Im Wald spazieren zu gehen, zu radeln oder zünftig zu wandern, tut Körper und Geist wohl, das ist bekannt. Wer sich jedoch weniger körperlich verausgaben will, sondern eher eine mentale Auszeit vom Alltag sucht, für den ist vielleicht ein Waldbad das Richtige.
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Baden im Braunschweiger Wald
Wer jetzt an einen kühlen See im Grünen denkt, liegt falsch – und doch nicht so ganz. Die Badehose bleibt zwar zuhause, aber Waldbaden ist dennoch eine Art eintauchen in ein anderes Element.
Braucht man wirklich eine Anleitung?
Ich liebe die Natur und versuche, möglichst viel draußen an der frischen Luft zu sein. Wozu dann ein Waldbad? Ist das nicht nur ein anderer Ausdruck für einen Aufenthalt in der Natur? Braucht man dazu wirklich eine Anleitung? Also ausprobieren!
Wir, eine kleine Gruppe von Waldfreunden, treffen uns am Rande des Timmerlaher Buschs im Westen von Braunschweig. Wie die Vorstellungsrunde zeigt, hat noch keiner in dieser Hinsicht Erfahrungen gesammelt. Ein wenig skeptisch aber auch neugierig, wollen wir uns nun auf ein Waldbad einlassen.
Waldwohl-Trainerin Birte Schmetjen leitet unsere kleine Exkursion an. Wir schütteln kurz unseren mitgebrachten Stress ab und nehmen ein paar tiefe Atemzüge. Los geht es, aber nur ein paar Meter in den Wald hinein – eine große Runde ist offensichtlich nicht geplant, aber um „Strecke machen“ geht es in diesem Fall ja auch nicht.
„Was verbindet Ihr mit Wald?“
Wir schlendern den Weg entlang und bleiben an einer bestimmten Stelle stehen. Unsere Trainerin fragt uns, was wir sehen und was wir mit Wald verbinden. Oft fallen dann Begriffe wie Ruhe, Kraftquelle, Erholung, Spazieren gehen.
Abzuschalten, oder umzuschalten auf Entspannung, ist jedoch selbst in dieser schönen Umgebung kein Selbstläufer. Automatisch habe ich zum Beispiel angefangen, Baumarten zu bestimmen und mir Notizen zu machen – es ist gar nicht so einfach, die gewohnte Brille abzusetzen und einfach nur einmal wahrzunehmen ohne zu bewerten.
Wohlfühlen im Wald
Waldbaden ist dafür eine Methode von vielen. Der Begriff Shinrin Yoku, das Waldbaden, (Shinrin – Wald, Yoku – Bad) stammt aus Japan. Die Besucher sollen den Wald mit allen fünf Sinnen erfassen. Es geht um einen achtsamen Umgang mit sich selbst und der Natur. Auch in Japan braucht es für ein Waldbad – und das gibt es sogar auf Rezept – nur kurze Strecken von etwa 1,5 km.
Forscher haben belegt, dass durch Bewegung im Wald das Immunsystem gestärkt wird. Der Pegel an Stresshormonen und der Blutdruck sinkt, Verstimmungen lösen sich auf, sogar der Schlaf soll sich verbessern. In der Vergleichsgruppe in der Stadt gab es keine Auswirkungen dieser Art.
Shirin Yoku ist im fernen Asien, besonders bei den vielfach gestressten Japanern und Südkoreanern, daher mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Gesundheits-Prophylaxe.
Still beobachten
Wir schlendern weiter. An einer weiteren Stelle bittet uns die Trainerin, sich zu verteilen. Mit ein paar Zweigen bauen wir uns einen Rahmen auf dem Waldboden. Mehrere Minuten haben wir nun Zeit, diesen Ausschnitt zu betrachten. Erstaunlich, was auf der kleinen Fläche alles wächst und krabbelt, wenn man genau hinsieht.
Anschließend kommt das Augentraining. Unsere Augen sind im Alltag vor allem Blaulicht und kurze Monitordistanzen gewöhnt – jetzt schauen wir bewusst weit ins Grüne. Warm scheint das Sonnenlicht durch die Bäume. Muster zu betrachten und natürliche Strukturen, die sich wiederholen wie Blüten, Schneeflocken oder Wellen, soll entspannen, habe ich gelesen. Ich nehme mir vor, im Büro öfter aus dem Fenster zu sehen.
Den Wald hören und fühlen
Auch Klang- und Naturgeräusche spielen beim Waldbaden eine Rolle. Mit geschlossenen Augen der Umgebung zu lauschen, ist wirklich beruhigend. Vogelgezwitscher bedeutet dem Unterbewusstsein: Keine Gefahr, du kannst abschalten. Auch das Plätschern eines Baches hat diesen Effekt.
Mittlerweile versteh ich den Ansatz besser. Es gilt, die Achtsamkeit auf sich selbst und auf das hier und jetzt zu bringen. Das will allerdings geübt sein.
An einer Wegstrecke sollen wir so langsam wie möglich gehen und ganz bewusst jeden Fuß aufsetzen, auftreten, abrollen. Das dauert und ich muss mich etwas zwingen, jetzt nicht ungeduldig zu werden.
Weitere Zutaten: Einatmen und Meditation
Und immer wieder tief einatmen. Besonders in Nadelwäldern sorgen Terpene für einen besonderen frisch-harzigen Duft. Von Bäumen ausgeschiedene natürliche Stoffe, die Phytonizide, aktivieren zudem die Produktion von menschlichen- T-Zellen, die unser Immunsystem stärken. Die bewusste Atmung ist eine von mehreren Zutaten für ein Waldbad. Es ist eine schöne Vorstellung: Der Baum atmet das aus, was ich einatme und umgekehrt. Wir brauchen einander, gehören zusammen. Sanfte Bewegungen, Augenschule, Storytelling im Wald, Meditation und Naturgeräusche und Düfte können weitere Zutaten sein.
Bei sich selbst ankommen
Mittlerweile sind wir wieder am Anfang des Weges angekommen. Der Wald hat uns eingeladen und wir danken für den Besuch. Öfter mal langsam, das nehme ich mit, ist ein gutes Konzept, um zu entspannen. Weniger denken, mehr fühlen, beobachten, wahrnehmen. Die Anleitungen in diesem Kurs waren auf jeden Fall hilfreich, um einen Zugang zum Waldbaden zu bekommen.
Aber auch ohne Begleitung kann man diese Art der Naturerfahrung ausprobieren – dafür ist grundsätzlich sicherlich jeder schöne Ort in der Natur, auch der eigene Garten oder eine ruhige Ecke im Park geeignet, um bewusst zu entspannen und seine Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Einfach einmal darauf einlassen und ein „Gesundheitsbad“ im Freien nehmen.