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Ohne sie läuft gar nichts
5 Ehrenamts-Helden im Sport

Sie geben den Job für ihren Dorfverein auf, begleiten ambitionierte Sportler auf Trainingslager ins Ausland oder tauchen - im Wortsinne - mal richtig ab: Menschen halten mit ehrenamtlichem Engagement den Breitensport am Laufen, auch in unserer Region. Wir stellen fünf von ihnen vor.

Vorturnerin für Generationen

Kerstin Barnert-Paul ist umgeben von Menschen, vielen Menschen. Jeden Tag. Die 56-jährige als „Gute Seele“ des SV Teutonia Groß-Lafferde zu bezeichnen, wäre schon fast zu wenig. Die ausgebildete Krankenschwester und ambitionierte Geräteturnerin ließ nach der Geburt ihrer vier Kinder den Job ruhen und verstärkte das Engagement in ihrem Heimatverein. „Der Schichtdienst ließ sich damit nicht vereinbaren“, sagt sie, „der Verein ist jetzt mein Beruf.“ Wohl eher eine Berufung. Seit 25 Jahren betreut Barnert-Paul Sportgruppen, Kinder, Erwachsene, Senioren. Sie hat etliche Übungsleiterscheine gemacht und macht sie immer noch, kümmert sich als Sportwart um Hallenzeiten, Anmeldungen und Wettkämpfe – an Wochentagen und unter der Woche.

„Zu sehen, wie der Sport und die Bewegung allen zugutekommt, sie weiterbringt, das ist eigentlich das Geheimnis, das gibt mir selbst Energie."

Barnert-Paul begleitete schon Generationen von Sportlerinnen und Sportlern des SV Teutonia. „Ich habe sie alle in meinen Trainings, von ganz jung bis hochbetagt“, lacht sie. Die schönsten Momente in all diesen Jahren, sagt Barnert-Paul, sind immer die, in denen sie etwas zurückbekommt. „Es ist die Freude, die man machen kann“, sagt sie. Etwa in ihren Psychomotorik-Kursen: „Zu sehen, wie die Kids Erfolge haben, wie der Sport und die Bewegung in der Gruppe ihnen zugutekommt, sie weiterbringt, das ist eigentlich das Geheimnis, das gibt mir selbst Energie." 

Ein Leichtathletik-Leben

Andreas Schwanbeck steht in der Sporthalle der alten Husarenkaserne im Braunschweiger Stadtteil Kralenriede. „Du“, sagt er mit ausgestrecktem Arm zu einer blonden Leichtathletin im roten Dress, „du musst deinen Oberkörper gerader machen, bei den Sprüngen richtig nach oben herauskommen!“

Schwanbeck, drahtig, sehnig, schnell, ist zwar inzwischen auch schon jenseits der 50, aber als immer noch aktiver Wettkämpfer kann er die Bewegungsabläufe perfekt aufzeigen. Fällt es ihm dennoch schwer, sich in einem gewissen Alter etwas zurückzunehmen? „Man vergleicht sich als ambitionierter Sportler ja auch immer mit der eigenen Leistung, die man früher gebracht hat“, sagt Schwanbeck. „Und das Bedürfnis, sich zu vergleichen, bleibt. Von daher stecke ich mir immer noch sportliche Ziele.“ 

Ein Trainer redet mit einer Sportlerin und gestikuliert dabei. Torben Dietrich
Seine U16-Leichtathleten begleitet Schwanbeck auf so gut wie jeden Wettkampf, sein Training ist auch im Winter in der Halle ziemlich fordernd.

„Das sind wunderbare Erlebnisse als Gruppe, daran erinnere ich mich mit 80 noch.“

Andreas Schwanbeck über Trainingslager-Tage

Einen gewissen Ehrgeiz gibt der Trainer auch an seine Athleten von der LG Braunschweig weiter. Und er freut sich über deren Erfolge, liebt die Wettkämpfe, die Leichtathletik und den Sport insgesamt. Dafür gibt er fünf bis sechs Stunden in der Woche Training, die mit rund drei Stunden vorbereitet werden müssen. Denn es geht um das Herausarbeiten und Fördern der individuellen Stärken. „Die eine trainiert für den Mehrkampf, der andere spezialisiert sich aufs Springen oder Werfen und so weiter“, sagt er. Dazu kommen Wettkämpfe am Wochenende, Trainingslager, die Jahresplanung der Abteilung seines Heimatvereins Grün-Weiß Waggum, die Koordination der Trainingszeiten und die Begleitung der Kader-Athleten. 

„Das Gefühl, denen etwas mitgegeben zu haben, sowohl sportlich als auch menschlich, das ist sehr schön."

