Bier ist so eine Sache. Die einen mögen es, die anderen eher nicht. Ich persönlich gehöre zu ersteren und kann mir vor allem im Sommer nichts Schöneres vorstellen, als ein, zwei eiskalte Hopfenschorlen im Sonnenschein zu genießen. Doch auch Bierskeptiker haben mittlerweile gute Chancen ein frisch Gezapftes zu finden, das ihrem ganz individuellen Geschmack entspricht. Das Stichwort lautet: Craft Beer!
Eintauchen in neue Geschmackswelten
Ein Besuch in der Craft Bier Bar Braunschweig
Über den großen Teich an den deutschen Zapfhahn
Seit den 70er Jahren wird sogenanntes Craft Beer in den U.S.A. von kleinen, unabhängigen Brauereien und Hobbybrauern hergestellt und in kleinen Chargen im Handel oder der Gastronomie verkauft. Im Laufe der Jahrzehnte schlossen sich immer weitere Braumeister der Bewegung an – nicht nur in den U.S.A., sondern weltweit. Mittlerweile ist Craft Beer auch hierzulande sehr beliebt und vereinzelt in Supermärkten zu finden. In Braunschweig gibt es seit 2016 eine ganze Bar, die sich dem Thema widmet: die „Craft Bier Bar“. Erkennbar ist die gemütliche Bar an dem roten Licht der Leuchtreklame, die den Eingang am Steinweg in schummriges Licht taucht. Inhaber Michael Solms hat mich eingeladen, das Lokal kennenzulernen und mit seinem Angestellten Lukas Arndt über den Trend „Craft Beer“ zu sprechen.
Kleine Brauereien – hochwertige Produkte
„Das Besondere an Craft Beer ist zum einen der Geschmack, aber auch die Philosophie dahinter. Der Grundgedanke ist, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu erzeugen, obwohl man sich in den meisten Fällen nur der vier Grundzutaten Hopfen, Malz, Gerste und Wasser bedient“, erklärt mir Lukas. Lukas ist, wie fast alle Mitarbeiter, Studierender und selber großer Craft Beer Fan. Auch in seiner Freizeit ist er häufig in der Bar anzutreffen. Der größte Unterschied zwischen „Normalem“ und Craft Beer liegt, laut Lukas, in der Vielfältigkeit des Bieres. „In der deutschen Bierkultur ist durch die Standardisierung, die auf das Reinheitsgebot zurückzuführen ist, irgendwann eine gewisse Artenvielfalt verloren gegangen. Wie es halt so ist, am Ende geht es bei großen Brauereien eben ums Geld und da nimmt man dann das gefälligste Bier in den Handel. Wir haben hier ausschließlich Biere von kleineren Brauereien, die sich in erster Linie Gedanken um das Produkt machen, nicht um dessen Umsatzwert.“ Ein gutes Glas Craft Beer kann aufgrund der höheren Produktionskosten, die sich bei kleineren Chargen ergeben, auch mal fünf bis sieben Euro kosten. Die Gastropreise spiegelten jedoch bei weitem nicht die Unterschiede der jeweiligen Herstellungskosten wieder, sagt Lukas: „Man bezahlt zwar etwas mehr, aber es wurde auch wesentlich mehr investiert.“
Die endlose Welt der Biere
Neben den vier Grundzutaten Hopfen, Wasser, Gerstenmalz und Hefe, werden Craft Biere häufig mit additiven Zusätzen wie Gewürzen oder Früchten verfeinert. Frank Wulke vom Brauwerk 2010 erklärte mir bei meinem Besuch letztes Jahr, dass es dadurch häufig zu Problemen bei der Zulassung für den deutschen Markt geben kann. „Im deutschen Raum gibt es natürlich immer mal wieder Probleme mit den Zulassungen. In Bayern ist es sehr schwierig andere Zutaten mit einzubringen, aber es ist nicht unmöglich,“ sagt Lukas. Doch trotz aller Einschränkungen gibt es auch hierzulande bereits diverse kleine Brauereien, die sich trauen, neue Wege zu gehen. „Wir sind immer bemüht, lokale Craft Beer Brauereien an den Hahn zu bekommen. Dazu gehört zum Beispiel Crabbs aus Braunschweig. Aber auch Biere vom Brauhaus Schwülper oder dem Fallersleber Brauhaus hatten wir zeitweise im Sortiment.“ Insgesamt umfasst das Angebot der Craft Beer Bar 24 wechselnde Sorten am Hahn und 50 bis 60 weitere Sorten in der Flasche. „Wir versuchen immer ein möglichst großes Stilspektrum abzudecken. Nicht nur Pils, Weizen, IPA, sondern auch eine gewisse Menge an Stouts, an malzigen Bieren, an dunklen Bieren, an höher- und niederprozentigen Bieren usw.“, erzählt mir Lukas.
Für jeden Geschmack das Richtige
Lukas ist fest davon überzeugt, dass jedermann in der Craft Bier Bar sein Lieblingsbier finden kann: „Ich wünsche mir für jeden einzelnen, dass er das Thema Craft Beer für sich entdeckt. Bei uns wird man langsam an das Thema herangeführt, kann am Ende seine Lieblingssorte finden und auf dem Weg eine Menge neuer Geschmacksrichtungen kennenlernen.“ Diese können von Sauerbieren, die eine sehr zitronige, trocken oder eine Balsamicoessig ähnliche Säure haben, bis hin zu hellen, klaren und trockenen Bieren wie dem klassischen Pils reichen, erklärt Lukas. „Es gibt aber auch hopfenbetonte oder süße Biere, denen Früchte zugesetzt wurden. Und natürlich fruchtigere Biere, aber auch schwere, malzige Sorten, denen durch das Malz eine gewisse Süße und ein Röstaroma verliehen wird.“ Die Craft Beer Geschmackspalette schätzt Lukas auf 30 bis 40 Stilrichtungen zuzüglich Unterkategorien – das seien weit mehr, als Wein zu bieten hat. „Wein ist vom Spektrum her begrenzt, da am Ende immer die Trauben zu schmecken sind. Das Bier hat nach Reinheitsgebot vier Zutaten, mit denen man viel Variationsreicher arbeiten kann“, erklärt Lukas die Artenvielfalt unter den Craft Bieren.
Klasse statt Masse
Am Ende unseres Gesprächs frage ich Lukas noch nach seinen Wünschen für die Bar: „Wir wünschen uns für die Zukunft, dass der aktuelle Craft Beer Trend anhält, sich langfristig am Markt etabliert und die Wertschätzung für Lebensmittel und Produkte mit hoher Qualität weiter steigt. Das bezieht sich nicht nur auf das Bier, sondern auch auf Lebensmittel und andere Bereiche wie Tierhaltung etc. Es wäre schön, wenn wir in diesem Bereich langfristig einen generellen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft vollziehen könnten.“ Ich stimme Lukas in diesem Punkt voll zu und freue mich schon darauf, vielleicht bald einmal mit Bierskeptikern aus meinem Bekanntenkreis die große Craft Beer Welt zu entdecken.