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Alt, älter, Bergkalender
Der älteste Kalender Deutschlands kommt aus Goslar

Das ist schon eine andere Welt, die Welt des Oberharzes. Von Braunschweig fahre ich über Schladen, Liebenburg, durch den schön klingenden Ort Kunigunde, passiere nebelverhangene Täler mit hohen Tannen und Dörfer, die heute wie ausgestorben wirken. Da bricht ein Sonnenstrahl durch den diesigen Nachmittag und ich bin in Wildemann angekommen. Dort wohnt Peter Weiss. Der Mann, der als Redakteur den „Goslarer Bergkalender für Goslar, Bad Harzburg, Harzgebiet und Harzvorland“ die vergangenen zwölf Jahre lang begleitet hat.

Er erzählt gern und enthusiastisch über das ganz besondere Kalenderprodukt. Seit sage und schreibe 399 Jahren kreisen dessen Themen um Goslar und seinen Bergbau. 1619 gegründet, gilt er als der älteste Kalender Deutschlands. Ich erfahre vom Stadtarchiv Goslar, dass es sogar noch einige Schätze aus dem 17. Jahrhundert hütet, zum Beispiel die Ausgaben von 1627, 1643 und 1644 sowie die von 1677. Eine durchgängige Sammlung aller Exemplare gibt es allerdings nicht.

privat

Der Kalender beschäftigt sich seither mit der Bergwerkshistorie und – das ist naheliegend – mit der Geschichte des Erzbergwerks Rammelsberg, das es nachweislich schon seit dem Jahr 968 gibt.

 

1.000 Jahre – 100 Mineralsorten

Im Bergwerk am Rammelsberg wurden hauptsächlich Erze abgebaut, aus denen sich Silber, Blei, Kupfer, Zink und das begehrte Gold gewinnen ließen. Im Jahr 1988 stellte das Bergwerk seine Förderung ein, da die Lagerstätten weitgehend erschöpft waren. Bis dahin speisten sich die Kalenderthemen per se aus dem weiten Feld des Bergbaus.

 

Was der Künstler Christo mit dem Rammelsberg zu tun hat

Im Sommer des gleichen Jahres noch verhüllte der bekannte Künstler Christo einen der letzten Förderwagen – genannt „Package on a Hunt“ – in seiner typischen Manier: mit grobem Stoff und dicken Stricken. Dieses Kunstwerk achtet nicht nur die Vergangenheit, sondern weist auch auf die kulturpolitische Bedeutung und eine neue Zukunft des Bergs hin. Es fand deshalb mehrere Male eine Würdigung in den Bergkalender-Ausgaben. Apropos „The Hunt“: Zurzeit kann genau diese von Christo eingehüllte Lore in Braunschweig auf dem Schlossplatz in einem Glaskasten begutachtet werden.

Bärbel Mäkeler

Ein wahres Kompendium von Bergwerksthemen

Seit der Schließung des Rammelsbergs sind nun fast 30 Jahre vergangen und die Zeitzeugenberichte werden naturgemäß rarer. Was tun? Wie hält man ein solch themenlastiges Produkt am Leben? Das stellte wohl kein Problem dar, erläutert Peter Weiss. Zum Glück kümmerte sich schon seit 1948 der engagierte Verleger Krause um den Kalender, „und das mit ganzem Herzblut“, wie Weiss berichtet. Krause senior – unterdessen Mitte 80 – besucht immer noch regelmäßig die Redaktion und wacht über die Themen des Kalenders, erzählt Lars Grollmisch, der den Bergkalender in der zum Verlag gehörenden Agentur hc media verantwortet. Der Verlag heißt heute „Verlag Goslarsche Zeitung Karl Krause“ und sitzt unter einem Dach mit der Goslarschen Zeitung, die das Produkt vermarktet.

Wer so engagiert ist, dem fallen auch genügend Inhalte ein, die in einen Bergkalender gehören. Da geht es beispielsweise um die Heimatkunde der Ortschaften und Sehenswürdigkeiten der Region, um Flora und Fauna des Harzes, besonders um die zahlreichen Vogelarten sowie das Wild. Es werden um den Harz rankende Märchen und überlieferte Geschichten erzählt und der Tourismus der Harzregion erhält seinen Raum. Natürlich kommt die Bergbaugeschichte immer noch zu Wort, die mit Anekdoten, alten Lithografien, Stichen, Fotos und Zeitungsausschnitten untermalt wird. Koryphäen aus Forschung und Geschichte stellen ihr Wissen zur Verfügung. Auch aktuelle Themen wie Erdgas- und Erdölförderung oder der beliebte Sport des Gleitschirmfliegens bekommen ihren Platz in den über hundert Seiten umfassenden Kalendern, die in einer Stückzahl von 2.000 Exemplaren herausgegeben werden. „Wir haben treue Leser in ganz Deutschland, sogar einen Abonnenten in Kanada“, erzählt Peter Weiss.

Bärbel Mäkeler

Das Kalendarium

Das hört sich nun alles eher nach einem fundierten Heimatbuch des Harzes an – was hat es denn nun mit dem Kalender auf sich? Der Kalender gibt für jeden Monat einiges an Information her, beispielsweise die Namen der einzelnen Tage des evangelischen und katholischen Kalenders. Mich erstaunt, wie unterschiedlich die einzelnen Tage in den beiden christlichen Religionen heißen können. Wusstet ihr, dass der 23. April bei den Protestanten Quasimodogenit heißt, während er bei den Katholiken schlicht als 2. Sonntag der Osterzeit bezeichnet wird? Beim Stöbern entdecke ich, dass mein Namenstag, zumindest auf der evangelischen Seite, der 4. Dezember ist. Zudem bin ich die Schutzgöttin der Bergleute, das passt ja. Am Ende des Druckwerks gibt der 100-jährige Kalender eine konkrete Wettervorausschau des betreffenden Jahres. Der Januar 2017 zum Beispiel „fängt mit Kälte an, es taut am 4.“, dann „folgt gleich wieder Kälte“ … Ich bin gespannt, ob diese Vorhersagen zutreffen.

 

Ausgabe 2017 – 25 Jahre Weltkulturerbe

Die neueste Ausgabe des Bergkalenders 2017 ist eine ganz besondere. Zum einen hat der Kalender eine neue Redaktion in Person von Antje Radcke und zum anderen ist er das erste Mal in seiner Geschichte als Themenheft konzipiert. Die silberne Aufmachung verrät schon, dass es sich um ein 25-jähriges Jubiläum handelt.

1992 gelang dem Rammelsberg sowie der Altstadt Goslars der Sprung in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe. 2010 kam noch die Oberharzer Wasserwirtschaft hinzu, was bedeutet, dass sich das Weltkulturerbe nun über zweihundert Quadratkilometer erstreckt. Die 399. Ausgabe widmet sich demnach voll und ganz dem Jubiläum mit Artikeln rund um die Weltkulturerbe-Anerkennung, die Marke „Rammelsberg“, das Museum sowie den Tourismus. Eine Zeitleiste führt dem Leser die Höhepunkte der Ereignisse bezüglich des Rammelsbergs vor Augen, Sigmar Gabriel würdigt das Kulturerbe und Zeitungsartikel sowie Fotos aus 25 Jahren dokumentieren die Entwicklung der Weltkulturerbestätte und geben zugleich einen Ausblick auf die Zukunft der Harzregion. Zwischen Historie und Zukunft bietet der älteste Kalender Deutschlands immer wieder Neues – im nächsten Jahr zum 400. Mal.