Jeden Mittwoch und Samstag verwandelt sich der Wolfenbütteler Stadtmarkt in eine andere Welt. Spätestens ab sechs Uhr rollen die Marktbeschicker mit ihren Wagen an und bauen ihre Stände auf: der Startschuss für den Wochenmarkt.
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Shoppen und Schnacken auf dem Wolfenbütteler Wochenmarkt
Mehr als 50 Händler bieten auf dem Wolfenbütteler Wochenmarkt ihre Produkte an: heimische Gemüsegärtner, Blumenhändler, Wurst- und Geflügelanbieter und Haushaltswarenverkäufer. Alles, von Ziegenkäse über Bioprodukte bis zu mediterranen Spezialitäten, ist frisch und lecker. Für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt und interessante Menschen machen den Markteinkauf zu einem ganz besonderen Erlebnis.
Pioniere des Wolfenbütteler Wochenmarkts
Zum Beispiel Maggie Dawson. Seit 38 Jahren hat sie einen festen Platz auf dem Markt. Ihr Imbisswagen ist nicht zu übersehen: Er ist blau-gelb angestrichen und das Logo von Eintracht Braunschweig prangt auf der Rückseite. Und das, obwohl sie kein Fan ist. „Ich bin und bleibe Fan vom FC Bayern München. Mein Wagen war Jahrzehnte rot-weiß“, sagt sie. „In der Bundesligasaison 2013 habe ich gewettet, dass Eintracht Braunschweig nicht in die erste Bundesliga aufsteigt. Wetteinsatz: den Wagen blau-gelb anstreichen …“ Die Wette ging verloren.
Maggie Dawsons Spezialität sind „Kosakenzipfel“: Hot-Dogs nach dänischem Vorbild, mit einem Brötchen, das ein Loch in der Mitte hat. Sie werden gegrillt, mit Wurst, Remoulade, Ketchup und Röstzwiebeln gespickt und schön warm und kross serviert. Die Marktfrau berichtet, dass ihr Imbiss wie ein Tante-Emma-Laden von früher ist: Man kennt sich und erzählt.
Geschnackt wird auch während der Zubereitung des „Zipfels“. Mit routinierten Handgriffen stellt Maggie Dawson unsere Stärkung zusammen und überreicht sie mit einem schelmischen Grinsen: „Jeder Zipfel sieht anders aus, wie bei den Menschen.“
„Zipfel-Königin“ der Region
Der ursprüngliche Name wurde bei einem ersten Probeessen bei geselligem Zusammensein mit einem Gläschen Likör geboren. Die krossen Zipfel schlugen bei den Kunden des Imbiss ein wie eine Bombe. Schnell boten auch die weiteren Anbieter Maggies Kreation auf dem Wochenmarkt an. Nach einigen Jahren benannte Maggie Dawson ihren Kosakenzipfel deshalb in „Original Zipfel“ um. Sie behauptet mit Stolz, dass er bei ihr am besten schmeckt. Auf dem Wolfenbütteler Weihnachtsmarkt jedenfalls steht Maggie in ihrer „Original Zipfelwerkstatt“ und die Leute davor Schlange.
Mit ihren 69 Jahren denkt sie längst nicht ans Aufhören. Ohne ihren Imbiss würde ihr etwas fehlen, sagt sie. Außerdem seien ihr die Kunden ans Herz gewachsen. Und für ihre Fans möchte sie weiterhin da sein: freitags auf dem Nibelungenplatz in Braunschweig und samstags in Wolfenbüttel.
Die Damen vom Grill: Imbiss Piske
Wie Maggie Dawson gehören auch die Damen vom Imbiss Piske zu den „Urgesteinen“ auf dem Markt. Gisela Piske bot 1960 erstmals Imbisswaren auf dem Wochenmarkt an. Ihre damals 14-jährige Tochter Silvana „durfte“ – nach eigener Aussage nicht ganz freiwillig – erstmals 1974 am Wochenende im Verkauf aushelfen. Mittlerweile ist Silvana Chefin des Imbisswagens, heißt mit Nachnamen Preusse, genauer Dr. Preusse, denn sie ist promovierte Lebensmittelchemikerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Dortmund, doch jeden Mittwoch und Samstag reist sie nach Wolfenbüttel, denn ihr Herz gehört ganz dem Imbiss Piske.
Das Warenangebot hat sie im Laufe der Jahre immer wieder erweitert und dabei stets Wert auf die Qualität der Wurstwaren gelegt. Neben Bratwurst, Currywurst oder Schaschlik steht auch das „Piske Spezial“ auf der Speisekarte: eine Portion Pommes, Brat- oder Currywurst, Soße, Gewürzgurke und Zwiebeln – immer mit der Frage verbunden: „Röst oder frisch?“ Lautet die Antwort des Gastes: „Röst“, wirft die Chefin gerne die Frage hinterher: „Und wieso stehe ich dann mitten in der Nacht in der Küche und schneide Biozwiebeln?“
Klatsch und Tratsch – und eine Menge Spaß
Überhaupt gibt es am Imbiss immer etwas zu lachen. Die Damen kennen so gut wie jeden Gast und begrüßen ihn mit Vornamen. Hier werden Freundschaften gepflegt, neue Bekanntschaften geschlossen und die Damen vom Imbiss (immer mindestens vier) haben mit Sicherheit schon so manchem Verehrer das Herz gebrochen.
Die Chefin schnackt gerne: „Schaut mal, ich war beim Frisör!“ Einhellige Meinung der Gäste: „Den Prozess gewinnst du aber!“ Nicht zuletzt diese Aussage ist Beweis, dass es kein Social-Media-Profil mit Selfies braucht: Der Wochenmarkt ist viel amüsanter als jede Facebook-Chronik – und das ganz analog im gegenseitigen Austausch. Und wer bei seinem Besuch kein „Dankeschön“ am Imbiss Piske hört, kann sich dieses im NDR-Klangatlas anhören.
Obst und Gemüse aus der Stadt
Neuigkeiten gibt es aber auch an den weiteren Ständen. Kürzlich hatte zum Beispiel die „Fruchtquelle“ von Jörg Ziehe frische Datteln im Programm – einzigartig in der Region. Oder wussten Sie, dass auch heute noch direkt in Wolfenbüttel Obst und Gemüse angebaut werden? Zwar sind es nicht mehr viele, doch auf dem Wochenmarkt kann man zum Beispiel Debora Kemp treffen, die an ihrem Stand Obst und natürlich Gemüse aus Wolfenbüttel anbietet.
Es lohnt sich also, das Angebot an den Ständen unter die Lupe zu nehmen und nach der Herkunft der Waren zu fragen – meist steckt eine tolle Geschichte dahinter. Außerdem findet man ganz schnell seine persönlichen Lieblingsstände und gehört dort dann spätestens beim zweiten Besuch zur „analogen Facebook-Community“.