Die Abordnung des Fördervereins Burg Lichtenberg erwartet mich auf dem Parkplatz des Burgbergs in Salzgitter-Lichtenberg. Noch glaube ich, dass wir uns am Fuß der Burg befinden. Eine Fehleinschätzung, wie ich gleich erfahren werde.
Burg Lichtenberg
Engagierte Frauen, Männer und eine Ruine mit Geschichte
Ich stehe schon innerhalb der äußeren Ringmauer mit sage und schreibe 13 offenen Halbrundtürmen. Die Mauer ist Bestandteil der Unterburg, die im 14. und 15. Jahrhundert entstand. Und sie liegt noch im Waldboden versteckt.
Großteil der Anlage noch nicht freigelegt
Was ich als Burg wahrnehme ist die Oberburg aus dem 12. Jahrhundert. So imposant die Anlage aus der Nähe betrachtet wirkt – sie stellt nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Burg dar. Erst ein Viertel des gesamten Burggebietes ist archäologisch erschlossen, erklärt mir Vorstandsmitglied Hannes Hoffmeister. Und von diesem Viertel sehen die Besucher nur 40 Prozent.
Im Zentrum der Burgruine steht weithin sichtbar der Bergfried. Der Turm, der bereits ab 1893 wieder aufgebaut wurde, hat im Frühling eine neue Aussichtsplattform erhalten. Die alte Plattform war bei einem Brand im Jahr 2016 zerstört worden.
Deshalb bin ich auch gespannt, die höchste Spitze des Bergfrieds zu erklimmen. Doch vorher kommt etwas Geschichte. Und die ist nicht minder spannend.
Die Burg Lichtenberg gilt als Burg Heinrichs des Löwen. Wann sie tatsächlich erbaut wurde, weiß man heute nicht. Erwiesen ist aber, dass es im Jahr 1180 eine befestigte Anlage der Welfen auf dem Burgberg gab. Quellen berichten von einer Belagerung der Burg durch Friedrich Barbarossa. Der Grund: Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern und Cousin des Kaisers Friedrich Barbarossa, hatte sich 1176 geweigert, diesem auf seinem Italienfeldzug zu folgen.
Burg Lichtenberg war immer umkämpft
Die Burg fiel übrigens damals nach wenigen Tagen der Belagerung ohne Zerstörungen in die Hände des Kaisers. Von diesem Zeitpunkt an ging es hin und her auf dem Salzgitter-Höhenzug: Mal hatten die Staufer das Sagen, mal die Welfen, mal gehörte die Burg zum Fürstentum Lüneburg, mal zum Fürstentum Braunschweig. Heute ist die Burg übrigens im Besitz der Stadt Salzgitter.
Meine Frage, ab wann und wie es mit der Burg bergab ging, kann Hannes Hoffmeister auch beantworten. Es war im Oktober 1552. Damals wurde die Burg wieder belagert. Nach acht Tagen fiel Lichtenberg den Söldnern des Grafen Volrad von Mansfeld zum Opfer. Die Landsknechte plünderten die Burg, legten Feuer und zerstörten sie vollkommen. Seitdem nutzten die Lichtenberger die Ruine als Steinbruch.
Mittelalterliche Wurfmaschine wird vorgeführt
Welcher Mittel sich die Belagerer im Hochmittelalter bedienten, weiß Dr. Günter Hein. Das Vorstandsmitglied des Fördervereins Burg Lichtenberg ist der Blidenmeister. Die Blide ist eine historische Steinschleuder. Der Nachbau steht am Tor zur Oberburg.
Günter Hein kennt die Funktionsweise der Steinschleuder ganz genau. Er kann sie sogar bedienen und tut das in regelmäßigen Abständen auch (siehe unten). Und er weiß, mit welch ekelhaften Wurfobjekten die Belagerer die Burgbewohner zur Aufgabe zwangen: Sie zielten mit Tierkadavern oder Leichen auf den Brunnen, den ich gleich noch sehen werde. So gelang es ihnen mit etwas Geschick, den Brunnen zu vergiften.
Am Torturm zur Oberburg ist noch die kopfsteingepflasterte Zufahrt zu erkennen. Und auch der Graben, den die nicht mehr vorhandene Zugbrücke überspannte, ist zu sehen.
Wir nehmen allerdings den offiziellen, modernen Weg in die Oberburg. Vorbei an den Grundmauern des Torturms, der Burgkapelle und diverser Wirtsschafträume geht es zum mächtigen, annähernd 60 Meter tiefen Brunnen.
Archäologen fanden Fußbodenheizung
Neben dem Brunnen haben Archäologen die Grundmauern eines freistehenden Gebäudes freigelegt. Bemerkenswert ist hier die sogenannte Caminata, eine mittelalterliche Warmluftheizung. Außerdem wurde der Palas, also das Wohnhaus des Burgherren, gefunden.
