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Die Asseburg
Von Rittern, Ruinen und einem Brand

Die Asse – sie steht heute zuallererst für den Skandal um die Lagerung radioaktiven Mülls im alten Salzbergwerk. Doch hier gibt es weitaus mehr Geschichten zu entdecken, wie die Ruinen der Asseburg, die einst als eine der mächtigsten Burganlagen im norddeutschen Raum auf dem Höhenzug thronte.

Eine Zeitreise ins Mittelalter

Ich bin wieder mit Marco Failla verabredet, Kreisheimatpfleger des Landkreises Wolfenbüttel, um die Überreste der Asseburg zu entdecken. Wir treffen uns am Parkplatz an der Assewirtschaft in Wittmar. Von hier aus ist es noch ein kleiner Fußweg in die Asse hinein und bis zur Asseburg. Zeit genug, historisches Hintergrundwissen zu prüfen und zu ergänzen.

Wir schreiben das 12. Jahrhundert, auf der Wasserburg in Wolfenbüttel lebte die adelige Familie, die sich nach ihrer Burg „von Wolfenbüttel“ nennt. Treu standen sie an der Seite Heinrichs des Löwen. Während einer Pilgerreise des Herzogs wurde Eckbert von Wolfenbüttel sogar mit der Verwaltung des sächsischen Kernlandes beauftragt, außerdem stand Mathilde Plantagenet, die Frau Heinrichs, unter seiner persönlichen Fürsorge. Doch nach dem Sturz des Löwen wechselten seine Getreuen in das staufische Lager. Als Heinrich in der Folge 1193 die Burg Wolfenbüttel belagerte, wurde diese dann ausgerechnet von Eckberts Sohn Gunzelin verteidigt. Den müsste ich mir merken, empfiehlt Marco Failla, als ich beginne, vor lauter Namen den Überblick zu verlieren. Ein Jahr später kam es zur Aussöhnung der Welfen mit dem staufischen Kaiserhaus und auch Gunzelin und Heinrich standen nun wieder auf einer Seite. Um 1200 erbte Gunzelin schließlich nicht nur das Land der Familie von Peine, sondern auch deren Grafentitel. Und unter Otto IV., dem Sohn Heinrichs des Löwen und einzigen Welfen auf dem Kaiserthron, stieg Gunzelin zum Truchsess auf, einem der höchsten Reichsämter am Hof – er war ein gemachter Mann. Nach dem Tod Ottos IV. 1218 verlor Gunzelin zwar seine Stellung am Hof, doch der Streit zwischen Welfen und Staufern ging weiter und der Graf suchte einen Ort, an dem er sich bei den Kämpfen verteidigen konnte. Den fand er auf der Asse, wo er eine Burg erbauen ließ.

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In der Ferne kann man die Hügel des Harzes erahnen.

Heiratsmarkt am Bismarckturm

Doch bei allen historischen Fakten sollten wir nicht vergessen, den Blick zu heben und die Umgebung zu betrachten, durch die wir gerade laufen. Rechts und links säumen alte, knorrige Bäume den Weg, sogenannte „Schneitel-Hainbuchen“, wie eine Tafel erklärt. Früher wurden sie bei vollem Laub beschnitten – immer in gleicher Höhe der Baumköpfe – und bekamen so ihr charakteristisches Aussehen. Die Bauern verfütterten die Äste und das Laub in vegetationsarmen Zeiten an Schweine, Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde. Dass der Weg poetisch „Liebesallee“ genannt wird, kommt vermutlich durch die Heiratsmärkte, die rund um die Assewirtschaft stattfanden. Diese arrangierten „Liebespaare“ spazierten dann durch die Asse.

Nach einigen hundert Metern öffnet sich der Wald auf der linken Seite zu einer großen Wiese, an deren gegenüberliegender Seite sich der Bismarckturm erhebt. Nach dem Tod Otto von Bismarcks entstand ein regelrechter Kult um den Reichskanzler, besonders in deutschnationalen und konservativen Kreisen, im ganzen Reich wurden ihm zu Ehren fast 200 Bismarcksäulen und -türme errichtet. In Braunschweig ging die Initiative von der Studentenschaft der Technischen Universität aus, sie entschied sich für den preisgekrönten Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis und einen Bauplatz auf der Asse. So ragt er nun weit über die Bäume hinaus. Wer den schweißtreibenden Aufstieg über die gewendelte Treppe wagt, dem bietet sich ein spannender Blick über das Umland.

