Es ist Dezember, heute ist ein klarer, aber doch winterlich kalter Tag. Als ich am frühen Nachmittag in Teichgut – einem winzigen Ort im nördlichen Landkreis Gifhorn in der Nähe des Heiligen Hains – ankomme, steht die Sonne schon tief. Hier soll es ein hervorragendes Fischrestaurant mit eigener Fischzucht geben. Ich werde auf dem in viel Landschaft eingebetteten Hof auch gleich mit der Skulptur eines großen Fisches empfangen.
Frisch aus dem Teich auf den Teller
– in der Teichgut-Schänke speist die Region Fisch
Verabredet bin ich mit Werner Nabein, Inhaber des Restaurants Teichgut-Schänke und Betreiber der Fischzucht Teichgut, die heute in dritter Generation von seiner Familie bewirtschaftet wird. Bereits 1909 hat sein Großvater Friedrich Nabein die Teichanlage erworben. Seitdem befindet sie sich im Familienbesitz. Interessant: Die 1929 eröffnete Gaststätte entstand eigentlich erst durch eine Flaschenbierhandlung. „Hier waren viele Soldaten auf Wanderung, durch die nahen Kasernen in der Umgebung. Die haben gerne ein Bier getrunken“, erzählt mir Werner Nabein. Und so wurde aus der Bierhandlung die erste Gaststätte – der Lönskrug. „Den gab es aber schon im Nachbarort Wahrenholz, also hat mein Großvater das Restaurant umbenannt.“ Eben in „Teichgut-Schänke“, so wie das Restaurant auch heute noch heißt.
Fischernte im Herbst
Die Sonne lockt uns nach draußen, auch wenn es knackig kalt ist und sowohl der Boden als auch die noch wasserführenden Teiche beim Haus gefroren sind. Landschaftlich ist die riesige Teichanlage – das Gelände erstreckt sich auf über 54 Hektar – wunderschön anzusehen an diesem winterlichen Nachmittag. Von den 29 Teichen sind die meisten aber abgelassen, denn die „Ernte“ hat bereits stattgefunden. Jedes Jahr werden die Teiche von Ende September bis Mitte November abgefischt. Dann werden die Karpfen, Schleie, Hechte, Zander, Forellen, Saiblinge, Aale, Glaskarpfen und Goldorfen entweder verkauft oder in die Überwinterungsteiche umgesiedelt. Für den Kleinstmengenverkauf hat Werner Nabein noch extra Hälterbecken in einem Gebäude, aber hier können nur wenige Fische gehalten werden. Die meisten der zu kleinen und damit noch nicht „erntereifen“ Fische verbringen den Winter in den kleinen offenen Hälterteichen draußen, sortiert nach Altersstruktur und Art.
„Hier im Hälterteich befinden sich ungefähr 100 Kilo Forellen. Die Tiere brauchen etwas Platz, sonst sind sie schnell gestresst – und dann leidet die Qualität.“ Auf die Werner Nabein sowohl in der Zucht als auch bei den Speisen großen Wert legt. Er füttert die Forellen selbst groß, es ist also Zucht aus erster Hand. Viele Angelsportvereine und Gartenteichbesitzer kaufen hier auch ihre Besatzfische. Gefüttert werden die Tiere entweder mit Roggen pur oder mit Triticale, einer Kreuzung aus Roggen und Weizen, lerne ich. Dieses reine Getreidefutter führt insbesondere beim Karpfen dazu, dass das Fleisch noch fester und süßlicher wird. „Werden Weizen und Mais gefüttert, dann geht das zulasten des Fleisches, der Fisch wird fetter, aber nicht besser.“
Fisch aus Wahrenholz auf dem Hamburger Fischmarkt
Bei unserem Rundgang um den Teich kommen wir auch an einem kleinen Graben vorbei. „Das ist Schwarzwasser, der Zulaufgraben für die Teiche. Durch den Höhenunterschied von 2,60 Metern von der Straße bis zum letzten Teich benötigen wir drei Stauanlagen. Alles läuft ohne zu pumpen, nur durch natürliche Vorgänge.“ Das Aussehen des Teichgutgeländes hat sich im Laufe der Jahre verändert, so wurde zum Beispiel von 1979 bis 1986 alles kultiviert, um eine bessere Bewirtschaftung der Teichanlage zu erzielen. Früher waren auf den Wegen zwischen den einzelnen Gewässern noch Schienen verlegt, auf denen Loren fuhren, um die Teiche zu bewirtschaften, verrät mir der Fischwirt. „Die Loren fuhren bis zum Bahnhof in Wahrenholz, wo der Fisch in Holzfässern bis nach Hamburg befördert wurde, um dort auf dem Fischmarkt verkauft zu werden.“ Frischer Fisch mitten aus Niedersachsen kam so also hoch an die Küste. Tja, ein Edelfisch wie der Zander wird eben nicht im Meer gefangen! Übrigens war Niedersachsen von 1900 bis 1910 eine Hochburg der Teichwirtschaft, erfahre ich.
