Nachbarschafts-Duell im DFB-Pokal, blaugelb gegen grünweiß, Flutlicht. Stimmungsvoller geht es kaum. Malte Schumacher und Kay Rohn berichten über eine Derby-Diskussion, ein heißes Match – und entlocken Eintrachts „altem“ Publikumsliebling Benny Kessel vor der Kamera eine Einschätzung vor dem Spiel.
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Stadionfunk Eintracht Braunschweig:
Der Nachbars-Junge ist wieder da
Malte Schumacher:
Die Derby-Diskussion
Die Braunschweiger Zeitung hat heute mehrere Seiten gefüllt mit dem Pokalspiel am Abend. Klar – dieses Spiel ist ein echtes „Thema von regionalem Interesse“. Und natürlich machen sie dabei auch wieder das Fass auf, das „Derby-Diskussion“ heißt. Dazu zitiere ich mich gerne mal selber (Aus „Für die 1. Liga – BTSV; Spieltage-Buch der Bundesliga-Saison 2013/14 von Eintracht Braunschweig“): „Es ist dies ein Nachbarschafts-Derby. Aber eben nicht DAS Niedersachsen-Derby.“ Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Bezug war damals der 15. März 2014, das Bundesliga-Duell daheim, Endstand 1:1.
David gegen Goliath
Das nächste Heimspiel gegen die „Radkappen“ gab’s dann am 29. Mai 2017, das Relegations-Rückspiel, Endstand 0:1. Nach meiner Logik sind wir also heute dran mit einem Heimsieg. David gegen Goliath, Eintracht gegen das „dicke“ Nachbars-Kind – der Blick auf transfermarkt.de ist eindeutig: Gesamt-Marktwert Kader VfL Wolfsburg: 213,40 Millionen Euro; Gesamt-Marktwert Kader Eintracht Braunschweig: 11,33 Millionen Euro. 200 Mios mehr – alter Schwede. Aber: Geld schießt keine Tore – außer Du kaufst Lewandowski oder Haaland…
Das Nachbars-Kind hat alles
Ich denke, jeder von uns kennt diesen Typus „dickes Nachbars-Kind“ – das sind diejenigen, die beides hatten: ein Bonanza-Rad und das neuste Kettcar. Das sind diejenigen, die in der Schule immer die ganz dicken Stullen dabei hatten – die aber auch gerne mal Hilfe brauchten (Zitat vom Wolfsburger Ultrá-Banner im März 2016: „Blau Gelbe Schweine seht es ein. Wir werden auf ewig hinter uns bleiben.“ Hä?).
Daumen hoch für unseren Trainer!
Meine Gedanken aber sind bei Brian Behrendt, der nicht spielen und lange ausfallen wird – das tut uns weh. Danilo Wiebe hat ihn gegen Magdeburg grandios ersetzt, das gibt mir Hoffnung für heute. Ich schlendere gegen 18.00 Uhr los – gestern um diese Zeit habe ich beim Radeln Trainer Michael Schiele vor dem Restaurant „Rokoko“ im Bügerpark gesehen. Anhalten und vollquatschen ist nicht so mein Ding – meinen hochgereckten Daumen aber hat er mit einem Lächeln entgegen genommen. Ich mag unseren Trainer sehr, er hat mich längst überzeugt mit seiner guten Artbeit.
Ob Sieg, ob Niederlage – noch völlig offen ist die Frage…
Am Stadion angekommen, bitte ich zunächst Knut darum, eine kurze Spiel-Prognose in meine Kamera zu quatschen. Puh, drei oder vier zu null – Knut geht hoch ran. Der sehbehinderte Wolfgang ist ähnlich optimistisch: 2:0. Sein Begleiter Hoffi quält sich mit meiner Tipp-Frage und sagt dann: „Die sind zu stark für uns, 0:1“. Ähnlich sieht das Rolli-Fahrer Sven: „1:2, so leid es mir tut – kuck‘ Dir mal deren Einzelspieler an…“. Vater Ronny ist sich sicher: „1:1 nach 90 Minuten, dann Verlängerung“.
Und was meint die zufällig in unsere Runde geratene Ingeborg aus der Lokal-Redaktion der Braunschweiger Zeitung? „Nee, keine Verlängerung – ich will pünktlich nach Hause: 3:1 für Eintracht“. Bianca und Micha aus unserem Fanclub sind auch schon da – und sie geben mir und meiner Kamera gerne einen Einblick in ihre Einschätzung des Abends.
Ehestreit oder Derby? Bianca und Micha vom Fanclub Bewegung 18. Mai
Fast wie einst Maradona
Rund um das Stadion ist schon mächtig was los: kaum ein Durchkommen auf der Rheingoldtraße, Menschenmassen am Haupteingang und viel Trubel vor der „Wahren Liebe“. Wird wohl ausverkauft sein das Spiel – logisch nach unserer Serie zuletzt: 14 Punkte aus sechs Liga-Spielen ohne Niederlage. Da hat sich ein Team entwickelt, das unbedingt den schlechten Saisonstart ausbügeln und eine gute Rolle in der Zweiten Liga spielen will. Und wir haben zum ersten Mal seit ich denken kann einen Spieler dabei, der mich mit seinen Fähigkeiten an meinen ewigen Helden Diego Armando Maradona erinnert: Immanuel Pherai.
