Die Corona-Pandemie legt vieles lahm, eine der ersten Maßnahmen war neben der Schließung der Schulen auch der Abbruch der Präsenzlehre an Hochschulen. Aufgrund des hohen Infektionsrisikos sind auch hier neue Lernformate erforderlich. Fabian Schmidtheisler studiert im 7. Semester Stadt- und Regionalmanagement und beschreibt, wie die digitale Lehre an der Ostfalia Salzgitter aussieht und wie sie sich anfühlt.
Digitale Lehre an der Ostfalia Salzgitter:
Wie läuft´s?
Wie kann die digitale Lehre konkret aussehen? Lerninhalte müssen natürlich angepasst und gegebenenfalls umgewandelt werden, das ist klar. Aber welche Möglichkeiten stehen Dozenten und Studenten offen?
Der virtuelle Lernraum
Eine der Möglichkeit ist das synchrone Lehren und Lernen. Die Studenten und Dozenten treffen sich alle gleichzeitig zu einer vorher festgelegten Zeit in einem virtuellen Lernraum und erarbeiten bestimmte Themen gemeinsam.
Für langfristige Aufgaben oder Projekte eignet sich eine asynchrone Variante. Hierbei findet das Lernen und Lehren nicht gleichzeitig statt und die Gruppe verfügt über eine flexible Zeit- und Raumgestaltung. In der Regel funktioniert es so, dass die Dozenten ein Skript hochladen und dazu Lernkontrollfragen stellen, die im Laufe des Semesters erarbeitet und besprochen werden sollen.
Natürlich gibt es auch eine hybride Lösung, also eine Mischung von Fernlehre und Präsenzlehre. Komplexere Lerninhalte sind teilweise digital schwierig zu erarbeiten, daher bevorzugt man dafür Gruppenarbeit in Form von Präsenzlehre.
Wie sieht die technische Lösung aus?
Die meisten Vorlesungen finden an der Ostfalia über BigBlueButton statt. BigBlueButton unterstützt die gemeinsame Nutzung mehrerer Audio- und Videoformate in Online-Konferenzräumen, den so genannten Breakout-Räumen. Benutzer können als Betrachter oder Moderator an der Sprachkonferenz teilnehmen und zum Beispiel ihren Desktop mit der Gruppe teilen, die Webcam freigeben und Präsentationen starten.
Die Vorteile: weniger Kosten, mehr Zeit, höhere Konzentration
Wenn alle Veranstaltungen online stattfinden und die digitale Lehre ortsunabhängig ist, hat man als Student Kosten- und Zeitvorteile.
Denn da die meisten Vorlesungen aufgezeichnet werden, lässt sich der Tag besser strukturieren. Somit hat man die Möglichkeit, auch zu einem späteren Zeitpunkt die Vorlesung anzuschauen und die Inhalte zu erarbeiten. Falls ein Thema zu schnell behandelt worden ist, können entsprechende Teile der Vorlesung in der Aufnahme erneut abgespielt werden. Dadurch kann ich das Lerntempo weitgehend selbst bestimmen.
Weil unsere Vorlesungen nun nicht im Hörsaal oder Unterrichtsraum mit 20 bis 50 Studenten stattfinden, ist der Geräuschpegel natürlich deutlich geringer. Denn während der Dozent im virtuellen Lernraum die Inhalte erklärt, haben die Studenten ihr Mikrofon stumm geschaltet.
Dadurch steigt die Konzentration und die Aufnahmefähigkeit für den Lernstoff ist aus meiner Sicht sogar besser als in Präsenzlehre.
Größter Nachteil: Das fehlende Gemeinschaftsgefühl
Wo viel mit Technik gearbeitet wird, kann einen diese natürlich auch mal im Stich lassen – das ist zwar manchmal nervig, aber kaum ganz zu vermeiden.
Als größten Nachteil sehe ich aber, dass das Gemeinschaftsgefühl in der digitalen Lehre schon ein wenig verloren geht. Zusammen Mittagspause machen, zusammen lernen oder spannende Gruppenarbeiten und Projekte durchführen, das alles – und noch viel mehr – bleibt hier natürlich auf der Strecke.
Natürlich finden Gruppenarbeiten auch virtuell statt und man kann sich über Chaträume austauschen, aber das ist kein richtiger Ersatz. Das echte Studentenleben kann damit erst recht nicht entstehen. Das ist schade.
In der digitalen Lehre ist man zudem mehr auf sich allein gestellt, jeder kämpft eher für sich. Dabei geht auch das Miteinander verloren, finde ich.
Natürlich breitet sich im Hinblick auf die anstehenden Prüfungen auch ein bisschen Panik aus. Ich probiere kontinuierlich, während der Vorlesungen Mitschriften zu verfassen, aber trotzdem bleibt dabei ein unsicheres Gefühl und ich fühle mich nicht so bestätigt wie in der Präsenzlehre.
Die Dozenten versuchen, dies auch soweit es geht zu berücksichtigen und uns trotzdem bestmöglich auf die Klausuren vorzubereiten. Oft werden dafür Lernkontrollfragen zu den Skripten erstellt. Diese besprechen wir dann ausführlich und die Fragen sind dann meistens auch relevant für die Prüfungen.
Digitale Lehre als Zukunftsmodell?
Aus meiner Sicht ist die digitale Lehre natürlich auch abwechslungsreich und spannend. Ich denke, dass die digitale sowohl als auch die Präsenzlehre gewisse Vorzüge haben. Mir persönlich gibt die „Live-Lehre“ allerdings mehr Sicherheit und es fällt mir leichter, inhaltliche Themen zu verstehen und zu bearbeiten.
Daneben ist beim Studieren wohl für fast alle das Gemeinschaftsgefühl sehr wichtig. Soziale Kontakte, neue Freundschaften und Bekanntschaften können viel besser im realen als im virtuellen Austausch geschlossen werden.
In Hinblick auf das jetzige und die kommenden Semester wird Covid-19 natürlich Spuren hinterlassen. Die Studenten haben leider nicht die Gelegenheit, sich persönlich kennen zu lernen und an Events der Hochschule teilzunehmen. Die Anonymität an der Hochschule wird steigen.
Auch in den höheren Semestern können Schwierigkeiten entstehen, etwa beim Pflichtpraktikum. Aufgrund von Covid-19 mussten angetretene Praktika im Home-Office ausgeführt oder sogar abgebrochen werden. Die Praktikumssuche wird schwieriger werden.
Durch den wirtschaftlichen Schaden, von dem sehr viele Unternehmen betroffen sind, sind die Praktikumsplätze derzeit beschränkt.
Die Bachelorarbeit wird sich ebenfalls schwieriger gestalten. Bibliotheken sind größtenteils geschlossen, die passende Lektüre vergriffen, inhaltliche Absprachen und Hilfestellung für die Bachelorarbeit können nur digital stattfinden.
„An der Ostfalia machen wir das beste aus der momentanen Situation."
Ich denke, dass die digitale Lehre unter den momentanen Umständen eine gute Alternative darstellt, aber keine Dauerlösung sein kann. Die Lösung könnte ein hybrider Ansatz sein: Ein Teil der Veranstaltungen könnte weiter digital stattfinden - und für komplexere Inhalte eignet sich mit einem sorgfältigem Hygienekonzept die Gruppenarbeit in Präsenzlehre.
Ich bin zuversichtlich, dass wir aus der momentanen Situation an der Ostfalia das Beste machen und wir uns schon bald wieder als glückliche Studenten wiederfinden.