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Nilla Fischer:
Wolfsburgs hungrige Schwedin sammelt Trophäen

Ich erinnere mich noch an unser internationales Vertriebsmeeting in Offenbach. Es war Oktober 2011 und ich arbeitete bei einer Firma namens P-Sports in der Schweiz, die die Lizenz für die Marke Pelé Sports inne hatte. Wir stellten unter anderem Fußballschuhe für Frauen her. Bei dem Meeting traf ich das erste Mal auf Nilla Fischer. Sie war Testimonial bei unseren schwedischen Kollegen und dort ein großer Star. Zum Interview traf ich sie jetzt beim VfL Wolfsburg und sprach mit ihr über ihre imposante Karriere mit vielen Titeln.

Nilla Fischer Von den Jungs gelernt

Nilla Fischer ist fünf Jahre alt als ihre Mutter sie zum Spielplatz im Heimatort Verum mitnimmt. Sie spielte Fußball und Tischtennis und entschied sich für den größeren Ball. Sie fing in einem Jungenteam des Verums GOIF an und spielte dort bis zum 12. Lebensjahr. Dann durfte sie dort nicht mehr spielen. Bereits zwei Jahre vorher hatte sie allerdings parallel in einem Mädchenteam gespielt. Mit 13 Jahren wechselte sie dann zum Vittsjö GIK in die Division 2 (dritthöchste schwedische Liga) und begann ihre Laufbahn im Mittelfeld. In der Saison 2000/2001 wechselt die damals 16-Jährige zum Kristianstad/Wä DFF in die höchste Liga und wurde Nationalspielerin. Im Frauenbereich wechselt sie auch ihre Spielpositionen: von der Mittelfeldspielerin zur Außenverteidigerin bis hin zum Libero.

 

Das Elternhaus hinter sich gelassen

Nilla Fischer muss in dieser Zeit schnell erwachsen werden. Sie zieht nach Kristianstad in eine eigene Wohnung und geht dort zur Schule bis sie ihr Abitur in der Tasche hat. Ihr neuer Lebensmittelpunkt ist gut 45 Minuten vom Heimatort Verum entfernt. Im Sommer 2003 schließt sie die Schule ab und wechselt zum Topklub Malmö FF/LdB FC. Der Kader ist stark besetzt, das junge Talent erkämpft sich aber trotzdem direkt einen Stammplatz. Sie wird mit Malmö 2010 und 2011 schwedischer Meister und bleibt bis 2011 ein wichtiger Eckpfeiler im Team, ehe sie sich entscheidet, zu Linköpings FC zu wechseln. Dort bleibt sie für zwei Spielzeiten, ehe in ihr der Drang zu einem Auslandswechsel stärker wird.

2011 erstmals in Wolfsburg gespielt

Im Sommer 2011 findet die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland statt; Wolfsburg mit der Volkswagen Arena ist Spielort. Ich bin ein großer Fan des Frauenfußballs und besorge mir Karten, um live alle Spiele im Stadion zu sehen. Beim Auftritt von Nilla Fischer am 6. Juli 2011 bin ich auch im Stadion und schaue mir das Spiel zwischen Schweden und den USA an. Die Skandinavierinnen sind stark und gewinnen am Ende mit 2:1. In einem guten WM-Spiel führte Nilla Fischer die schwedische Mannschaft als Kapitänin aufs Feld. Zur Saison 2013/2014 wechselte die großgewachsene Schwedin schließlich zum VfL Wolfsburg.

„Der VfL war damals schon sehr erfolgreich“, erzählt sie über die ersten Gedanken nach Wolfsburg zu wechseln und ergänzt, „ich habe mit Trainer Ralf Kellermann gesprochen. Er gab mir das Gefühl, dass ich zur Stammspielerin werden kann.“ Kellermann setzte sie nach ihrem Wechsel in der Innenverteidigung ein, wo sie seitdem zur festen Größe im Team geworden ist und starke Leistungen erbringt. Eine Position, die sie zuvor nur eine Saison in der Nationalmannschaft gespielt hatte, weil sie dort die größten Chancen auf einen Stammplatz hatte.

 

Seit 2013 eine titelhungrige Wölfin

Ihren ersten Tag verbringt sie nicht an neuer Wirkungsstätte in Wolfsburg, sondern im Trainingslager in Österreich. Als sie mit der Mannschaft zurück nach Wolfsburg kommt, checkt sie für die erste Zeit im Hotel ein. Da sie noch keinerlei Deutschkenntnisse hat, unterstützen sie vor allem ihre Mitspielerinnen. „Viola Odebrecht, Nadine Kessler, Josephine Henning und Almuth Schult haben ins Englische übersetzt und mir so geholfen, das deutschsprachige Training zu verstehen“, erklärt die 33-Jährige.

Nachdem sie insgesamt drei Jahre Deutschunterricht und in ihrer Mitspielerin und Zimmerpartnerin Almuth Schult eine gute Lehrerin hatte, spricht sie sehr gut Deutsch und führt auch unser Interview größtenteils auf Deutsch. Ihre Lieblingswörter sind „echt“ und „doch“, erklärt sie lachend.

