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175 Jahre Deutschlandlied:
eine Spurensuche in Fallersleben

Kaum ein Liedtext ist so alt und aktuell zugleich wie die dritte Strophe des Deutschlandlieds: unsere Nationalhymne. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb die berühmten Zeilen vor 175 Jahren. Der Autor wurde – sein Name verrät’s – im beschaulichen Fallersleben bei Wolfsburg geboren, wo man noch heute auf seinen Spuren wandeln kann. 

Hoffmann von Fallersleben hieß eigentlich August Heinrich Hoffmann, doch auch vor zwei Jahrhunderten war der Nachname „Hoffmann“ keine Seltenheit. So gab sich der Professor und Dichter den Zusatz „von Fallersleben“ und seiner Nachwelt bis heute den Hinweis, wo man nach dem bekannten Denker suchen muss. Einen Adelstitel wollte er mit der Änderung nicht vortäuschen.

Angekommen in der Geburtsstadt des Mannes, der heute sogar Fußballspieler zum Singen bringt, fühlt man sich sofort in eine andere Zeit versetzt. Gemütlich reihen sich Fachwerkhäuser in Fallerslebens Straßen aneinander, die Glocke der Michaeliskirche bimmelt und die Fontäne im Schlossgarten plätschert gemächlich vor sich hin.

 

Historisches Erbe mit Mehrwert

Inmitten des Schlossgartens steht das Vereinsheim des Heimat- und Verkehrsvereins Fallersleben, in dem sich Gudrun Kneiske-Spitzer und Gabriele Bösche seit Jahren engagieren. „Wie für Hoffmann von Fallersleben ist auch für uns Heimat ein wichtiges Thema“, sagt Kneiske-Spitzer, Ehrenvorsitzende des Vereins. Man versuche, die Geschichte sowie das moderne Leben der Kleinstadt zu präsentieren und so die Region auch für Gäste und Touristen interessant zu machen. Beide Frauen sind gebürtige Fallersleberinnen und wollen ihre Heimat durch ihr Ehrenamt unterstützen.“ Mit einem Schmunzeln sagt Frau Bösche: „Man sagt ja auch: Es gibt nur ein Leben, Fallersleben!“

Fallersleben gehört heute zu Wolfsburg. Zu Hoffmanns Lebzeiten war es jedoch Teil eines autonom regierten Fürstentums, in dem Gesetze galten, die einige Dörfer weiter bereits ganz anders lauteten. 1798 geboren, war Hoffmann von Fallersleben von der Französischen Revolution geprägt und sprach sich früh gegen die Zersplitterung Deutschlands aus.

Die Folgen seiner politischen Ansichten und deren öffentlichen Zurschaustellung waren drastisch: Die preußische Regierung schickte ihn ins Exil und enthob ihn pensionslos seiner Professur. „Heute würden man sagen, er hatte eine spitze Zunge“, sagt Kneiske-Spitzer. Hoffmann lebte jahrelang auf der Flucht. Getrieben von politischer Hetze und großem Interesse an Sprache gleichermaßen, begab er sich 1841 auf die damals britische Insel Helgoland und schrieb am 26. August das Deutschlandlied.

Er forderte ein geeintes Deutschland mit freien Bürgern, machte jedoch auch keinen Hehl daraus, seine Abneigung gegenüber den Franzosen kundzutun. Damals von Studenten und liberalen Bürgern gefeiert, gab das Lied nach seinem Debut am Hamburger Jungfernstieg am 5. Oktober 1841 zunächst durch die frankophoben Inhalte doch Anlass zu Diskussionen. Im Nationalsozialismus wurde gerade diese Strophe gefeiert, obwohl so ein verheerendes Bild deutscher Überheblichkeit entstand.

 

Ein Museum für den Dichter

Von dieser Schattenseite des berühmtesten Werkes Hoffmanns sowie von den vielen Sonnenseiten, insbesondere den Kinderliedern, erzählt das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum. Direkt auf dem grünen Schlossplatz gelegen, wurde es 2014 von Grund auf renoviert. Seither besticht es mit einer kleinen, aber feinen Sammlung an Informationen und Exponaten rund um den Germanistikenthusiasten und Dichter.

Als ehemalige Schülerin des Hoffmann-von-Fallersleben-Gymnasiums in Braunschweig bin ich erstaunt, was ich alles nicht über den Mann weiß, der meiner Schule zu ihrem Namen verhalf. Ich lerne, dass niemand Geringeres als die Gebrüder Grimm den vielseitig interessierten Hoffmann von der Theologie zur Germanistik brachte. Ich erfahre, dass Franz Liszt einer der besten Freunde Hoffmanns war – und dass Hoffmann seine ganze 31 Jahre jüngeren Nichte heiratete.

Modern dargestellt und lehrreich vermittelt das Museum, dass Hoffmann mehr war als nur der Autor des Deutschlandliedes und besticht außerdem mit freiem Eintritt und wechselnden Sonderausstellungen. Im Kontext des 175. Jubiläums öffnet beispielsweise die Sonderausstellung „Das Lied der Deutschen – Fallersleber Hoffmann-Gedenktage im Wandel der Zeit“ vom 23. August bis zum 23. Oktober ihre Pforten.

 

175 Jahre später

Und das ist noch nicht alles: „Wir haben für das Jubiläumsjahr viele Aktionen geplant. Am Entstehungstag des Liedes, dem 28. August, wird ein Gedenkrahmen am Schlossteich errichtet“, beschreibt Kneiske-Spitzer die Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr. Der Holzrahmen diene als Fotomotiv, mit dem sich jeder identifizieren könne und der die Grundwerte Einigkeit, Recht und Freiheit symbolisch darstelle. Hier können sich von Brautpaar bis Familie alle fotografieren, die Fallersleben besuchen. „Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, sich auf diese Grundwerte zu besinnen“, erklärt Kneiske-Spitzer. Grundwerte, die in der Theorie so nachvollziehbar erscheinen, jedoch in der Praxis immer wieder an ihre Grenzen stoßen.

Eine Werbekampagne der Stadt Wolfsburg fasste die Strahlkraft des Deutschlandliedes vor einigen Jahren mit einem Augenzwinkern zusammen: „Kaum schreibt ein Wolfsburger mal einen Hit, schon singt ihn ganz Deutschland.” Bescheiden sind sie, die Wolfsburger.