„Elektromobilität ist in aller Munde“, sagt Thomas Ahlswede-Brech, Mobilitätsexperte bei der Allianz für die Region GmbH. Doch was versteht man darunter und wie weit ist die Autoindustrie hinsichtlich CO2-Bilanz, Reichweite und Lade-Infrastruktur wirklich? Unsere Region ist in puncto Elektromobilität top und kann einen guten Einblick bieten. Ahlswede-Brech beantwortet hier die wichtigsten Fragen.
Elektromobiltät
- Die wichtigsten Antworten
Was versteht man unter Elektromobilität? Und welche Vorteile bringt sie überhaupt?
Einfach gesagt, versteht man unter Elektromobilität jede Art der Fortbewegung mit einem elektrischen Antriebsystem. Dabei spielen die unterschiedlichen Verkehrsträger, also Schiene, Straße, Luft und Wasser, zunächst keine Rolle – selbst bei einem elektronisch angetriebenen Skateboard würde man in diesem Fall von Elektromobilität sprechen. Wir beschäftigen uns hier allerdings mit dem Straßenverkehr, grob gesagt: Autos, die von einem Elektromotor angetrieben werden und die dafür benötigte Energie aus dem Stromnetz beziehen. Quasi alles, was ich mittels Ladegerät aufladen kann.
Durch die Elektromobilität verspricht man sich einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende. Mehr Klimaschutz, geringere Abhängigkeit durch fossile Energieträger und vor allem ein neues, klimaschonendes Bewusstsein.

Sind Elektroautos klimaneutral?
Zwei Fragen sind dabei besonders zu beachten: Wie geschieht die neue Fortbewegung – und wo kommt der Strom zum Aufladen her? Unter Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette, sprich von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Nutzung und zum Recycling, gibt es keine CO2-neutrale Elektromobilität.
Was aber durchaus beim Endverbraucher als CO2-mindernd bewertet werden kann, ist die Nutzung eines Elektro-Fahrzeugs statt eines „Verbrenners“. Vorausgesetzt natürlich, der eingespeiste Strom wird durch erneuerbare Energien gewonnen. Des Weiteren wäre da noch der direkte Vorteil, dass es bei Elektromobilen zu keinen schädlichen Abgasen kommt und damit insbesondere die Städte profitieren.
Haben Elektroautos dann überhaupt eine bessere CO2-Bilanz als herkömmliche Fahrzeuge?
Das wird sehr kontrovers diskutiert. Fakt ist, dass Elektromobile durch die aufwändige Rohstoffgewinnung, unter anderem für die Batterieproduktion, eine CO2-Vorbelastung haben. Wenn man es sich bildlich vorstellen möchte, ist das ein Treibhausgas-Rucksack, den jedes Fahrzeug mit sich trägt und der erst mit Antritt der Reise beim Nutzer leichter wird. Bis also dieser Rucksack leer ist, vergehen viele Jahre und Kilometer.
Eine Referenzanalyse in der Kategorie „Kompaktklasse“ des ADAC hatte ergeben, dass ein Elektroauto sich erst ab 127.000 Kilometer Laufleistung gegenüber einem Benziner klimafreundlicher verhält. Bei einem Diesel sind es sogar 219.000 Kilometer. Das wäre die Rechnung mit dem aktuellen Strom-Mix in Deutschland. Zapft man allerdings zu 100 Prozent Ökostrom, verbessert sich dieser Wert rapide. Beim Diesel wäre man bereits nach 40.000 Kilometer im „grünen“ Bereich. Wenn man so will, ist es also nicht das Elektrofahrzeug, welches die CO2-Bilanz verbessert, sondern der Anteil der regenerativen Energien. Meiner Meinung nach ist daher auch der Wettbewerb um Geschwindigkeit und Beschleunigung bei Elektroautos völlig fehl am Platz.
Wie meinen Sie das?
Warum werden Elektroautos benötigt? Der Politik geht es hierbei um Klimaschutz. Das ist löblich, notwendig und erforderlich. Es geht aber bei der gesamten Diskussion auch um das Nutzungsverhalten und um die neue Form der Mobilität. Eine einfache Frage dazu: Benötigen Sie, wenn Sie von Hamburg nach München fahren möchten, einen 500 PS starken Rennwagen oder würden Sie auch mit einem 115 PS-Vehikel ans Ziel kommen? Was wäre CO2-freundlicher? Diese rhetorische Frage möchte ich nun in das elektromobile Zeitalter überführen. Benötigen Sie ein Elektrofahrzeug, dass mit einem großen Akku für kurze Zeit maximale Beschleunigung und Geschwindigkeit erreicht, oder sollte man diese Kapazität lieber in die Reichweite stecken? Ich denke, dass die Antwort unter Klimaschutzaspekten klar sein sollte. Ein Elektrofahrzeug, das 250 Km/h fahren kann, ist unter dieser Prämisse genauso sinnlos wie ein vergleichbarer Verbrenner. Ein Tempolimit in Deutschland hätte aus dieser Sicht einen doppelten Vorteil und würde dem gesamten Verkehrssystem guttun.
Viele reden über die geringe Reichweite von E-Autos. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Die Diskussion über die Reichweite ist allgegenwärtig. Sicherlich müssen die Hersteller die Reichweite so erhöhen, dass es passabel für den Nutzer ist. Und der plant mit erheblichen Puffern. Der durchschnittliche Autofahrer fährt 39 Kilometer pro Tag. Bei der Kategorie Kompaktklasse sind bei Elektromobilen rund 250 Kilometer Reichweite drin. Der Nutzer müsste also circa einmal pro Woche nachladen.
Aber der Maßstab, an dem Elektroautos gemessen werden - so unorthodox diese Diskussion ist - liegt bei den gelegentlichen Fernreisen. Die dafür nötigen Kilometerleistungen können nur wenige Hersteller aktuell liefern. Aber wenn man diese Fernreisen genauer betrachtet, hakt es doch etwas: Wer fährt 500 oder gar 1.000 Kilometer am Stück und ohne Pause? Das werden wohl die allerwenigsten sein. In Deutschland gibt es etwa 21.000 Ladepunkte. Das sind natürlich zu wenig. Im „Masterplan Ladeinfrastruktur“ der Bundesregierung mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro sollen daher insbesondere an Autobahnen Schnellladepunkte errichtet werden. Bis 2030 sollen es eine Millionen Ladepunkte sein. Das ist der richtige Weg.
Und die Ladezeiten?
Laden mit Tanken zu vergleichen ist so, als würde man Fliegen mit Bahnfahren vergleichen. Die Ladezeiten hängen maßgeblich von der Batteriekapazität und der Ladeleistung ab. Zwischen 30 und 45 Minuten werden im Bereich des Schnellladens ausreichend sein, um seine Fahrt fortsetzen zu können. Bei weiteren Strecken also das Mittagessen. Sofern man an seinem Arbeitsplatz oder zu Hause die Möglichkeit zum Aufladen hat, geht das meistens über die normalen Ladesysteme wie Wallboxen. Hier benötigt eine Aufladung rund 5 Stunden von 10% auf 100%. Aber dabei steht das Fahrzeug ohnehin ungenutzt auf dem Parkplatz.

