstaltungen sehr beliebt.“

Mich begeistert am meisten das ‚Theater für Einzelgänger‘. Bei einem der vier Varianten dient eine Art Puppenstube als Bühne für eine Figur, mit der Thomas Hirche für einen Zuschauer ein 3-Minuten-Stück aufführt. „Da ist dann jede Ausstellung ausverkauft“, grinst er spitzbübisch. „Leute bleiben stehen und schauen, was da passiert, werden neugierig und können sich dann auch für eine Vorstellung anstellen. Bezahlt wird, was man will.“ Ganz schön vielseitig, der Mann, denke ich.

Bärbel Mäkeler

Ein Kaleidoskop künstlerischer Darbietungen

Noch vielseitiger als Hirches persönliche darbieterische Bandbreite ist das Programm des KULT: Kabarett, Comedy, Zauberei, Lesungen und Lesecafé, die Talentshow ‚Kunst gegen Bares‘, Musikveranstaltungen mit Swing, Tango, Chanson, Jazz, Pianomusik im Dunkeln, Tanzabende und -seminare, monatliche Kurse für Improtheater und mehr. Jüngst veranstaltete der rührige Theaterbesitzer mit anderen Akteuren auf dem Schimmelhof das 2. Erzähltheater-Festival mit Geschichtenerzählern, Schatten- und Papiertheater.

Übrigens kann man die Räumlichkeiten auch für private Feiern mieten. Wie ich es zu meinem jüngsten Geburtstag getan habe. Wer stadtnah in einem besonderen Ambiente feiern möchte, Platz für bis zu 90 Leute und vielleicht eine Bühne braucht, der findet im KULT die richtige Location. Denn: Thomas Hirche macht alles möglich – von Catering über Musik bis zu witzigen Ideen bei der Gestaltung der Party.

Marvin Reepschläger

Crowdfunding und Freunde als Helfer

Wie kann man das denn alles wuppen, frage ich mich. Erstmal finanziell und dann bezüglich des Arbeitsaufwands? Das macht Thomas Hirche ganz unkonventionell. Er hat sich vor der Eröffnung externer Schwarmfinanzierung bedient. Innerhalb von drei Monaten kamen etwas mehr als die kalkulierten 10.000 Euro über Crowdfunding herein. Die verpufften allerdings schnell, resümiert Hirche, waren aber wichtig für die ersten Anschaffungen.

Und das tägliche Doing? Werbung, Künstleranwerbung und -vertragsgestaltung, Veranstaltungsvorbereitung, Einkauf, Abendkasse, Getränkeverkauf, Künstlerbetreuung, Abrechnung? Das macht er vorerst allein oder es helfen Freunde mit. Bei der Werbung unterstützen große Plakate in rund 75 Geschäften in der Stadt und im Umkreis. Und immer lächelt den Betrachter des großen Posters der sympathische Thomas Hirche höchstpersönlich an. Wiedererkennung par excellence – spätestens dann, wenn er als Theaterdirektor auf seine Bühne tritt und die Künstler ansagt!

Nach seinem Motto gefragt, antwortet er spontan: „Nicht denken – machen.“

Ich bin davon überzeugt, dass das kleine, besondere Theater über kurz oder lang nicht nur KULT heißt, sondern auch Kult sein wird.