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Eine Kellnerin serviert Essen, ein Roboter steht daneben. PETER SIERIGK

Von Roboter bis 4-Tage-Woche
Lösungen für den Fachkräftemangel

Der Mangel an Fachkräften fordert viele Branchen heraus. Es sind neue und zukunftsträchtige Ideen gefragt, dieser Herausforderung zu begegnen. Wir stellen drei Unternehmen aus der Region und ihre spezifische Lösung für dieses Problem vor.

Ideenfluss im Schwimmbecken: Der AWO-ThinkPool

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) zeichnet sich nicht nur als sozialer Dienstleister aus. Besonders ist auch ihre zukunftsorientierte Herangehensweise, um Mitarbeiter zu fördern und Innovationen zu entwickeln. Ein herausragendes Beispiel dafür ist der “ThinkPool” des AWO-Bezirksverbands Braunschweig. Dieser ungewöhnliche Arbeitsraum, ein umgebautes Schwimmbad, beeinflusst nicht nur das kreative Denken der Mitarbeiter, sondern führt auch zu einer positiven Veränderung in der Arbeitskultur, was angesichts des Fachkräftemangel ein zunehmend wichtiger Punkt ist.

Der trotz Fachkräftemangel vollbesetzte AWO-Thinkpool, dazwischen einige Alpakas. AWO Bezirksverband Braunschweig
Menschen, Alpakas, Sensationen: Meetings im AWO-Thinkpool können manchmal überraschen.

Der Raum hebt sich naturgemäß stark von den herkömmlichen Büroumgebungen ab und ermutigt die Mitarbeiter, ihre Ideen frei und unkonventionell zu entwickeln. Flexibilität und Individualität stehen im Vordergrund, wodurch der ThinkPool optimal für Workshops genutzt werden kann. Parallelarbeit in Kleingruppen wird durch verschiedene Arbeitsbereiche auf mehreren Ebenen unterstützt, während Präsentationen vor größerem Publikum im ehemaligen Schwimmbecken stattfinden.

Die Idee, ein stillgelegtes Schwimmbad auf dem AWO-Kampus in Braunschweig zu einem kreativen Arbeitsraum umzubauen, entstand aus der Suche nach einer sinnvollen Nachnutzung des Raums. In enger Zusammenarbeit mit einem Architektenteam von KPN wurde der ThinkPool konzipiert und umgestaltet, wobei viele originale Elemente des Schwimmbades wie das Becken als Arbeitsraum, die Treppe ins Becken, der Handlauf, die Fliesen und ein Bullauge erhalten blieben.

 „Die Mitarbeiter, die an unseren Workshops teilnehmen oder den ThinkPool für eigene Veranstaltungen nutzen, sind begeistert von der Andersartigkeit des Raumes”, so Rifat Fersahoglu-Weber. Die Möglichkeit, sich außerhalb des üblichen Arbeitsumfeldes mit Ideen zu beschäftigen, beflügelt: AWO-Mitarbeiter konnten hier bereichsübergreifende Angebote entwickeln, die in herkömmlichen Einrichtungen womöglich nicht entstanden wären.

Rifat Fersahoglu-Weber, Vorstandsvorsitzender des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig

„Kreative Prozesse brauchen kreative Räume.”

Rifat Fersahoglu-Weber, Vorstandsvorsitzender des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig

Die Erfahrungen des AWO-Bezirksverbands Braunschweig mit dem ThinkPool zeigen, dass ein neuartiges Raumkonzept in Kombination mit passenden Angeboten einen Mehrwert für die Mitarbeiter schaffen kann. Obwohl quantitative Aussagen über die Wirkung auf Mitarbeitergewinnung und -bindung schwer zu treffen sind, hat der ThinkPool zweifellos eine positive „Strahlkraft" entwickelt und stärkt das Profil der AWO in der Region. Gerade in Zeiten des Fächkräftemangel ein wichtiger Pluspunkt.

 Für andere soziale Verbände, die ebenfalls neue und innovative Räume gestalten wollen, gibt der AWO-Bezirksverband Braunschweig den Rat, Raum und Angebot in enger Verbindung zu betrachten. Ein kreativer Raum sollte mit einem kreativen Angebot gefüllt werden. Ein Erfolgsmodell, das auch für andere Organisationen wegweisend und ein kleines Instrument gegen den Fachkräftemangel sein kann.

Die 4-Tage-Woche im Handwerk funktioniert

In einer Zeit, in der Fachkräfte im Handwerk hart umkämpft sind, suchen Unternehmen nach neuen Wegen, ihre Mitarbeiter zu halten und zu motivieren. Eine vielversprechende Lösung, die sich immer mehr durchsetzt, ist die Einführung der 4-Tage-Woche. Ein Handwerksbetrieb aus Ilsede im Landkreis Peine hat diesen Schritt gewagt und erntet bereits positive Ergebnisse.