Als im Jahr 1892 das Interesse der Menschen an der Burg wieder erwachte, waren die heute sichtbaren Ausmaße der Oberburg nicht zu erahnen. Auch vom Bergfried waren nur noch Reste vorhanden.
Doch mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs traten Burgen generell in den Fokus der Leute. So gründete sich 1892 ein Verschönerungsverein Burg Lichtenberg. Ihm gehörten vor allem wohlhabende Landwirte an. Sie beauftragten einen Regierungsbaumeister damit, die Burg freilegen und restaurieren zu lassen.
Der Burgberg als Ausflugsziel
Schnell entwickelte sich der Burgberg zu einem beliebten Ausflugsziel der Braunschweiger. Dem Burgherrn Heinrich wird dieses Interesse wohl zu verdanken sein. Der Verschönerungsverein – der Vorgänger des heutigen Fördervereins – baute eine Gaststätte, damit die Ausflügler verköstigt werden konnten.
„Bis in die 1950er-Jahre kamen die Braunschweiger in Sonderzügen nach Lichtenberg“, erinnert sich der Vorsitzende des Fördervereins, Karlhans Kummer. Ein Kutschenservice brachte die Tagestouristen vom Bahnhof auf den Burgberg. Oben angekommen werden sie sicherlich die Burg besichtigt haben. Vor allem ließ man sich aber Kaffee und Kuchen munden. „Das Gasthaus hatte einen tollen Ruf“, sagt Karlhans Kummer.
Im Vereinsleben des Verschönerungsvereins könnte die Burg selbst allerdings eine Nebenrolle gespielt haben. „Es war wohl eher eine gesellschaftliche Vereinigung, die rauschende Feste gefeiert hat“, weiß Karlhans Kummer.
Mit Projekten das Interesse wecken
Mit der Umwandlung des Vereins vom Verschönerungsverein in den Förderverein Burg Lichtenberg im Jahr 1995 hat sich auch die Vereinsarbeit gewandelt. Die Mitglieder bieten beispielsweise regelmäßige Führungen und Gruppenführungen an. Und sie stellen neue Projekte auf die Beine, um das Interesse für die Burgruine zu wecken. Eines davon ist das Schulprojekt Burggarten, das nach den Sommerferien startet.
Schon seit dem Jahr 1957 wird der Burgberg systematisch archäologisch erforscht. Nicht nur Steine und Mauern traten so zutage, sondern auch Keramiken und andere Funde. Sie sind heute im Bergfried ausgestellt. „Schriftrollen“ an den Wänden, die die Geschichte der Burg erklären, vervollständigen die Präsentation. Die kleine Ausstellung wird übrigens vom Städtischen Museum Schloss Salder betreut. Jetzt legen hier gerade Sigrid Lux, die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, und Christine Kellner-Depner vom Museum Schloss Salder letzte Hand an.
Vorbei an den Vitrinen steige ich nach oben und komme in einen leeren Raum. Hier finden standesamtliche Trauungen statt. Wenn ein Brautpaar nebst Gefolge im Anmarsch ist, verwandelt Vorstandsmitglied Harald Weidner den zugigen Raum in ein stilvolles Trauzimmer. Mittelalterlich anmutendes Mobiliar, Fackeln und ähnliche Requisiten leisten dann wertvolle Dienste.
Endlich auf der neuen Aussichtsplattform
Nach zwei weiteren Treppen bin ich auf dem Dach des Bergfrieds. Nun sehe ich auch die neue hölzerne Aussichtsplattform. Ein Schild ermahnt mich zur Vorsicht. Doch der Aufstieg ist relativ mühelos und die Aussicht wirklich grandios.
Über die Kuppen des Salzgitter Höhenzugs reicht der Blick bis zum Brocken, zur Asse und nach Hildesheim. Harald Weidner hat Tafeln anfertigen lassen, die darüber informieren, was zu sehen ist. Bei nächster Gelegenheit wird er die Schilder montieren.
Mich wundert bei dieser Lage nicht mehr, dass die Burg unter den Herrschern des Mittelalters ein begehrtes Objekt war!
Die Burg Lichtenberg ist einer von 100 zeitORTEn in der Region Braunschweig-Wolfsburg. Ihre historische Bedeutung für die damaligen Herrscher und für die Region erklären die Burgexperten vom Förderverein Burg Lichtenberg e.V. während eines Rundgangs auf dem Burgberg.
Kostenlose Führungen finden von April bis Oktober an jedem 1. Sonntag im Monat ab 10.30 Uhr statt. Treffpunkt ist das Info-Schild am Parkplatz des Waldhotels Burgberg. Gruppenführungen sind ebenfalls möglich und können unter info@fv-burg-lichtenberg.de gebucht werden. Unter http://www.fv-burg-lichtenberg.de/4mobiles/blide_mob.html erfahren Sie auch, wie Sie eine Vorführung der Wurfmaschine anfragen können.