 

Win-Win- Situation

Nilla Fischer schwärmt vom VfL Wolfsburg; für sie ist unter anderem die Organisation im Umfeld sehr professionell. Mit ihrem Wechsel zum VfL Wolfsburg beginnen zudem die erfolgreichsten Spielzeiten in der Vereinsgeschichte. In der Saison 2012/2013 holte die Mannschaft von Trainer Ralf Kellermann gleich zum ganz großen Wurf aus und gewinnt das Triple. Nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft folgte der DFB-Pokalsieg und am 23. Mai 2013 im Finale der UEFA Women’s Champions League in London gelang den Wölfinnen dann die Überraschung.

Die europäische Spitzenmannschaft Olympique Lyon ging als haushoher Favorit ins Spiel und unterlag dem VfL Wolfsburg völlig überraschend mit 0:1 durch ein Tor von Martina Müller. Ich kann mich noch sehr gut an das Spiel erinnern, da ich mir das Finale damals im Fernsehen anschaute und eine aufopferungsvoll kämpfende Wolfsburger Mannschaft sah, die spielerisch den Französinnen unterlegen war. Der Sieg war eine Sensation, denn die Wölfinnen spielten ihre erste Saison in der Königsklasse.

Emotionale Erfolge mit dem VfL Wolfsburg

In der darauffolgenden Saison 2013/2014 konnte der VfL zwei weitere Titel einfahren. Das Finale in der UEFA Women’s Champions League und das letzte Saisonspiel in der Bundesliga, als es um die Deutsche Meisterschaft ging, nennt Nilla Fischer auch die „emotionalsten Erfolge mit dem VfL.“ Nicht ohne Grund, denn im Finale der UEFA Women’s Champions League-Finale in Lissabon lag der schwedische Vizemeister Tyresö FF bereits mit 2:0 vorne. Am Ende gab es nach einer Aufholjagd in einem dramatischen Spiel einen knappen 4:3 Sieg für die Wölfinnen und somit die Titelverteidigung in diesem Wettbewerb. Das hatte zuvor kein anderes Team geschafft.

Beim letzten Bundesliga-Punktspiel empfing das Team vor 12.464 Zuschauern im VfL-Stadion am Elsterweg den amtierenden DFB-Pokalsieger 1. FFC Frankfurt. Nur mit einem Sieg konnte Wolfsburg noch auf den ersten Platz vorrücken. Und es wurde wieder dramatisch. Bis kurz vor Schluss war Frankfurt durch ein spätes 1:1- Ausgleichstor auf Titelkurs, ehe Alexandra Popp noch zum 2:1-Sieg einköpfte. Der VfL Wolfsburg wurde erneut Deutscher Meister.

Besonders kurios war, dass das Team von Ralf Kellermann die gesamte Spielzeit nie auf dem ersten Tabellenplatz stand. Mit der schwedischen Nationalmannschaft gewann Nilla Fischer bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro die Silbermedaille und macht sich auch in der laufenden Saison daran, weitere Titel zu sammeln. Der VfL Wolfsburg ist unter Stephan Lerch, der in seiner ersten Saison als Cheftrainer beim VfL arbeitet, noch im Titelrennen um die Deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und die UEFA Women’s Champions League.

 

Die Erfolge der Frauenmannschaft des VfL Wolfsburg im Überblick:

  • Deutscher Meister: 2013, 2014, 2017
  • DFB-Pokalsieger: 2013, 2015, 2016, 2017
  • UEFA Women’s Champions-League- Sieger: 2013, 2014

Nillas Wolfsburg

Im Sommer 2013 heiratete Nilla Fischer ihre langjährige Lebensgefährtin Maria. Seit Dezember 2017 ist das Paar Eltern eines Sohnes. In der Freizeit verbringt sie viel Zeit mit ihrer Familie. Gern ist sie am Allersee oder im Schlosspark unterwegs und man trifft Nilla Fischer im Superleggera, wo sie beim Kaffeetrinken auch schon häufiger Mal von den Fans erkannt wird. Sie ist in Wolfsburg sicherlich mit die bekannteste und auffälligste Spielerin; zum einen durch ihr äußeres Erscheinungsbild, zum anderen aber auch durch ihre konstant guten Leistungen als Kapitänin. Die Binde übernahm sie in der Saison 2015/2016 von Nadine Kessler, deren Stellvertreterin sie war.

Auf die Frage, wie sie Wolfsburg in ihrer Heimat vorstellt, sagt sie: „Man spürt überall die große Bedeutung von Volkswagen und die hohe Identifikation mit dem VfL. Von der Größe und Einwohnerzahl ist die Stadt vergleichbar mit Linköpings. Ich finde es sehr gut, dass es etwas kleiner und übersichtlicher ist. Man hat hier alles, was man zum Leben braucht. Die Wolfsburger sind unglaublich freundlich, wir fühlen uns wirklich sehr wohl hier.“ Bei aller Wertschätzung für Wolfsburg freut sich Nilla Fischer jedoch auch immer wieder auf ihre Heimat. Im Sommer und Winter geht es mit dem Auto nach Schweden, zwölf Stunden fährt sie bis nach Hause.