Der Antrieb und die „Gegenleistung“ für diese zahllosen aufgewendeten Stunden sind diese schönen Momente, die nur der Sport liefern kann. „Wenn ich zum Beispiel sehe, wie mein sportliches Konzept aufgeht und die Athletinnen und Athleten erfolgreich sind, das macht auch mich glücklich.“ Schwanbeck sieht sich aber nicht nur als Trainer, sondern auch als Partner der Jugendlichen. „Für Dinge wie Ernährung, Regeneration, Schule und Lebenspläne habe ich immer ein offenes Ohr", sagt der Diplom-Psychologe, der seine Athletinnen und Athleten ganzheitlich fördern möchte - wenn diese es wünschen. Darüber hinaus sind es die Gemeinschaftsmomente, die Schwanbeck so viel geben. „Etwa im Trainingslager in Italien“, sagt er. „Wir laufen den Strand rauf und runter, machen uns einen schönen langen Abend und am nächsten Tag trotzdem wieder 5 Stunden Training. Das sind wunderbare Erlebnisse als Gruppe, daran erinnere ich mich mit 80 noch.“

Ein anderer Faktor ist sozusagen der gemeinsame „Werdegang“: Bis zu 15 Jahre begleitet er „seine“ Athleten. „Die kommen als Kind zur Leichtathletik und trainieren bei mir, bis sie über 20 sind. Das Gefühl, denen etwas mitgegeben zu haben, sowohl sportlich als auch menschlich, zusammen Erfolge zu feiern oder sie auch wieder aufzubauen, das ist sehr schön.“

Fight für den Frauenfußball

Das EM-Endspiel des DFB-Damennationalteams gegen England im August war 2022 die meistgesehene Sendung im deutschen Fernsehen. Für Melanie Pforr hat das gute Folgen: Die Spartenleiterin Fußball beim 1. FC Wolfsburg gründete im Sommer eine C-Juniorinnen-Mannschaft, das sind die unter 15-jährigen. „Nun stehen manchmal über 20 Mädels auf dem Platz zum Trainieren“, freut sie sich. „Der Zulauf ist groß, im kommenden Sommer gibt es vermutlich ein C- und ein B-Juniorinnenteam.“

1. FC Wolfsburg
Melanie Pforr gibt viel Zeit und Herzblut für den Fußball. „Am schönsten ist die Dankbarkeit der Menschen, mit denen ich zusammenarbeite", sagt sie.

Die blonde Wolfsburgerin ist Fußballerin durch und durch. Sie organisiert nicht nur die Fußballabteilung, sondern ist aktive Spielerin in der Frauenmannschaft des Vereins. Nebenher war sie auch noch Schatzmeisterin des Vereins und trainiert den Nachwuchs. Das ist eine Menge Arbeit, viele Stunden, aber der Spaß am Fußball ist für Pforr ein überragender Antrieb. „Deshalb ist es am schönsten, wenn ich die Dankbarkeit der Menschen spüre, mit denen ich zusammenarbeite“, sagt sie. Vom Kreisfußballverband Wolfsburg wurde Pforr für ihre ehrenamtliche Arbeit bereits ausgezeichnet.   

„Wir wollen nach dem VfL der erste Anlaufpunkt für junge Mädchen werden.“

Doch entscheidend geändert hat sich an der Situation beim Frauenfußball noch nicht so viel. Der ist in Wolfsburg zwar größer als anderswo, aber „es konzentriert sich schon sehr auf den VfL Wolfsburg“. Verständlich, der VfL gehört mit seinen Top-Spielerinnen wie Alex Popp und Lena Oberdorf in Deutschland und Europa zu den ersten Adressen im Damenfußball. Im Breitensport allerdings müsste noch einiges passieren. Gesteigertes Interesse von Medien und Sponsoren an ihrem Verein nimmt sie nicht wahr. So kämpft Melanie Pforr Woche für Woche nicht nur auf dem Platz. „Ich möchte, dass die Frauen-Sparte in unserem Verein weiter wächst und in der Umgebung, nach dem VfL Wolfsburg, der erste Anlaufpunkt für junge Mädchen wird.“

Sport und Demokratie gehören zusammen: Leon Bischoff

Leon Bischoff ist total aufgeregt, als er am 4. Juni 2019 im Braunschweiger Dom steht. Als bei der Preisverleihung des Jugendpreises des Braunschweiger Doms dann auch noch sein Name fällt, kann er es kaum glauben. Dabei hat Bischoff den Preis wirklich verdient. Denn der inzwischen 27-jährige, groß, kräftig, blond, engagiert sich überall, so scheint es.

Neben seiner Ausbildung beim Zoll in Braunschweig unterstützt er den Stadtjugendring Wolfenbüttel und die dortige Sportjugend, setzt für die Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport als Abteilungsleiter in Wolfenbüttel großartige Projekte um und „dient“ dem Wolfenbütteler Schwimmverein von 1921 e.V. als Vorstandsvorsitzender. 

privat
Für Leon Bischoff gehören Sport und Demokratie untrennbar zusammen.

