Ein Besuch der Rennbahn in Bad Harzburg lohnt sich in diesen Tagen. Am Freitag (21. Juli) startet die Harzburger Galopprennwoche. Es wird die 138. Auflage dieser Traditionsveranstaltung: Bei (hoffentlich) bestem Sommerwetter wird es wieder erstklassigen, spannenden Reitsport, gute Unterhaltung und viel Spaß für die ganze Familie geben – und natürlich gehört auch ein bisschen Zocken am Wettschalter dazu. An sechs Renntagen gehen bei 52 Rennen rund 500 Pferden an den Start. „Wir erwarten insgesamt mindestens 50.000 Besucher und einen Wettumsatz von deutlich mehr als einer Million Euro“, erklärt mir Wilhelm Baumgarten, Vize-Präsident des Harzburger Rennvereins, der 1880 gegründet worden ist und zu den ältesten Rennvereinen Deutschlands zählt.
Galopprennwoche in Bad Harzburg
Reitsport auf Deutschlands schönster Rennbahn
Ein bisschen Zocken am Wettschalter gehört dazu
Als gebürtiger Harzburger kenne ich die Rennbahn seit meiner Kindheit. Seitdem besuche ich die Renntage oft. Ich habe zwar noch immer kaum Ahnung von Pferden, aber inzwischen gelernt, dass das schönste Pferd nicht immer das schnellste ist. Ich wette trotzdem. Weil es Spaß macht. Bei der Vorstellung der Pferde vor einem Rennen im sogenannten Führring habe ich die Qual der Wahl. Bei einem Mindesteinsatz von einem Euro ist das Risiko begrenzt, die Gewinnchancen allerdings auch. „Viele Besucher wetten, weil es Spaß macht und sie einfach dabei sein wollen“, meint Baumgarten. Und sie sind stolz, wenn sie mal einen Gewinn machen.
Ein Rennfest für die ganze Familie
Die Harzburger Naturrennbahn ist, nachdem sie vor einigen Jahren komplett saniert wurde, in bestem Zustand. Sie liegt mit ihren vielen Wiesen und alten Eichenbäumen malerisch vor dem Hintergrund der Harz-Berge und ist für Baumgarten „die schönste Rennbahn im Lande“. Die Besucher kommen nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland. Denn nur Bad Harzburg veranstaltet neben Baden-Baden und Hamburg jedes Jahr eine volle Rennwoche. „Da kommt der ganze Branchentross“, erzählt Baumgarten. Gestütsleiter, Trainer und professionelle Galoppsportfans, die keines der großen Meetings in Deutschland verpassen.
„Wir sind dennoch ein familiäres Rennfest und wollen es auch bleiben“, betont der Veranstalter. Hier werden zwar auch – wie bei großen Rennen üblich – modische Hut-Kreationen getragen, die meisten setzen aber auf „leger“ und treffen sich auf der Wiese vor den beiden Tribünen zum Rennpicknick. Außerdem gibt es ein buntes Rahmenprogramm, das vom Ponyrennen für Kinder über ein Krimidinner („Der Teufel der Rennbahn“) bis zum Open-Air-Konzert (dieses Mal unter anderem mit Vanessa Mai, Stefanie Heinzmann und Glasperlenspiel) reicht.
Ohne das Gestüt gäbe es keine Rennwoche
Während einer Rennwoche sind die Pferde im benachbarten Gestüt untergebracht. Es ist eine historisch gewachsene Partnerschaft. „Ohne das Gestüt gäbe es die Rennwoche nicht“, sagt Baumgarten. Deshalb war im vergangenen Jahr in Bad Harzburg die Sorge groß, als bekannt wurde, dass die Nord/LB als Betreiber das Gestüt nach mehr als 50 Jahren verkaufen wolle. Nach schwierigen Verhandlungen mit der Landesregierung ist eine regionale Lösung gefunden worden. Das Land als Eigentümer der Liegenschaften, zu denen auch 63 Hektar Weiden und Wiesen gehören, wird das Gestüt komplett auf seine Kosten sanieren und dann an die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz übergeben. Die wird das Gestüt an die neue Gesellschaft Gestüt Bad Harzburg GmbH verpachten, die wiederum vom Rennverein, von der Stadt Bad Harzburg und von einigen Harzburger Bürgern gegründet wurde. Das scheint mir unter regionalen und historischen Aspekten eine gute Lösung zu sein.
Die älteste Vollblut-Pferdezucht Deutschlands
Das Gestüt gehört zur Kulturgeschichte des alten Braunschweiger Landes. „Wir passen ideal zusammen“, meint Stiftungsdirektor Tobias Henkel. Das Gestüt ist 1413 vom Braunschweiger Herzog gegründet worden und vermutlich das älteste Gestüt in Deutschland. Für die Stiftung (1569 gegründet) als neuer Eigentümer spricht für Henkel auch, „dass wir viel Erfahrung in der Verwaltung von großen Liegenschaften haben“. Der Stiftung gehören Klöster (Walkenried), Kirchen (Kaiserdom in Königslutter) und einige große Güter.
Bei einem Rundgang über den derzeit stillgelegten Hof sehe ich, dass einiges saniert werden muss. Henkel nennt den Zeitplan: „Bis zum Herbst wird der Investitionsbedarf ermittelt.“ Dann soll auch festgelegt werden, welche der Gebäude künftig für den Gestütsbetrieb gebraucht werden und welche anders genutzt werden können. „2019 wird es hier wieder einen funktionierenden Betrieb geben“, prognostiziert der Stiftungsdirektor.
Adlerflug – so heißt einer der erfolgreichsten Deckhengste Deutschlands
2019 wird der Deckhengst Adlerflug an den Hof zurückkehren. Derzeit wird er noch beim renommierten Gestüt Schlenderhan „geparkt“. „Adlerflug ist die wirtschaftliche Basis des künftigen Betriebes“, erklärt mir Baumgarten. Adlerflug ist nicht irgendein Pferd im Galopprennsport. Er hat 2007 das deutsche Derby gewonnen. Seitdem hat er Hunderte von Nachkommen gezeugt, allein 72 in diesem Jahr. Etliche haben inzwischen große Rennen gewonnen. Baumgarten: „Adlerflug ist einer der erfolgreichsten Deckhengste in Deutschland.“ Deshalb beträgt der Preis für einen „Decksprung“ inzwischen 12.000 Euro. Der Hengst ist 13 Jahre alt, kann aber noch einige Jahre eingesetzt werden. Das Gestüt will aber zur wirtschaftlichen Absicherung noch weitere Deckhengste und Zuchtstuten kaufen und zugleich in das Geschäft mit Pensionspferden intensivieren.