Das „Hallenbad“ ist das angesagte Kulturzentrum in Wolfsburgs Innenstadt. Es hat eine Metamorphose vom öffentlichen Schwimmbad zum Veranstaltungszentrum hinter sich. Gestern wie heute tauchen die Besucher ein – damals in kühle Fluten und heute in Kultur vom Feinsten.
Vom Hallenbad zum Kulturzentrum:
Wie die Metamorphose gelingt
Besuch im 1963 erbauten Hallenbad am Schachtweg in Wolfsburg. Als Fan der Architektur der Fünfziger- und beginnenden Sechzigerjahre bin ich gespannt, was von dem Gebäude der Aufbauzeit noch übrig geblieben ist. Eigentlich alles: die riesigen Fensterfronten, die den perfekt geschwungenen Sprungturm ins Blickfeld rücken, die immer noch glänzenden blauen und weißen Kacheln, die gezackte Westfront und last, but not least der in der Formensprache der Zeit verkleidete Turm.
Ich bin mit Frank Rauschenbach verabredet, der seit 2008 Kulturmanager und Geschäftsführer der GmbH „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ ist. Bei einem Espresso und vor einer Galerie von Heidersberger-Fotos steht er Rede und Antwort.
Zuerst will ich wissen, warum dieses Schwimmbad, in dem so viele Wolfsburger – darunter auch Rauschenbach selbst – schwimmen gelernt haben, 2002 geschlossen wurde. „Das alte Hallenbad entsprach nicht mehr den baulichen Standards und vor allem nicht mehr den Erwartungen der Bürger an ein modernes Schwimmbad. Es wurde geschlossen, um dem BadeLand beste Möglichkeiten zu einem guten Start zu bieten.“
Die Vision eines Kulturzentrums für Wolfsburg
Was macht eine Stadt mit einem stillgelegten, in die Jahre gekommenen Schwimmbad, das aus Nichtschwimmer- und Schwimmerbecken mit Sprungturm, Sauna und einer Milchbar besteht? „Natürlich gab es viele konzeptionelle Überlegungen“, erläutert Rauschenbach. Die Stadt Wolfsburg plante ein Kulturzentrum mit Kino, Bühnen und Gastronomie. Auch sozialpädagogische Angebote sollten stattfinden. Erst war die ganz große Lösung mit 18 Millionen D-Mark angedacht, dann kam 2003 die VW-Krise. Das Konzept musste abgespeckt werden. Unterdessen gab es die Euro-Umstellung – rund zwei Millionen Euro wurden 2006 genehmigt.
Im April 2007 war es dann so weit und das städtische Unternehmen „Hallenbad – Zentrum junge Kultur GmbH“ öffnete seine Pforten. Im Angebot waren nun Musikveranstaltungen an den Orten, an denen vorher juchzende Kinder tobten und Wolfsburger ihre Bahnen zogen.
Im Programmkino spulte an einigen Tagen in der Woche der Filmprojektor außergewöhnliche Filme ab und die kostenlose Zeitschrift „freischwimmer“ legte ihre erste Auflage vor. Ganze 45 Hefte erschienen in den vergangenen neun Jahren, bis im Frühjahr 2016 die letzte Ausgabe in den Ständern des „Hallenbads“ lag. Auch dies wieder ein Ergebnis einer Wolfsburger Krise. Rauschenbach sieht zunächst keine Lösung im Hinblick auf eine Wiederauflage des freischwimmers, was er sehr bedauert: „Alle Bereiche sind aufgefordert zu sparen – auch die städtischen Kulturinstitutionen.“
Volles Programm
Unterdessen tummeln sich unter dem 50-jährigen Dach des Hallenbads schier unerschöpfliche Veranstaltungsangebote: Auf sechs Bühnen spielen vom Hardrock bis zur Klassik alle möglichen Genres auf, Comedy und Kabarett haben ein Zuhause bekommen. Der urbane „Saunaclub“ im Keller lässt DJs auflegen und im Laufe der Zeit haben sich hier gut etablierte Reihen entwickelt: INDIE.DISKO.GEHN, Reggae-Station und Funk-Fieber heißen einige von ihnen. Bands erhalten die Chance auf Probenräume sowie Auftrittsmöglichkeiten und sie können sogar das hauseigenen Tonstudio nutzen.
Das kostenlose Festival „Rock im Allerpark“ liegt Frank Rauschenbach sehr am Herzen. Hier waren schon bekannte Größen auf der Bühne wie Revolverheld oder Luxuslärm; dieses Mal kommen Madsen nach Wolfsburg. „Bewerbungen als Vorgruppe kommen aus ganz Deutschland, da haben wir gut zu tun, drei bis vier aus den wirklich guten Bands auszusuchen.“
Seit 2010 ist auch für Teenies gesorgt. Sie können in einem eigenen Bereich Billard, Dart, Kicker und Flipper spielen, sich in der Chill-Zone treffen, Kinofilme ansehen oder malen. Draußen wie drinnen gibt’s Sport- und Bewegungsangebote wie Fußball, Hockey, Basketball, HipHop oder Breakdance.