Eines der vielen wichtigen Projekte im vergangenen Jahr, an denen Bischoff mitgewirkt hat, war ein Basketball-Event der Freiwilligenagentur, ein wichtiges Puzzleteil zum Thema Integration und Gewaltprävention. „Wir wollen damit Menschen in Verbindung bringen und ein Miteinander in demokratischen Regeln einüben. Sport ist hierfür nur das Medium“, sagt Bischoff, „mit einem Ball kann jeder etwas anfangen.“ Eine solche, selbst Sprachen, Religionen und Kulturen überbrückende Kommunikation, könne eigentlich nur der Sport leisten“, ist er sicher.

„Wir wollen Menschen in Verbindung bringen und ein Miteinander in demokratischen Regeln einüben."

Auch wenn er etwas für andere organisiert, bekommt Bischoff ganz viel zurück: „Ich habe die Chance, unterschiedlichste Leute kennen zu lernen und Situationen zu erleben, die man sonst nicht erleben würde. Für mich sind die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sport eine hervorragende Schule, was Persönlichkeit und Selbstbewusstsein betrifft.“

„Für mich sind die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sport eine hervorragende Schule, was Persönlichkeit und Selbstbewusstsein betrifft.“

Aber es gibt auch Herausforderungen. „Das Ehrenamt wird zunehmend unattraktiv angesichts der Aggressivität in der Gesellschaft“, betont Bischoff mit einem Stirnrunzeln. „Ausfälle gegen Fußball-Schiedsrichter nehmen beispielsweise zu, die sind oft nicht im Fokus der Wertschätzung. Die machen in den Augen anderer nur Fehler.“

Daher brauche es so etwas wie den Jugendpreis als Anerkennung. Aber es sollte noch viel mehr davon – in welcher Form auch immer – für andere ehrenamtlich Tätige geben, fordert er. Denn es seien immer Ehrenamtliche, die mit den Herausforderungen im Vereinssport zu tun haben: Hohe Energiekosten, drohender Mitgliederschwund in der Wirtschaftskrise, Flüchtlingsunterbringung in den Hallen und vor allem: Bürokratie. „Ehrenamtliche kriegen ganz schön was ab“, sagt Leon Bischoff.

Der Meeresgott aus Salzgitter

Ein Ostersonntag, es ist schon wieder dunkel. Daniel Kehe sitzt zweieinhalb Meter unter der Wasseroberfläche des kalten Salzgittersees und sieht: nichts. Gleich werden andere Vereinsmitglieder der Tauchgemeinschaft Sepia über ihm einen Kreis bilden, mit Fackeln in der Hand. Und auf ein Signal hin wird Kehe, verkleidet als Meeresgott Poseidon, aus dem See auftauchen. Es gibt ein Feuerwerk, die Leute am Ufer jubeln und klatschen. Es ist ein schönes Ritual, dieses Fackelschwimmen, das den Frühling und die Tauchsaison zugleich anlocken soll.

Ein Mann im Kostüm eines Meeresgottes. André Kugellis
Daniel Kehe ist seit rund 18 Jahren als Meeresgott Poseidon die entscheidende Figur beim Fackelschwimmen.

Knapp zwanzig Mal ist Daniel Kehe schon als Poseidon aufgetaucht, „den Job werde ich nicht mehr so schnell los“, lacht er. Dabei wäre es langsam mal Zeit, einen Nachfolger zu finden. Kehes Vater gründete die TG Sepia, der Sohn bringt sich voll ein in den mit rund 220 aktiven Mitgliedern verhältnismäßig großen Tauchverein, auch in der Organisation von Tauchunterricht für Mitglieder und Schnupperkursen und dem beliebten Tauchcontainer beim Stadtfest. Es gibt sogar Apnoe-Kurse, die ein Team aus Trainern und Tauchlehrern der TG Sepia anbietet. Hier heißt es dann: Luft anhalten.

„Es ist die totale Ruhe, man hört nur den eigenen Atem.“

Daniel Kehe über die Faszination Tauchen

Über allem ist es natürlich das Tauchen selbst, was Kehe am meisten Freude bereitet. „Während des Tauchgangs ist man eine Stunde total bei sich. Es ist die totale Ruhe, man hört nur den eigenen Atem und ist wie schwerelos.“ Dieses Erlebnis mit dem Tauchpartner dann zu teilen, sei grandios. Für das gute Fortbestehen des Vereins brauche man aber Nachwuchs, der Verantwortung übernimmt. Etwa eine Tauchlehrerausbildung macht. Oder den Meeresgott spielt. Denn was die TG Sepia in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat, ist beachtlich: Inzwischen kommen rund 5000 Besucher Ostersonntags zum Ufer des Salzgittersees, um Poseidons Erwachen zu feiern.    

André Kugellis
Stimmungsvoll: Die Ankunft des Poseidon am Ostersonntag aus dem kalten Salzgittersee wirkt manchmal sogar mystisch.