Bis vor Kurzem galt im Sanitär- und Heizungsbetrieb Schackert eine klassische 40-Stunden-Woche. Bis einige der Angestellten den Wunsch äußerten, freitags früher Feierabend zu machen. Die Idee: An den anderen Werktagen etwas länger arbeiten und freitags bereits um 13 Uhr ins Wochenende starten. Doch Betriebsleiter Alexander Schackert war sich bewusst, dass ein halber Arbeitstag der Firma mehr Kosten verursachen könnte, als er Nutzen bringt.

Wir möchten unsere Mitarbeiter im Team halten, da sie mit ihrer Erfahrung nicht zu ersetzen sind.

Alexander Schackert, Betriebsleiter

In Absprache mit den Mitarbeitern wurde daher ein neues Konzept entwickelt: Die 4-Tage-Woche mit 38 Stunden Arbeitszeit. Die Regelung wurde im April 2023 zunächst als Testlauf eingeführt, doch schnell zeigten sich die Vorteile: Die positive Resonanz der Mitarbeiter, die unverändert hohe Arbeitsmoral und die konstante Produktivität des Teams.

Keine überraschende Erkenntnis war die positive Auswirkung auf die Work-Life-Balance der Belegschaft. Mit einem zusätzlichen freien Tag in der Woche konnten die Mitarbeiter ihre persönlichen Angelegenheiten stressfreier erledigen und fühlten sich insgesamt entspannter.

Der Sanitär- und Heizungsbetrieb Alexander Schackert geht erfolgreiche neue Wege.

Neben den positiven Auswirkungen auf die Mitarbeiterbindung stellt sich die Frage, ob die 4-Tage-Woche auch zur Gewinnung neuer Fachkräfte beitragen kann. Bisher konnte Schackert zwar noch keine zusätzlichen Mitarbeiter gewinnen, doch er hofft, dass die attraktive Arbeitszeitregelung langfristig Bewerber auch im gegenwärtigen Fachkräftemangel anziehen wird, die nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit suchen.

Angesichts der guten Erfahrungen sieht Alexander Schackert großes Potenzial für die 4-Tage-Woche als langfristiges Arbeitskonzept in seiner Branche, auch angesichts des Fachkräftemangel. Die Erfolgsgeschichte seines Betriebs könnte andere Handwerksunternehmen ermutigen, ähnliche Modelle zu prüfen und zu implementieren.

Schackers Rat an andere Handwerksbetriebe, die mit der Idee spielen, die 4-Tage-Woche einzuführen, lautet: „Wenn es positives Feedback nach Rücksprache mit den Mitarbeitern gibt: Einfach machen.“

Ein Roboter im Traditionsrestaurant

Carsten Goldapp hat die Gastronomie im Blut. Goldapp führt das Restaurant „Zur Rothenburg“ in Braunschweig bereits in der vierten Generation. Klar, dass das Traditionshaus in dieser langen Zeit schon so manche Veränderungen erlebt hat, nicht nur auf der Speisekarte. Eine ganz neue Ära allerdings begann zum Jahreswechsel 2022/23. Zum ersten Mal brachten keine menschlichen Kellner die zünftigen Speisen und Getränke mit einem Lächeln zu den Tischen – sondern ein Roboter.

Weil Fachkräftemangel herrscht, ist die Hilfe von „Bella“ durchaus willkommen. „Wir hatten Bella direkt im vergangenen Weihnachtsgeschäft eingesetzt und festgestellt, dass sie ganz gut zu uns passt“, stellt Goldapp fest.

Geschäftsführer Goldapp neben dem Roboter Bella, einer Hilfe beim Fachkräftemangel.. PETER SIERIGK
Carsten Goldapp und Bella - der Roboter ist inzwischen fester Bestandteil des Teams im Restaurant Zur Rothenburg.

Einmal komplett beladen, fährt Bella selbständig aus der Küche von einem Tisch zum anderen, man muss nur noch beim Servieren assistieren. „Anfangs war das komisch“, sagte Koch Max Zich der Braunschweiger Zeitung, „aber jetzt macht es richtig Spaß!“ Der BellaBot entlastet das Personal, weil er mehr Tischbedienungen schafft. So bleibt mehr persönliche Zeit für die Gäste und bei Personalengpässen und Fachkräftemangel ist Bella sowieso eine große Hilfe. Nur Suppen und Getränke werden auch weiterhin von menschlichem Personal serviert.

„Wir hatten Bella direkt im vergangenen Weihnachtsgeschäft eingesetzt und festgestellt, dass sie ganz gut zu uns passt.“

Carsten Goldapp, Geschäftsführer im Restaurant „Zur Rothenburg“

„Die Gäste reagieren überaus positiv, viele sind natürlich erstmal überrascht, kommen manchmal auch extra deswegen, um sie einmal zu sehen“, sagt Carsten Goldapp und tätschelt ihr über den Kopf, bis Bellas digitales Katzengesicht fröhlich lächelt, die Augen verschließt und ihm ein wohliges „Miau“-ähnliches Geräusch entfährt.