"Diese diskussionsfreudige Zeit wollen wir nutzen"
Heinrich Betz sieht bei allen Schwierigkeiten, die die Versammlungsverbote für die diesjährige Maifeier bedeuten, auch Chancen für die nächsten Jahre. „Wir lernen gerade viele digitale Möglichkeiten kennen, die wir auch in Zukunft nutzen sollten“, findet der Betriebsrat bei Volkswagen und Vorsitzende des DGB-Stadtverbandes Braunschweig. So könnten mehr Menschen auf die Arbeit der Gewerkschaften aufmerksam gemacht werden. Und auch in der Gesellschaft beobachtet er in vielen Bereichen ein Umdenken. „Jeder spricht gerade über gesellschaftliche und politische Themen. Diese diskussionsfreudige Zeit wollen wir nutzen, um mit unseren Positionen sichtbar zu sein“ – auch wenn es dieses Jahr mit Abstand ist.
Viele der Themen, die die Gewerkschaften vertreten, sind nicht neu, aber gerade jetzt seien Forderungen wie nach einem starken Sozialstaat besonders nötig. Heinrich Betz sieht auch bei Menschen, die sonst eher Abstand zu den Arbeitnehmervertretern halten, ein neues Bewusstsein für gewerkschaftliche Positionen. „Sie machen sich Gedanken darüber, was unsere Gesellschaft ausmacht, sie entdecken den Gemeinsinn wieder und kritisieren die Ellenbogengesellschaft.“
Manche Unternehmen dagegen würden die Krise nutzen, um bereits Erreichtes wieder zurückzudrehen. So berichtet Heinrich Betz, dass einige Betriebe die jetzige Situation nutzen, um die Anzahl der Ausbildungsplätze zu reduzieren, für die die Gewerkschaften lange gekämpft haben. Die Krise ist für alle eine große Belastung, trotzdem glaubt er, dass Lösungen, die jetzt gefunden werden, auch in Zukunft genutzt werden, wie das Homeoffice. „Aber hier ist Augenmaß nötig“, schränkt er ein. „Welche Auswirkungen zum Beispiel das Fehlen von informellen Gesprächen auf die Arbeitsabläufe und das Betriebsklima hat, wird sich erst langfristig zeigen können.“