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Waldgesundheits-Trainerin Nicole Schaa bei einer Führung durch den Wolfsburger Stadtwald. Martina Zingler

Kraftort Wald: Unterwegs mit Waldgesundheits-Trainerin Nicole Schaa

Ein stressiger Job und im Privaten oft noch eine Flut an Informationen und Ablenkungen - unser Bewusstsein ist täglich einer Fülle von Eindrücken und Gedanken ausgesetzt, die im schlimmsten Fall sogar krank machen können. Dabei ist die Entspannung so nah: Der Wald bietet uns alles, was wir für innere Ruhe und die Rückbesinnung auf uns selbst benötigen. Nicole Schaa verrät, wie das geht.

Die Temperaturen sind mild, ab und an zeigt sich ein Stück blauer Himmel zwischen den Wolken und unter meinen Füßen raschelt noch das Laub. Ein guter Tag für ein Waldbad! Ich treffe mich mit der zertifizierten Waldwohl-Trainerin und Kursleiterin für Waldbaden und Achtsamkeit im Wald, Nicole Schaa am Wolfsburger Stadtwald. Von ihr möchte ich heute erfahren, was es mit der positiven Wirkung des Waldes auf unsere Gesundheit auf sich hat. 

Sanfte Faszination des Waldes

Ein paar Schritte nur auf einem kleinen Pfad und schon stehen wir mitten zwischen hoch aufragenden Bäumen im dichten Unterholz. Hier startet Nicole Schaa mit einer kleinen Übung. Es geht darum, sich auf das Hier und Jetzt einzulassen, mit den Augen etwas Schönes zu finden. Als nächstes treten die Geräusche um uns herum in den Vordergrund, von Wind, Vogelstimmen und spielenden Kindern in der Ferne. Auch das Fühlen hat seine Zeit: Die Finger sind noch klamm, der Wind verwuschelt das Haar. „Für manche fühlt sich diese erste Übung an wie eine Vollbremsung“, sagt Nicole Schaa. Und es stimmt, diese Ruhe, die Konzentration auf nur eine Sache, muss man erstmal aushalten.

Die Waldgesundheits-Trainerin geht mit Gruppen von sechs bis zehn Leuten auf ihre Exkursionen. Manchmal sind es Selbsthilfegruppen, die schon einen Zugang zum Walderleben haben.  Oft begleitet sie aber auch Firmenausflüge oder Bildungsurlauber, für die es etwas komplett Neues ist, „einfach im Moment zu sein“, wie Nicole Schaa es beschreibt. Aber gemeinsam ist allen, dass sie nach nur wenigen Minuten stiller werden. Die Trainerin führt sie durch den Wald, macht sie auf Besonderheiten aufmerksam - und sie schauen und erleben.

„Nicht bewerten“ - darauf kommt es hauptsächlich an. Und auch nichts Anderes nebenbei machen. Wie oft tun wir zwei oder mehrere Dinge gleichzeitig. Beim Essen scrollen wir uns durch die sozialen Medien, beim Joggen streamen wir unsere Lieblingsmusik, bei der Runde mit dem Hund telefonieren wir noch schnell mit den Freunden. Beim Waldbaden ist es anders. Nicole Schaa macht mich auf Dinge aufmerksam, die wir einfach nur staunend betrachten und befühlen: die unterschiedliche Rinde der Bäume, wie das Laub duftet, wie ein Bakterium einen Teil eines Blattes den ganzen Winter hindurch grün erhält, während sich der Rest schon braun verfärbt hat.
 

Was der Wald mit uns macht

Bei unserem Gang durch den Wald kommen wir an eine Stelle, wo sich die Bäume zu einer Lichtung hin öffnen. Nicole Schaa schlägt hier eine Entspannungsübung für die Augen vor. Es geht um Nahes und Entferntes. Den Blick in die Ferne über die Grasfläche schweifen zu lassen, tut gut. Und überhaupt fühle ich mich inzwischen erfrischter und ausgeglichener. Doch woran liegt das?

„Wenn wir im Wald sind, passieren ganz viele Dinge gleichzeitig“, erklärt Nicole Schaa. „Der Blutdruck fährt runter, die Cortisolausschüttung wird reduziert. Wir fangen an, tiefer zu atmen, und nehmen dabei die sekundären Pflanzenstoffe auf, die sich in der Luft befinden. Diese Stoffe geben die Pflanzen ab, um sich vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen, und das tut auch uns Menschen gut.“

Das Laub riecht immer unterschiedlich und löst wohltuende Reaktionen aus. Martina Zingler
Das Laub riecht immer unterschiedlich und löst wohltuende Reaktionen aus.

Die geschulte Trainerin greift in eine Handvoll Laub am Wegesrand und lässt mich daran schnuppern. Ein angenehmer Duft, er erinnert mich irgendwie an meine Kindheit. „Auch Im Laub befinden sich Mikroben, die unser Immunsystem stärken und gleichzeitig Stress reduzieren“, bestätigt sie meinen Eindruck. Überraschenderweise riecht die nächste Handvoll Laub, die sie am Stamm eines Baumes aufsammelt, ganz anders. Nicole Schaa schmunzelt, weiß sie doch um die Vielfalt der Sinneseindrücke, die der Wald zu bieten hat. Das Schnuppern am Laub, das solle man immer machen, wenn man im Wald ist, empfiehlt sie.

Aber nicht nur der Geruchssinn und Emotionen werden angesprochen. Der weiche Waldboden unter unseren Füßen wirkt sich merklich positiv auf unsere Gelenke aus. Es gibt sogar ein kleines Stück Barfußpfad auf der Strecke, auf der wir unterwegs sind. Hier kann man sich wortwörtlich „erden“. 

Waldgesundheitskurse für Firmen

Dieses „Erden“ fällt nicht allen gleichermaßen leicht. Aber es geht in Schaas Kursen auch nicht immer um das tiefe „Waldbaden“. Bei präventiven Waldgesundheitskursen und dem Bildungsurlaubsangebot „Kraftort Wald“, das sie zwei Mal im Jahr durchführt, steht auch mal die Lust auf Entdeckungen im Vordergrund. „Manche meiner Teilnehmenden sind so gestresst, sie sind einfach froh, mal eine Woche im Freien verbringen zu können“, berichtet Schaa. Das passt zu ihrem Selbstverständnis als Begleiterin bei der Walderfahrung. „Der Wald wirkt wie ein Therapeut“, sagt sie. Sie gebe nur Impulse.

Unsere Runde durch den Wald nähert sich dem Ende. Nicole Schaa hat noch etwas für mich mitgebracht. Vieles an dem Konzept des Waldbadens stammt aus Japan. Da liegt es nahe, dass wir uns hier, unter den hohen Buchen, an einem Haiku versuchen, einer traditionellen japanischen Kurzformdichtung. Ein schöner Abschluss.