Wir erklimmen die Treppen jedoch nicht, sondern gehen weiter auf dem Kamm des Höhenzuges entlang. Links zu unseren Füßen liegt Wittmar, dahinter eine weite Ebene, am Horizont erheben sich die Höhen des Harzes. Ein atemberaubender Ausblick, kein Wunder, dass Gunzelin diesen Platz wählte, um seine Burg zu errichten. Obwohl er es eigentlich gar nicht durfte. Denn das Land gehörte zum Reichsstift Gandersheim und die Äbtissin beschwerte sich direkt bei Papst Honorius III. über den nicht genehmigten Bau. Der ordnete an: „Sofort abreißen“ – was den Grafen jedoch wenig interessierte.

Eine uneinnehmbare Burg gebaut nach modernsten Erkenntnissen

Wir erreichen die ersten Ruinen. Marco Failla holt einen Plan hervor und erklärt mir: „Die Burg lag langgestreckt auf dem Höhenkamm.“ Mit einer Länge von 185 Metern, einer Breite von bis zu 50 Metern und einer umbauten Fläche von 7200 Quadratmetern war sie zu ihrer Zeit eine der größten Burganlagen im norddeutschen Raum. Auch weil mehrere adelige Familien sich beim Bau der Burg zusammenschlossen und diese später gemeinsam bewohnten. „Ganerbeburg“, lerne ich, quasi eine mittelalterliche Adels-WG oder Eigentümergemeinschaft. Für Gunzelins Familie war sie so wichtig, dass sein Sohn sich nicht mehr wie seine Vorfahren „von Wolfenbüttel“ nannte, sondern „von der Asseburg“.

Umgeben war die Burg von Befestigungswällen und Gräben, davor lag eine Vorburg. Und Gunzelin hatte den Platz für seine Verteidigungsanlage klug gewählt: die Hänge rechts und links fallen steil ab – kein Wunder, dass die Burg als uneinnehmbar galt. Marco Failla ergänzt: „Zudem bestand sie aus mehreren Abschnitten, die durch Mauern voneinander getrennt waren. Hätten Angreifer ein Tor genommen, hätten sie vor dem nächsten gestanden und das möglicher Weise ohne Deckung.“ Tatsächlich wurde die Burg nie erobert. Während eines Streits mit den Herzögen von Braunschweig belagerten feindliche Truppen 1255 die Burg, die von Gunzelins Sohn Busso zäh verteidigt wurde – unvorstellbare drei Jahre lang! Im Winter 1258 einigten sich beide Parteien schließlich auf eine Übergabe der Burg an den Herzog gegen 400 Goldmark und freien Abzug für ihre Bewohner.

Ich erinnere mich an ein großes, tiefes Loch, an dem wir vorhin vorbeigekommen sind, eine Zisterne. Besonders bei Belagerungen war es enorm wichtig, immer genügend Wasser zur Versorgung der eingeschlossenen Menschen und Tiere zu haben.

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Die Asseburg lag langgestreckt auf einem Höhenkamm der Asse.

Ein Brand und das Ende

„Doch wenn sie so uneinnehmbar war, wie kam es dann zu ihrer Zerstörung“, frage ich Marco Failla. Wieder muss er etwas weiter ausholen, um die Hintergründe zu erklären und wieder geht es um einen Streit, diesmal zwischen der Stadt Braunschweig und den Herzögen. Diese hatten, als sie 1331 erneut in finanziellen Schwierigkeiten steckten, die Asseburg an die Stadt verpfändet. Im Jahre 1492 forderten die Welfen nach einer Erbteilung jedoch alle Hoheitsrechte und Besitzungen zurück. Doch der Rat der Stadt Braunschweig weigerte sich. Mit einem großen Heer marschierte Herzog August daraufhin gegen die Stadt. Auch die Besatzung der Asseburg wurde nach Braunschweig gebracht, um bei der Verteidigung zu helfen. Nur einige Männer blieben zurück und zündeten am 12. August 1492 selbst ihre Burg an, um sie nicht in die Hände des Herzogs fallen zu lassen. Drei Tage brannte die mächtige Festung, dann versank sie in Schutt und Asche.