Apropos draußen: Zur EM fieberten Hunderte Zuschauer beim Open Air mit den europäischen Mannschaften. Im Sommer laufen im weitläufigen Gelände ausgesuchte Filme. Im Biergarten werden die Besucher vom Lido, dem dazugehörenden Restaurant, mit Würstchen, Bier und Softdrinks versorgt.
Auch die Kunst kommt nicht zu kurz: Durch eine Kooperation mit der HBK in Braunschweig wird das Kunstschaufenster periodisch bestückt – zurzeit mit den Bildern von David Marquard mit dem Titel „Keine zehn Pferde“ – stimmt, es sind um die hundert gemalte Pferde, die die Rückwand zum früheren Nichtschwimmerbecken zieren. Mit dieser Zusammenarbeit „schlägt das Hallenbad eine Brücke nach Braunschweig“, erläutert Frank Rauschenbach dieses Engagement.
Das Galerie-Theater lebt
Seit Februar 2015 gestaltet das Hallenbad das Programm des Galerie-Theaters, einer umgebauten Fachwerkscheune, die im Kulturdorf neben dem Atelier-Café Kabarett, Comedy, Musik und Lesungen bietet. Die Stadt Wolfsburg kam auf Rauschenbach zu und fragte nach Kapazitäten für die Betreuung des beliebten kleinen Theaters mit 88 Sitzplätzen, das vor dem Aus stand. Da es Rauschenbach wichtig war, dieses Kulturangebot aufrechtzuerhalten, hat er es mit seinen Mitarbeitern trotz des Mehraufwands übernommen.
Die Lesetage sind hochkarätig besetzt
Last, but not least – was das Kulturelle betrifft – sind noch die „Lesetage“ zu erwähnen, die seit 2008 veranstaltet werden. Der bekannte Optiker mit den schrillen Klamotten, Ehme de Riese, präsentiert das Zuhörvergnügen nun schon zum achten Mal. Bekannte Schriftsteller und Schauspieler haben hier schon das Publikum unterhalten. Dieses Jahr beginnt Heinz Strunk den Reigen der Vorleser und Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis beendet das Leseereignis.
Einigen von ihnen musste Rauschenbach schon nachtrauern, beispielsweise Roger Willemsen oder Harry Rowohlt. „Ein paar von unseren Vorlesern waren bereits einige Male hier und dann ist man schon berührt, wenn man die Künstler eben noch am Lesetisch hatte und sie nun nicht mehr wiederkommen“, bedauert der viel beschäftigte Geschäftsführer.
Ohne Netzwerk geht gar nichts
Bei so vielen unterschiedlichen Veranstaltungen hat man sicherlich ein breites Netzwerk, auf das man zurückgreifen kann, frage ich. „Natürlich“, lautet Rauschenbachs Antwort. „Die jahrelange Vernetzung mit der Region, der Stadt und ihren Institutionen, mit VW, der Wolfsburger Geschäftswelt, der HBK in Braunschweig und Künstlern aus aller Welt erleichtert uns auf jeden Fall, unseren Kunden schnell und kompetent Veranstaltungen jeglicher Art zu ermöglichen – seien es Konzerte, Jubiläen, Kongresse – alles aus einer Hand: mit der Veranstaltungstechnik, dem Marketing bis hin zum Catering durch unser Restaurant Lido, das wir seit ein paar Jahren auch selbst betreiben.“ Durch seine jahrelangen Kontakte schaffte er es, den Liedermacher Konstantin Wecker zu engagieren. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Hoffmann-von-Fallersleben-Museums anlässlich des 175. Jubiläums des „Liedes der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben wird Wecker seine bekannten politischen Akzente setzen. Und den zahlreichen Kooperationen und Verbindungen ist es zu verdanken, dass dieses fast schon intime Konzert – er spielt vor rund 280 Zuschauern – zu bezahlbaren Preisen stattfinden kann. „Leider ist es schon restlos ausverkauft“, zerschlägt Rauschenbach meine Hoffnung auf eine Karte.
„Kultur macht richtig Spass“
Das alles macht doch immens Arbeit, oder? „Kultur macht richtig Spaß, aber es macht auch Arbeit“, schmunzelt Rauschenbach bei meiner Frage nach seinem Arbeitsaufwand. Und, besucht er noch alle Veranstaltungen des Hallenbads? „Wenn es sich einrichten lässt, auf jeden Fall. Wir haben ja schon tolle Künstler hier gehabt, zum Beispiel zu einem Mitternachtskonzert den Gitarristen von Sting, Dominic Miller. Sting hat das Konzert seiner Musiker persönlich besucht. Was für eine Ehre! Auch die Rockmusikerin Doro Pesch und die Heavy-Metal-Gruppe Testament waren Highlights im Hallenbad.“
Im vergangenen Jahr betreute das Hallenbad 537 Veranstaltungen. Da braucht man schon eine gute Crew, oder? „Ja, das stimmt. Ich bin auch stolz auf meine rund 30 Leute. Und ohne die Praktikanten und FSJler ginge gar nichts. Die haben ihre eigenen Verantwortungsbereiche. Wie wir das alles organisieren, ist dem Zuschauer letztlich egal, Hauptsache, alles läuft reibungslos und das Programm stimmt.“