Braunschweig ist eine schöne Stadt: Die Seenlandschaft im Naturschutzgebiet Riddagshausen lädt zum Spazierengehen ein, die grünen Wiesen im Prinzenpark zum Verweilen. In der Innenstadt gehören der Burgplatz mit dem Löwen-Denkmal oder die Fachwerkarchitektur im Magniviertel zu den Highlights. Ihr kennt all diese Ecken schon? Dann wird es Zeit für einen Perspektivenwechsel: Braunschweig vom Wasser aus.
Braunschweigs schönste Ecken vom Wasser erkunden
Was Braunschweigs Innenstadt als „die Oker“ umrahmt, ist eigentlich ein Umflutgraben. Bereits im 12. Jahrhundert gestaltete Heinrich der Löwe entsprechende Kanäle. Noch heute sind Teile des ursprünglichen Grabens zu finden - beispielsweise am Inselwall, dort fließen die ehemaligen Innenstadtgräben zusammen.
Vom Stadtgraben zum Erholungsgebiet
Erst im 19. Jahrhundert erhielt der Umflutgraben seine heutige Form - bis dahin war die Innenstadt durch die Okerarme und zahlreiche Brücken geprägt. Ausschlaggebend für die Umgestaltung waren hygienische Probleme, denn das gesamte Abwasser der Innenstadt wurde bis dahin über die Okerarme abgeleitet.
Heute ist „die Oker“ mit rund 7,8 Kilometer Länge ideal, um Braunschweigs schöne Ecken vom Wasser aus zu entdecken.
Die Floßstation: Drei Standorte in Braunschweig
Ich treffe Tina Loose, Geschäftsführerin der Floßstation Braunschweig, am Fallersleber Tor. Sie bittet mich in ihr „Büro“, das aus einer Bierzeltgarnitur mit Sonnenschirm auf dem Steg direkt am Wasser besteht. Ich bin etwas neidisch: Mein Home Office im Dachgeschoss ohne Balkon kann da einfach nicht mithalten.
Seit 2015 leitet Tina das Unternehmen. Die erste der inzwischen drei Verleih-Stationen eröffnete bereits 1998 an der Kurt-Schumacher-Straße. Erst 2016 kam die Station am Fallersleber Tor direkt gegenüber des Botanischen Gartens dazu, außerdem gehört der Bootsverleih in der Okercabana zur Floßstation Braunschweig GmbH. Tinas Team besteht aus drei Festangestellten, während der Saison kommen nochmal rund zehn weitere Arbeitskräfte dazu, die sich um die Touren und den Verleih kümmern.
Die Saison beginnt für die Floßstation meistens Mitte April, je nach Wetterlage, und läuft dann bis Mitte Oktober. Das Angebot umfasst neben dem regulären Verleih von Tretbooten, Kajaks und Kanadiern nicht nur den Verleih der vier großen Holzflöße für individuelle Anlässe, sondern auch regelmäßige Angebote.
Das beliebteste sei das „Grill-Floß“, verrät mir Tina. Das schwimmende BBQ-Grill-Floß tuckert zwei Stunden lang über die Oker, während nebenbei der Grill ordentlich eingeheizt wird. Wer weniger Zeit, aber trotzdem Lust auf kulinarische Köstlichkeiten hat, kann beim „Floß + Okercabana-BBQ“ - was in diesem Jahr aufgrund der Beschränkungen nicht angeboten werden kann - die Vorteile der Floßfahrt auf der Oker genießen und anschließend beim Barbecue in der Okercabana die Füße in den Sand stecken und schlemmen - Strandfeeling pur.
Bei einem Glas Wein und einer leckeren Käseauswahl etwas Frankreichfeeling auf die Oker bringen? Auch das hat sich die Floßstation auf die Fahnen geschrieben. Bei der „mediterranen Abendfahrt“ kann man nicht nur Braunschweig vom Wasser aus erkunden, sondern auch dem Sonnenuntergang entgegenschippern. Wer will da schon nach Frankreich reisen?
Nicht nur für kulinarische, sondern auch für kulturelle Abwechslung sorgt die Floßstation auf ihren Wasserfahrzeugen. Neben Lesungen und Konzerten veranstaltet sie auch das Sommertheater auf der Oker, was in diesem Jahr wegen des Lichtparcours ausfällt. „Zum Lichtparcour bieten wir geführte Touren an, auch unsere Öffnungszeiten haben wir daran angepasst“, erklärt Tina Loose. Donnerstags, Freitags und Samstags kann man sich nun die Boote bis 23 Uhr ausleihen.