Der Streit zwischen dem Herzogtum und der Stadt Braunschweig endete mit einem Vergleich, die Stadt Braunschweig verpflichtete sich unter anderem, die Asseburg innerhalb von sechs Jahren wiederaufzubauen – was sie nie tat. So verfielen die Reste immer weiter und die Bewohner der umliegenden Dörfer nutzten die Steine zum Bau ihrer Häuser.

Und heute hat die Natur den Kampf gewonnen, wir stapfen durch hüfthohes Gestrüpp und Brennnesseln, die die Burg erobert haben. Die Bäume schieben ihre Wurzeln durch die Überreste des Mauerwerks, in den Schießscharten sprießt das Unkraut, die Mauerkronen sind mit Moos bedeckt. Es ist nicht einfach, sich dieses unwegsame Gelände als Burghof vorzustellen, mit einem bunten Treiben an Rittern, Musikanten, edlen Damen und prächtigen Pferden. Dort hinten an der großen Kiefer stand der Turm, hier bei den Wurzeln der Buche begann eine Mauer.

Ein beliebtes Ausflugsziel zum Spazieren und Radfahren

Immer wieder kommen uns Menschen auf den schmalen Pfaden entgegen, die Ruine ist heute neben dem Bismarckturm ein beliebtes Ausflugsziel. Das war auch im Sommer 1733 schon so. Da traf sich eine Hochzeitsgesellschaft hier oben zu einem Picknick, es war die Vermählung der Braunschweiger Prinzessin Elisabeth Christine mit Kronprinz Friedrich von Preußen.

Rund 150 Jahre später führte die Assegesellschaft erste archäologische Grabungen auf dem Gelände durch, doch die Ergebnisse sind nicht dokumentiert. Ganz im Sinne des 19. Jahrhunderts, als man sich für Ruinen begeisterte, errichtete sie auch auf einigen der Fundamente neue Mauern, die heute bei flüchtiger Betrachtung fälschlicherweise für die mittelalterlichen Überreste gehalten werden können.

Am Bismarckturm biegen wir nicht wieder links zur Liebesallee ab, sondern folgen weiter dem Höhenkamm. Links von uns wird das Gelände immer steiler und tiefer. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Baumeister der Burg hier wenigstens Teile der Steine zum Bau der Gebäude schlugen“, überlegt Marco Failla. Immerhin ist der hier anstehende Kalkstein ein gutes Baumaterial und musste so auch nicht weit transportiert werden. Schließlich führt uns der Weg auf die Talsohle, ein kleines Stück noch auf einem Waldweg und wir stehen wieder auf dem Parkplatz.

Schade, dass die Assewirtschaft gerade geschlossen ist – dort wird mächtig gebaut. Sonst hätten wir bei einem erfrischenden Getränk das Gesehene und Erlebte noch einmal diskutieren können. Am Ende waren es ganz schön viele historische Fakten und gar nicht so leicht zu überblicken, wer denn nun mit wem im Streit lag und wer auf wessen Seite kämpfte um eine Burg, die keine 300 Jahre bewohnt war. So verabschieden wir uns bis zum nächsten gemeinsamen Ausflug im Landkreis Wolfenbüttel.

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Asseburg

Bester Startpunkt für einen Spaziergang ist der Parkplatz oberhalb von Wittmar. Von dort sind es rund 900 Meter bis zur Ruine der Asseburg. Sie ist frei zugänglich, Besucher sollten aber festes Schuhwerk tragen.

Der Parkplatz ist auch ein guter Startpunkt für Spaziergänge und Radtouren durch die Asse.