Ein letztes Mal lasse ich den Blick über die Teichanlage schweifen, bevor wir uns im Restaurant aufwärmen wollen. An den abgelassenen Gewässern ist zu sehen, dass die Teiche durchschnittlich nur einen Meter tief sind. Warum so flach, will ich vom Fischzücher wissen. „Flaches Wasser erwärmt sich schneller, auch die Inseln mitten in den Teichen dienen der Erwärmung. Und im warmen Wasser fressen die Fische schneller.“ Klar, je schneller sie fressen, desto schneller wachsen sie auch. 300.000 bis 400.000 ein- bis zweijährige Fische befinden sich im Frühjahr in den Teichen. Eine Schleie ist im ersten Jahr zum Beispiel nur ein Gramm schwer, sie wächst im warmen Wasser bis zum dritten Jahr auf ihr Erntegewicht von 400 Gramm. Ein Karpfen hingegen ist im ersten Jahr schon 30 Gramm schwer und wächst im dritten Jahr bis auf 1,3 Kilogramm – übergroße Tiere bringen aber auch schon mal vier Kilogramm auf die Waage. Sie sind die beliebtesten, denn je größer ein Karpfen ist, desto schmackhafter und fester ist sein Fleisch.
Prachtkarpfen als Besucherattraktion
Es gibt aber noch größere Karpfen im Teich am Haus. Die Laichkarpfen sind zum Teil schon 30 Jahre alt und wiegen gute 20 Kilogramm. Da sie im Sommer gerne an der Oberfläche schwimmen, sind sie zusammen mit den Goldkarpfen, die orange und gelb und nur zur Zierde durchs Wasser gleiten, eine beliebte Attraktion bei den Spaziergängern. Diese Fische haben sich schon an die durch die Besucher verursachten Schwingungen im Wasser gewöhnt und lassen sich nicht mehr stören. Sie sind dann oft an der Wasseroberfläche zu sehen. Heute ist die Oberfläche des Teiches aber gefroren, sodass ich keinen Fisch sehen kann, außer der Forellenstatue, die hier selbst wie in der Luft erstarrt steht. Sie ist im Sommer von Seerosen umgeben – so sieht es aus, als springe der Fisch gerade durch die Luft. Und in der Luft sehe ich noch andere Tiere, nämlich große Vögel. Teichgut ist nicht nur ein Paradies für Fische, sondern auch für Ornithologen. „Wir haben hier Fischreiher, Kormorane, Eisvögel und sogar Seeadler“, zählt Werner Nabein auf, „wobei dies aber nur für die Besucher erfreulich ist, denn für die Fische sind sie ja eine Gefahr.“
Kein bisschen schuppig – der Karpfen
Bevor ich in der Gaststätte einen Blick auf die berühmten Gästebücher werfe, möchte ich nun aber doch noch einen lebendigen Fisch sehen. Werner Nabein zückt den Kescher und holt Saiblinge aus dem dunklen Becken empor – „der Edelfisch unter den Forellen“. Danach zeigt er mir die zierlicheren Schleien, holt aus dem nächsten Becken schlangenähnliche schwarze Aale empor und greift sich aus dem letzten Fang schließlich einen Karpfen. Ich darf die Fische sogar streicheln: Der Karpfen ist kühl, aber er fühlt sich weich an, gar nicht schuppig, eher ein wenig glitschig, aber nicht unangenehm. Nach wenigen Sekunden kommen die Tiere aber zurück in ihr eigentliches Element und wir gehen am Lieferwagen vorbei ins Haus. Wer einen weißen Wagen mit dem Aufkleber „Teichgut-Schänke“ vor sich sieht, dem sei gewahr, dass hier bis zu 500 Kilogramm lebende Fische zu ihrem neuen Domizil transportiert werden.
Frisch geräucherter Fisch im eigenen Garten
Natürlich ist im Restaurant der Fisch genauso frisch, wie man es erwartet. Die Wege sind kurz und hier wird nichts zwischendurch tiefgekühlt. Höchstens geräuchert, denn auch das ist eine Spezialität der Teichgut-Schänke. Wer mal etwas Besonderes für seine Veranstaltung haben möchte, der kann sogar den mobilen Räucherschrank mieten. Ab 15 Personen kommt Werner Nabein damit ins Haus (oder besser in den Garten) und räuchert den Fisch frisch vor Ort. Er wird dann gleich filetiert und zusammen mit warmem Kartoffelsalat, Gurkensalat, Buttersoße und hausgemachtem Sahnemeerrettich kredenzt.