Wer mal aus der Stadt raus möchte, kann sich zur Aller oder bis zur Leine bringen lassen. Das AllerAbenteuer startet in Gifhorn und führt in einer rund fünfstündigen Tour bis nach Müden - ein leckeres Pickick am Ufer inklusive. Das LeineAbenteuer führt von Gronau nach Schloss Marienburg.
Teambuilding zu Wasser und zu Land
Sich gemeinsam mit einem Team Herausforderungen wie Floßbau, Schlauchboot-Rallyes oder Kanu-Challenges stellen? Auch dafür hat die Floßstation diverse individuelle Angebote. Bei Bedarf - und wenn die Situation es wieder zulässt - kann das Ganze mit einem Barbecue in der Okercabana abgerundet werden.
Sogar an die Wasserscheuen ist gedacht: Hier sorgen Geocaching, Slackline oder Kletterkisten für gemeinsamen Spaß.
In Rücksichtnahme auf die menschlichen und tierischen Bewohner des Ufers bittet Tina Loose jedoch, weitestgehend auf musikalische Beschallung während der Fahrt auf dem Wasser zu verzichten: „Natürlich verbieten wir niemandem, eine Box mit an Bord zu nehmen, schließlich machen wir keine Taschenkontrollen. Aber ich empfehle wirklich sehr, die Ruhe zu genießen, die man auf dem Wasser hat. Einfach mal die Umgebung wahrnehmen und den eigenen Gedanken nachhängen, das ist sehr entspannend. Man muss es nur zulassen.“
Ich stimme zu, es hat schon fast etwas meditatives, sich von der kaum wahrnehmbaren Strömung treiben zu lassen und dabei die Umgebung zu entdecken. „Das ist die Besonderheit an der Oker: man ist mitten in der Stadt und doch mitten im Grünen. Manche alteingesessenen Braunschweiger wissen plötzlich gar nicht mehr, wo sie genau sind. Vom Wasser aus sieht die Stadt doch noch einmal ganz anders aus“, lacht Tina.
Die Chefin empfiehlt
Tinas besondere Empfehlung ist der westliche Umflutgraben. „Der ist relativ wenig frequentiert. Dadurch ist es nochmal idyllischer. Klar sieht man hier im Östlichen Ringgebiet die ganzen schicken Häuser, aber dort ist es wirklich schön ruhig und entspannend.“ Mit dem Paddelboot von der Anlegestation am Fallersleber Tor braucht man lediglich eine Stunde dorthin.
Die Strecke Richtung Südsee ist ebenfalls eine Empfehlung der Chefin. „Man kann auch von Rüningen aus starten und in die Stadt reinfahren. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.“
Ein weiteres Highlight ist die komplette Umrundung der Stadt. Dafür sollte man ca. 2,5 Stunden einplanen. „Man muss das Boot am Wendenwehr allerdings einmal umtragen“, erklärt Tina, „Dabei muss man einmal durch den Gaußpark gehen und setzt das Boot dann am Inselwall wieder ein. Das sind circa 400 Meter, das ist nicht für jeden etwas. Am Petriwehr muss das Boot dann noch einmal umgesetzt werden, das ist aber einfach.“
Freche Teichhühner und neugierige Nutrias
Auch Braunschweigs Tierwelt lässt sich mit dem Paddelboot entdecken. „Wir haben hier Reiher, natürlich auch allerlei Arten von Enten und Nutrias“, zählt Tina auf. „Die Nutrias sind recht groß und neugierig, die kommen auch schon mal näher ran.“ Außerdem gibt es Teichhühner, die seien allerdings sehr frech. „Wir haben hier den Torres“, lacht Tina. Torres ist ein gefräßiges und freches Teichhuhn, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, jene Köstlichkeiten zu stehlen, die die Floßstation für ihre Touren bereit hält. „Einmal hatten wir aufgetischt, Salate und Platten - und plötzlich stand Torres mitten im Nudelsalat und hat geschlemmt“, lacht Tina. Aber keine Sorge: Seitdem passen die Tourenguides besonders auf.