Wie weit sind wir in unserer Region mit der Elektromobilität?
Die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg wurde 2012 bundesweit als eine von vier Schaufensterregionen für Elektromobilität ausgewählt. Das war zu diesem Zeitpunkt echtes Neuland: Es gab kaum Elektrofahrzeuge von den großen Herstellern und an Ladeinfrastruktur war noch nicht zu denken.
Insbesondere Braunschweig und Wolfsburg haben hier aber gezeigt, dass Elektromobilität möglich ist. Das Programm war für 3 Jahre angesetzt, aber noch heute sind die Spuren deutlich zu sehen: In Wolfsburg entstand Deutschlands erste Elektrotankstelle an der Braunschweiger Straße. Eine ehemalige Esso-Tankstelle wurde hierfür aufwendig umgebaut, um die neue Technologie sichtbar zu machen. In Braunschweig wurde ebenfalls ein Stück Geschichte geschrieben, als im innerstädtischen Bereich eine Buslinie elektrisiert wurde.

Neben diesen beiden größeren sichtbaren Projekten sind auch immer mehr Ladepunkte entstanden, die kommunalen Flotten sind zudem elektrischer geworden. Braunschweig galt hierbei als die Stadt mit der höchsten Dichte an Ladepunkten überhaupt. Auch Volkswagen spricht sich klar und deutlich für die Elektromobilität aus und hat mit dem ID.3 und dem ID.4 Produkte auf den Markt geworfen, die konkurrenzfähig sind. Ich sage es mal so: Wir wurden als Schaufenster Elektromobilität 2012 ausgewählt und sind es bis heute geblieben.
Werden wir eines Tages alle elektrisch fahren?
Ein ganz klares Ja! Im besten Fall fahren wir dann aber nicht mehr selber, sondern werden gefahren.