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Wo der Grossäugige Fischsaurier lebte
– eine Zeitreise im UNESCO-Geopark

Die Region ist Teil eines von insgesamt sechs UNESCO-Geoparks in Deutschland. In Königslutter beginnt für Geopark-Besucher die spannende Reise in die Vergangenheit – mehr als hundert Millionen Jahre zurück. Damals tummelten sich Saurier und Weiße Haie zwischen Helmstedt und Braunschweig. 

Immer, wenn ich in den kühlen Herbstnächten auf die Terrasse meines Anwesens trete und ganz leise bin, kann ich es hören: das Rotwild in der Brunstzeit. Sehr viel früher, vor etwa 180 Millionen Jahren, gestaltete sich die Fauna vor meiner Haustür noch ein klein wenig anders.

Damals, im Zeitalter des Jura, gab es hier keine liebestollen Rothirsche auf der Suche nach paarungswilligem Kahlwild, sondern Großäugige Fischsaurier, denen man heute höchstens noch in schlimmen Träumen begegnet. Oder, was natürlich um ein Vielfaches angenehmer ist, als Fossil im GeoPark-Informationszentrum in Königslutter.

Das historische Gebäude des Informationszentrums befindet sich gut versteckt zwischen Rathaus und Stadtkirche. Vielleicht ist es auch deshalb vielen noch nicht bekannt. Es wäre dem Verein Freilicht- und Erlebnismuseum Ostfalen e. V. (FEMO) als Betreiber zu wünschen, dass sich das ändert.

Dabei sind die Ausstellungsräume in Königslutter eigentlich „nur“ Eingangsportal zum 2002 gegründeten „GeoPark Harz – Braunschweiger Land – Ostfalen“, der sich mit zahlreichen Landmarken über die genannten Gebiete erstreckt und in dem es dementsprechend viel zu entdecken gibt. Seine Bedeutung kann man unter anderem daran ermessen, dass er einer von insgesamt nur sechs UNESCO-Geoparks in ganz Deutschland ist. Aus guten Gründen.

 

Der Weisse Hai in Helmstedt

Im Verlauf der Erdgeschichte war das Braunschweiger Land mehrere Male von Meer bedeckt. Es lag zu Beginn der kontinentalen Verschiebungen auch deutlich näher am Äquator. So erklärt sich der Fund eines Eurhinosaurus-Skeletts in der Nähe von Schandelah. Es gehört zusammen mit einigen Mammutknochen oder dem Zahn eines Weißen Hais, den man bei Helmstedt fand, sicher zu den spektakulärsten Ausstellungsstücken des Informationszentrums in Königslutter.

Von größerer Bedeutung sind jedoch die Gesteine, erklärt Geologe Dr. Henning Zellmer. Denn das Braunschweiger Land zeichnet sich durch eine geologische Vielfalt aus, die weltweit einzigartig ist. Aufgrund von Salzstrukturen sowie das mehrfache Kommen und Gehen des Meeres ist hier im Verlauf der Erdgeschichte eine äußerst vielfältige Schichtenfolge entstanden.

 

Stromatolithen am Heeseberg

Beispielhaft dafür sind die ausgestellten Stromatolithen (Algenkalke), die am Heeseberg bei Jerxheim entdeckt wurden. Sie zählen zu den ältesten Fossilien überhaupt. Man findet sie heute nur noch in Gewässern, in denen kaum andere Organismen gedeihen können, wie zum Beispiel an bestimmten Buchten der australischen Küste, wo das Wasser sehr warm und übersalzen ist.

Interessant auch: Wesentliche Teile der berühmten Otto-Klages-Sammlung sind im Informationszentrum in Königslutter ausgestellt. Was der Besucher beim Rundgang durch die Einrichtung erfährt, hat aber nicht nur mit Geschichte zu tun. Wer möchte, kann aus den präsentierten Fundstücken und Schautafeln leicht Bezüge zu den Entwicklungen und Problemen der Gegenwart und Zukunft herstellen. Die Stichworte lauten: Braunkohle (entstanden im Tertiär), Fracking oder Klimawandel.

Was Letzteres betrifft, stellt sich mir die interessante Frage, welche Tiere wohl in 180 Millionen Jahren durchs Braunschweiger Land ziehen werden. Rothirsche sicher nicht. Vielleicht sind es wieder Großäugige Fischsaurier.