Header image Martina Zingler

Wolfenbüttel in der Renaissance
– Wie Susanne Gantert zum historischen Krimi kam

Neben dem Wolfenbütteler Schloss führt eine breite gepflasterte Rampe in den Burggraben. Mir ist diese Stelle nie besonders ins Auge gefallen. Für Susanne Gantert, deren historische Kriminalromane in Wolfenbüttel und Umgebung zur Zeit der Renaissance spielen, sind solche Relikte aus längst vergangenen Zeiten jedoch das Salz in der Suppe. So treffe ich die Autorin also an der „Pferdeschwemme“, wo einst Pferde und andere Zugtiere nach der Arbeit ins Wasser geführt, gesäubert und getränkt wurden.

An der Pferdeschwemme werden Szenen des dritten Bandes der Konrad-von-Velten-Reihen spielen, verrät mir Susanne Gantert auch gleich. Der junge Jurist ermittelte bereits in zwei Fällen im Herzogtum Wolfenbüttel, folgte einem Serienmörder durch die Lichtenberger Wälder und half bei der Suche einer verschwundenen Braunschweiger Kaufmannstochter. Der dritte Teil ist nun gerade fertiggestellt und abgeschickt, erzählt mir Susanne Gantert bei einem Zimt-Mokka im Hofcafé, wo wir uns zu einem gemütlichen Gespräch niedergelassen haben. Auch dieser Roman wird wieder zu einem großen Teil in Wolfenbüttel spielen, aber auch nach Goslar und in den Rammelsberg zieht es die zentralen Figuren.

 

Kirchengeschichte, Lokalkolorit und ein deftiges Verbrechen

Wie auch in den ersten zwei Büchern wird der Leser neben der spannenden Handlung rund um einen aktuellen Kriminalfall mit allerlei historischen Fakten und Hintergründen versorgt. Hexenprozesse, Aberglauben, die mittelalterliche Gesellschaftsordnung und nicht zuletzt kleine Wissensperlen, etwa über den Handel mit Vitriolöl – einem Nebenprodukt des Bergbaus im Harz –, flicht die Autorin geschickt in den Plot ein. Und, wie bei einer studierten Theologin nicht anders zu erwarten, webt sie im Hintergrund ein Bild der religiösen Landschaft in dieser bewegten Zeit, in der auch in unserer Region vielerorts der Übertritt vom katholischen zum lutherischen Glauben vollzogen wurde.

Susanne Gantert ist schon eine fest in der Region verwurzelte Pflanze, auch wenn ihr bisheriger Lebensweg noch andere Stationen für sie bereithielt. In Salzgitter-Lebenstedt geboren, zog sie mit ihrer Familie für sieben Jahre nach Bayern, wo der Vater eine Pfarrstelle übernahm. Für ihr Abitur war sie bereits wieder zurück in Braunschweig, dann folgte ein Studium in Erlangen, das Examen in Göttingen. Nach ihrer Heirat lebte Susanne Gantert zunächst in Bad Gandersheim, bevor ihr Mann – ebenfalls ein Pfarrer – in Velpke bei Wolfsburg seine erste Pfarrstelle antrat. Mit der Möglichkeit für ihren Mann, nach Salzgitter-Salder zu wechseln, schloss sich für sie der Kreis.

 

Wie eins zum andern kam

Vor zwei Jahren ist sie dann nach Wolfenbüttel umgezogen. „Die Stadt hat mich magisch angezogen“, sagt Gantert. Vielleicht mag auch eine Rolle gespielt haben, dass der Komponist und Hofkapellmeister Michael Praetorius – ein Vorfahr der Autorin – in jungen Jahren in Diensten des Fürsten Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel stand und sich mit dem Umzug eine spannende historische Verbindung knüpfen ließ.

Überhaupt fügt sich so einiges ineinander im Leben der Autorin. Natürlich habe sie schon als Kind gerne Geschichten geschrieben, aber nie daran gedacht, das Hobby zum Beruf zu machen. Erst als sie sich im Rahmen ihres Theologiestudiums mit der Kirchengeschichte auseinanderzusetzen begann, erwachte ihr historisches Interesse. „Für eine Dorfchronik sollte ich die Kirchengeschichte Salders zusammenstellen. Da hat es mich gepackt“, so Gantert. „Ich dachte mir: Über so etwas könntest du Romane schreiben.“ Der Grundstein war gelegt. Sie begann, eine Familiensaga zu entwickeln. Das Personal aus ihrem Erstlingswerk hat inzwischen in ihren historischen Krimis Einzug gehalten.

 

Dichtung und Wahrheit

Warum dieser Sprung zum Kriminalroman, möchte ich von ihr wissen. „Mich interessierte es, eine Handlung auf eine relativ kurze Zeit anzulegen, nicht auf Jahre hinaus“, so Gantert. „Das funktioniert natürlich bei einem straffen Krimi-Plot viel besser.“ Der historische Aspekt ist dabei aber immer der Ausgangspunkt. „Dann erst frage ich mich, wie ich die Geschichte darum herum aufbauen kann.“

Und dazu sitzt sie geradezu an der Quelle. In der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek findet sie die nötigen historischen Informationen. Aber nicht alles ist lückenlos dokumentiert. „Manchmal sind die Quellen doch recht mager. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wird es besser“, erzählt Gantert. Dann darf die Autorin die Geschichte nach eigenem Gutdünken weiterspinnen und die Figuren so agieren lassen, wie es ihr gefällt. Am Ende jedes Buches listet sie akribisch auf, was wahr, was erdichtet ist – ein erhellender Einblick in die schriftstellerische Arbeit.

Was dort nicht steht ist, wie der Alltag einer Schriftstellerin aussieht: „Ziemlich diszipliniert“, meint Susanne Gantert. Die Schreiberei bezeichnet sie ganz offen als ein „schönes Hobby“, geht daneben noch mehreren Jobs nach, unter anderem als Organistin und Chorleiterin. Mindestens einen Tag in der Woche nimmt sie sich Zeit zum Schreiben. „Man muss ja immer wieder eintauchen in die Geschichte. Da lohnt es sich nicht, sich mal eine halbe Stunde an den Schreibtisch zu setzen.“

 

Heinrich der Löwe versus Barbarossa

Unser Gespräch nähert sich dem Ende. Die Einblicke, die mir Susanne Gantert heute gewährt hat, machen Lust, mehr über die Historie unserer Region zu erfahren. Was dürfen wir denn noch erwarten, frage ich zum Abschluss. Die Autorin zögert. Ein Fernprojekt habe sie, beginne gerade erst mit den Recherchen. Es soll um die Auseinandersetzung zwischen Staufern und Welfen in der Kaisernachfolge gehen. „Es gibt einige interessante Momente, wo sich die Welfen nicht durchsetzen konnten“, so Gantert. Ich merke: Der historische Funke ist bereits übergesprungen.