Jerxheim-Bahnhof ist nicht gerade berühmt für seine zentrale Lage. Aber einmal im Jahr ist das anders! Denn in dem kleinen Ort im Süden des Landkreises Helmstedt findet eines der größten Treckertreffen unserer Region statt.
Glühende Leidenschaft für Trecker
Ein Dorf im Ausnahmezustand
Trahere = ‚ziehen‘
Eher ländlich und ruhig ist das Leben in diesem Ortsteil von Jerxheim am Rande des Heesebergs. Viehweiden sieht man in dieser Gegend nicht. Der Boden gehört zu den fruchtbarsten in Deutschland. Große Felder bestimmen das Landschaftsbild. Nur mit Traktoren können diese Ackerflächen bestellt werden. Kein Wunder, dass die Menschen hier einen persönlichen Bezug zu Landmaschinen haben.
Ein Plakat erregt mein Interesse. Am Pfingstsamstag findet das 10. Treckertreffen des ESV Jerxheim-Bahnhof statt. Noch lebhaft erinnere ich mich an ein von mir besuchtes Treckertreffen. An diesem Tag herrschte in Jerxheim-Bahnhof der Ausnahmezustand.
Lanz Bulldog = ‚Glühkopfmotor‘
Von Weitem hörte ich damals einen Lanz Bulldog! Ein typisches lautes Toktoktok. Es war auch Pfingstsamstag und ich schlenderte über den Fußballplatz von Jerxheim-Bahnhof. Bestimmt 100 Trecker standen dort. Auf dem Platz herrschte eine entspannte Atmosphäre. „Ein Fendt-Dieselross!“, hörte ich den begeisterten Ausruf meines Ehemannes, der sogleich dem Fachsimpeln um dieses Modell lauschte. Meine Kinder entdeckten das Kinderkarussell und rannten dorthin. Ich schaute mich weiter um. Wo war der Lanz, den ich bei meiner Ankunft gehört hatte? Dann sah ich mehrere Lanz Bulldogs – und sie zogen mich magisch an.
Warum hat es mir dieser Traktortyp nur angetan? Vielleicht liegt es an der Technik. Kompliziert und interessant, fand ich. Der Besitzer eines Lanz Bulldogs erklärte allen Umstehenden den Startvorgang. „Ich werde jetzt den Motor vorglühen und dann kann ich erstmal einen Kaffee trinken“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Es dauerte wirklich lange, das Vorglühen. Ich wartete. Eigentlich fand ich den Begriff Anheizen passender. Die kleine fauchende Flamme der Lötlampe erhitzte den Glühkopf des Motors. Erst wenn der Glühkopf kirschrot leuchtet, kann der Motor mit dem Schwungrad angeworfen werden. Endlich war es so weit. Der Besitzer nahm das abnehmbare Lenkrad des Schleppers und steckte es in das Schwungrad. Jetzt warf er den Motor an. Ein Kraftakt. Der Motor startete. Tok, einen Augenblick befürchtete ich, dass der Motor wieder still stehen würde.
Treckertreffen Lanz anwerfen / MEINE-REGION.de
Tok, Toktoktok – doch immer rhythmischer lief er. Das Motorengeräusch ist unverkennbar. Der stolze Besitzer stieg auf und ein kleines Mädchen durfte eine Runde über den Platz mitfahren. Ganz aufgeregt war sie.
Danach schlenderte ich an den eigentümlich anmutenden Modellen aus der ehemaligen DDR vorbei und fand den Vergleich zwischen all den verschiedenen Landmaschinen spannend.
Am Rande der Wiese bemerkte ich einen sehr modernen Traktor. Riesig. Etwas unschlüssig schaute ich mir diesen genauer an. Die Fahrerkabine thronte hoch oben. Satellitengesteuert. Vollklimatisiert. 250 PS. Ein Bild tauchte unvermittelt vor meinem inneren Auge auf. Ich in freier Fahrt, mit diesem Traktor!