Klassiker zum Jahresende: Karpfen blau
Welche Spezialitäten sind denn sonst noch besonders beliebt, versuche ich dem Chef zu entlocken. „Karpfen blau ist natürlich ein Klassiker, gerade jetzt zu Weihnachten und Silvester.“ Dazu werden drei Teile Wasser, zwei Teile Salz und ein Teil Essig aufgekocht und ein Karpfen im Ganzen – man rechnet pro Person 500 Gramm – hineingegeben. Der Fisch muss dann eine gute halbe Stunde ziehen. „Das muss richtig in den Augen und der Nase brennen, dann ist der Sud richtig“, wirft Sybille Pieper ein, die als Servicekraft in der Teichgut-Schänke arbeitet. Dazu werden im Restaurant ganz klassisch Salzkartoffeln, Buttersoße und hausgemachter Sahnemeerrettich serviert. Klingt lecker! Genau wie die Forelle in Blätterteig, ein weiteres Spezialrezept der Teichgut-Schänke.
Kalkofe und Wischmeyer haben hier gespeist
Doch nun Butter bei die Fische – ich möchte die Gästebücher sehen, in denen sich bereits der berühmte „Seeteufel“ Felix Graf von Luckner verewigt hat. Der Kriegsheld und Schriftsteller hat gleich eine komplette Seite belegt, aber auch ein Gruß aus China, kunstvolle Zeichnungen von Käfer und Porsche aus den Fünfzigerjahren sowie etliche Lobeshymnen sind zu sehen. Mitte der Neunzigerjahre haben hier sogar Oliver Kalkofe und Dietmar Wischmeyer vom Frühstyxradio logiert und gespeist. Und der allererste Band, der eine wirklich historische Rarität ist und inzwischen einmal neu gebunden wurde, beginnt gleich mit einer Luftaufnahme des ganzen Teichguts: Erst jetzt kann ich ermessen, wie groß das Gelände wirklich ist. Diese alten Gästebücher sind wirklich etwas ganz Besonderes. Mit viel Zeit und der Fähigkeit, alte Schreibschriften lesen zu können, wird man hier sicher viel Historisches entdecken, so jedenfalls mein Eindruck beim Durchblättern der vergilbten Seiten.
Um Reservierung wird gebeten
Mein Besuch neigt sich dem Ende zu und die Sonne geht nun auch langsam unter. Werner Nabein führt mich zum Schluss noch einmal durch das ganze Lokal, in dem drinnen 150 Gäste bewirtet werden können und im Sommer auf der Terrasse weitere 50 Plätze vorhanden sind. „Ich möchte die Terrasse noch so erweitern, dass sie auf den Teich ragt“, verrät er mir. Kein Wunder, dass er sich vergrößern möchte, ist das Restaurant bis weit in den Süden des Landkreises und sogar in Wolfenbüttel beliebt und bekannt! Für einen Besuch am Sonntagmittag ist eine Reservierung zu empfehlen, dann ist es nämlich voll. Genau wie jeden Freitagabend, denn dann gibt es (nur mit Reservierung!) im Winter ein leckeres Fischbuffet mit kalten und warmen Gerichten. Im Sommer wird ein Grillfischbuffet angeboten. Das werde ich gerne nutzen und auf jeden Fall wiederkommen!
Rezept: Spezialität aus der Teichgut-Schänke
Forelle im Blätterteig
Rezept für 1 Person:
2 Forellenfilets mit Haut
Salz, Pfeffer, etwas Zitrone
2 Scheiben Zwiebel
2 Scheiben Gurke
2 Scheiben Tomate
Petersilie, Schnittlauch, Dill – alles gehackt
1 Blätterteig
Blätterteig so ausrollen, dass er in etwa doppelt so groß wie ein Forellenfilet ist. Dann ein Forellenfilet mit der Haut nach unten auf den Teig legen, mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft würzen. Zwiebel-, Gurken- und Tomatenscheiben auf den Fisch legen. Das zweite Forellenfilet mit der Haut nach oben auf das Gemüse legen. Blätterteig auf den Fisch klappen und schließen.
Den Ofen auf 180 °C Umluft vorheizen und den Fisch etwa 20 Minuten garen. Dazu Salzkartoffeln, Buttersoße und Sahnemeerrettich reichen.
Guten Appetit!