Im sechsten Teil der VfL-Wolfsburg-Serie besuche ich in der VfL-Fußball.Akademie die Profis von morgen – und mache zugleich eine Reise in die eigene Vergangenheit Ende der Neunziger. Damals stand ich selbst als junger Stürmer des VfB Fallersleben in einem Landesligaspiel gegen den U.S.I. Lupo Martini Wolfsburg im Porschestation auf dem Platz.
200 junge Fußballtalente
Wie der VfL Wolfsburg ihre Karriere unterstützt
Spät, aber erfolgreich
Heute werden hier am Berliner Ring 50.000 Quadratmeter für die VfL-Fußball.Akademie des Bundesligisten VfL Wolfsburg genutzt. Das Nachwuchsleistungszentrum ist in einem Gebäude mit Internat, 26 Appartements, Büro- und Funktionsräumen, Fitnessraum und Sauna untergebracht. Auf fünf Spiel- und Trainingsplätzen inklusive eines beheizbaren Kunstrasenplatzes arbeiten rund 200 Talente von der U14 bis zur U19 an ihrer Karriere.
Die Idee für das Fußballinternat kam 2005 auf. Der Verein war damit zwar später dran als Traditionsvereine wie Werder Bremen oder der VfB Stuttgart, aber nicht minder erfolgreich. Im Gegenteil: In der Saison 2015/2016 stellte der VfL ligaweit die meisten Junioren-Nationalspieler. Und in der laufenden Saison hat nur Bayer 04 Leverkusen mehr Fußballer, die ihr Land vertreten.
Schule hat Priorität
Auch die Schulbildung kommt nicht zu kurz. Die Eichendorffschule mit Oberschule und Gymnasium liegt nur fünf Gehminuten entfernt und stimmt die Stundenpläne immer auf die Trainingspläne der Fußballtalente ab. Sie ist Partnerschule des VfL Wolfsburg und darf sich seit 2009 „Eliteschule des Fußballs“ nennen. Mit der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH, der Volkswagen AG und der AutoVision GmbH stehen außerdem Ausbildungsbetriebe zur Verfügung.
Ob das Ziel ein Realschulabschluss, das Abitur oder eine Ausbildung ist, entscheiden die Betreuer gemeinsam mit den Talenten und immer mit Bedacht. „Wir bewerten jeden Spieler individuell, je nach Intellekt, Fleiß und Herkunft“, erklärt der Leiter der VfL-Fußball.Akademie Fabian Wohlgemuth. „Wir schauen uns die Zeugnisse an, sprechen mit den Lehrern und Pädagogen, um uns ein Bild vom Spieler zu machen und einen maßgeschneiderten Karriereplan zu entwickeln.“
Natürlich gibt es auch einen sportlichen Karriereplan, der – zumindest hoffen das alle Jugendspieler – in einer Profikarriere endet. Und tatsächlich schaffen viele Talente den Sprung. Der erste Fußballer, dem dies hier gelingt, ist Tolga Cigerci. Am 28. November 2010 kommt er bei einem VfL-Heimspiel gegen den 1. FC Köln erstmals als Profi zum Einsatz. Heute ist er türkischer Nationalspieler bei Galatasaray Istanbul und hat einen Marktwert von 3,5 Millionen Euro.
Mir persönlich ist vor allem das Jahrhunderttalent Julian Brandt in Erinnerung geblieben. Ihn habe ich schon in der U19 spielen gesehen. Damals war ich für einen Berater aus Nordrhein-Westfalen als Scout im Einsatz, um einen Mannschaftskollegen von Julian Brandt zu beobachten. Heute steht das Talent bei Bayer Leverkusen unter Vertrag, ist Nationalspieler und 16 Millionen Euro wert.
Spatenstich für die VfL-Fußball.Akademie
Trotz aller Erfolge will der Verein die Talentförderung noch weiter verbessern und erweitert seine Räumlichkeiten mit einem neuen Funktionsgebäude. Nach Fertigstellung wird die U23 auch ans Porschestadion ziehen und so eine noch intensivere Verzahnung aller U-Mannschaften gewährleisten. Aus dem Nachwuchsleistungszentrum wurde zudem die VfL-Fußball.Akademie. „Die Leistungsdichte ist extrem hoch – von der ersten bis zur vierten Liga. Am Ende geht es um Kleinigkeiten, warum ein Spieler in der Bundesliga und ein anderer in der Regionalliga spielt“, betont Wohlgemuth.
Der Spatenstich für das neue Akademiegebäude war am 2. Dezember 2016. Im Haus soll auch die gerade erst gegründete medizinische Abteilung VfL-Med untergebracht werden, mit neuer Leistungsdiagnostik, Behandlungsräumen und Entspannungsbecken.
In Liverpool internationale Härte lernen
Neben Training und medizinischen Checks stehen für besonders talentierte Jungfußballer auch regelmäßig Spiele gegen internationale Konkurrenz auf dem Programm, zum Beispiel beim „Premier League International Cup“ in Liverpool. „Das ist eine zusätzliche Motivation für die Spieler, denn es ist natürlich etwas Besonderes, in den englischen Stadien, wie zum Beispiel an der Anfield Road, zu spielen“, glaubt Fabian Wohlgemuth. Gerade erst gewann der VfL-Förderkader zudem den Florida Cup im Sunshine State und setzte sich hier gegen einen Zweitligisten aus den USA sowie einen Erstligisten aus Brasilien durch. Der Förderkader setzt sich aus talentierten Jungspielern der Profis, U23 und U19 zusammen. Auch um später in der Bundesliga zu bestehen, seien die internationalen Erfahrungen Gold wert.
Den verpassten Schulunterricht müssen die jungen Talente nachholen, auch vor Ort. Dafür können sie auf die Hilfe von fünf Pädagogen zählen, die eigens dafür mitreisen und bis spät abends als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Viel Salat, wenig Fett
Nicht zuletzt spielt die Ernährung eine wichtige Rolle in der Nachwuchsförderung. Sie orientiert sich an „ernährungswissenschaftlichen Leistungssportgrundsätzen“, wie es Wohlgemuth formuliert. Gemeint ist aber in der Regel: viel Salat und wenig Fett. Die Köche stimmen sich immer wieder mit den Ernährungswissenschaftlern und Athletiktrainern des Vereins ab und erarbeiten maßgeschneiderte Speisepläne.
Beim Mittagessen bekommen die Nachwuchstalente übrigens oft ihr Idol Maxi Arnold zu Gesicht, der hier noch immer gern isst. Besuche dieser Art sind auch ein Indiz für die enge Verbundenheit von Nachwuchsförderung und Profi-Welt, die ein erklärtes Ziel des Vereins ist. „Wir wollen die VfL-Familie leben“, sagt Fabian Wohlgemuth.