Idea = ‚erkennen‘
Jetzt bin ich mit Eckhard Wienke verabredet. Ich will erfahren, wie man überhaupt auf die Idee kommt, ein Treckertreffen zu veranstalten. Wienke ist der Platzwart des ESV Jerxheim und seit ewig, wie er selbst sagt, Mitglied des Vereins.
„Das war so …“, erinnert er sich. „Jerxheim-Bahnhof ist ja ein kleiner Ort und wir bekamen damals keine Fußballmannschaft zum Pfingstturnier zusammen. Deshalb fragten wir uns, was wir an Pfingsten mit dem Platz machen. Mein Schwiegersohn schlug ein Treckertreffen vor. Ich fuhr schon damals einen Deutz und mein Schwiegersohn ebenfalls. Und so planten wir ein Deutz-Treffen.“ Eckhard Wienke schüttelt den Kopf und lacht: „So fing alles an!“
Es war ein Erfolg! Viele Landwirte wollten mitmachen. Schnell ließ man das Deutz-Treffen fallen und veranstaltete im darauf folgenden Jahr ein offenes Treckertreffen mit historischen Traktoren und hochmodernen Schleppern. „Seitdem bin ich für die Sparte Treckertreffen im ESV zuständig. Aber es stehen noch viel mehr Menschen dahinter“, betont Eckhard Wienke.
„Schon als junger Mann hat mich das Treckerfieber gepackt“, erinnert sich Eckhard Wienke. „Ich ging noch zur Schule und fuhr in Dobbeln einen Trecker. Seitdem lassen mich die Schlepper nicht mehr los.“ Die Augen von Eckhard Wienke leuchten, als er mir von seinen ersten Treckerfahrten erzählt.
Verein = ‚etwas zusammenbringen‘
„Keiner hätte gedacht, dass das Treckertreffen so einen Umfang annimmt“, so Wienke weiter. „Im vergangenen Jahr hatten wir 105 Trecker auf dem Platz. Sie kommen aus allen Himmelsrichtungen. Die Anfahrt dauert für so manchen Treckerfahrer bis zu zwölf Stunden“, erfahre ich. Einige Teilnehmer reisen sogar mit Wohnwagen an. „Aber bevor alles losgeht, müssen wir viele Genehmigungen einholen und die kosten Geld“, berichtet mir Eckhard Wienke weiter. Angefangen von der Genehmigung der Nutzung der Bundesstraße 244, Schankgenehmigung, Anforderung des Roten Kreuzes, Polizei, Feuerwehr – die Liste ist lang.
Treckertreffen Ausfahrt / MEINE-REGION.de
40 Helfer sorgen an dem großen Tag nach einem durchstrukturierten Arbeitsplan für einen reibungslosen Ablauf. 50 frische Kuchen sind morgens fertig gebacken. Das ganze Dorf ist im Einsatz. Geld nimmt dafür keiner. „Das wäre gar nicht zu schaffen ohne unsere Helfer“, hebt Eckhard Wienke hervor. Über die Einnahmen aus dem Kuchenverkauf wird die Veranstaltung nur teilweise finanziert. Aber zum Glück gibt es Sponsoren. „Ich fahre mehr als 1.000 Kilometer, um die Sponsoren zu besuchen“, so Wienke weiter.
Für die rund 2.000 Besucher an diesem Tag kochen allein vier Helferinnen nur den Kaffee. 1.200 Bratwürstchen, 450 Liter Bier, 250 Steaks und 70 Kilo Pommes werden an diesem Tag verbraucht. Und viel, viel Eis. Gerne besuchen Familien mit Kindern das Treckertreffen. Es wird kein Eintritt verlangt. Und auch die Kinderangebote sind kostenlos. Treckerrundfahrten, Ponyreiten, Kinderkarussell, Hüpfburg und Glücksrad gehören dazu. Am Abend steht für die großen Besucher als besonderes Highlight zum 10. Treckertreffen ein Festzelt zum Tanzen und Feiern bereit.
Ich bin beeindruckt. „Was für ein Wahnsinn“, rutscht es mir heraus. Eckhard Wienke lacht. „Ja, wir sind irgendwie alle Treckerfanatiker.“