Benny Kessel, Vizepräsident Fußball bei Eintracht Braunschweig, über die Chancen der Löwen im Pokalspiel gegen Wolfsburg.
Pyro-Manie in der Nordkurve
Die Wolfsburger Nachbarn im Gästeblock zündeln und schießen Raketen unmittelbar vor dem Anpfiff – die Farbe rot dominiert dabei. Was aber hat rot mit Wolfsburg zu tun? Hmm ja, ist auch eine der Stadtwappen-Farben – aber die Frage bleibt: Waren die grünen Leuchtraketen ausverkauft? Oder hat Mutti die roten heute morgen rausgelegt, weil sie weg müssen? Egal – wir zeigen unsere blau-gelben Schals und besingen unsere Mannschaft.
Fast das 1:0 durch Kaufmann
Sofort nach dem Anstoß hat Fabio Kaufmann drüben vor dem Pyro-Block eine fette Chance – ein Wolfsburger aber bekommt noch seinen Fuß dazwischen. Schade. Den Klassenunterschied sieht man nicht wirklich in der Anfangsphase. Wolfsburg hat sicherlich die stärkeren Einzelspieler (Baku, Nmecha, Arnold) – aber wir stehen trotz der Umstellungen gut. Bis wir einen Freistoß nicht gut geklärt kriegen und Svanberg auf rechts durchbricht in den Strafraum und Jassi zu allem Übel auch noch tunnelt. Goliath liegt also früh (8. Minute) in Führung. Und wir holen Bier. Mist, lange die Null zu halten war meine Hoffnung.
Kay Rohn:
Die (Fußball-)Nachbarn, die sich nicht lieben
Vor uns in der Reihe zaghafte Wolfsburger Anhänger. Der verhaltene Torjubel verrät die Sympathien Einzelner auf der Tribüne. Im Gästeblock aber muss eine Sylvesterladung Pyro wohl unbedingt abgefeuert werden. Viele Wolfsburger bemühen sich, besonders laut zu sein, als wenn sie sich selbst etwas beweisen müssten: „Wir sind genauso autarke Fans wie ihr.“ Mir ist das fremd, gerade in diesen Zeiten, sich in so albernen Zwistigkeiten aufzureiben.
Nein, lieben tun sich die grün-weißen und blau-gelben Anhänger wirklich nicht. Wie im Comic muss dann auch eine Einsatzgruppe der Polizei zwischen den Gästefans und eingeschworenen blau-gelben Gruppen in der Nordkurve Position beziehen und von dort das Spiel und die Anhänger verfolgen. Eskalation, Drohgebärden zwischen Nachbarn in der Region. Ich muss es wohl nicht verstehen oder fehlt mir das Verständnis. Freunde von mir fahren morgens nach Hannover oder Wolfsburg zur Arbeit. Da wird mal gefrotzelt, aber das ist es dann auch schon. Mit Magdeburg geht das nachbarschaftliche Verhältnis schon besser.
Malte Schumacher:
Pherai muss raus
Und nun? Überrollen sie uns mit ihrem teuren Kader? Nö. Schultz kommt nach einer Ecke zum Kopfball – drüber. Kurz danach klärt er stark in unserem Sechzehner. Dann Wiebe mit einem Aussetzer, zum Glück klärt er das noch selber. Hmmm, Licht und Schatten. Eine eingespielte Abwehr-Formation ist das nicht bei uns, klar. Dann Aktivitäten an unserer Bank – warum? Oh je – Pherai muss raus, er war wohl leicht angeschlagen ins Spiel gegangen. Ihorst kommt für ihn.
Multi trifft zum Ausgleich!
Noch eine Umstellung – trotzdem halten die Jungs sich gut. Micha will vor der Pause noch Bier holen – warte doch mal. Gerade gesagt, spielt Wiebe einen langen Ball nach vorne auf Multhaup, der nimmt den super mit und sieht, dass Casteels sehr weit vor dem Tor steht. Lupfer, Tor, Ausgleich, Bierdusche. Hurra! Fast im Gegenzug das 1:2 durch Wimmer – nein, Abseits, Danke. Halbzeit-Pause, mal raus aus dem vollen Block. Unten vor Block 6 steht ein Rettungswagen – muss ich mir Sorgen machen um jemanden?
Kay Rohn:
Mario Gomez und die Schlachtgesänge
Maximilian Arnold ist der neue Mario. Nachdem er einmal etwas zu lange auf dem Rasen einen vermeintlich unfairen Zweikampf zelebriert, ist er sofort Zielscheibe der Südkurve. Mit Gesängen, die an das Relegationsspiel vor einigen Jahren und an Mario Gomez erinnerten, wurde sein Gang bei der Auswechslung zurück zur Ersatzbank hämisch begleitet. Ein Nachbar vergisst nie…
Malte Schumacher:
You’ll never walk alone
In der 77. Minute kommt „Torfabrik“ Ujah, und irgendwann fängt die Kurve an, „You’ll never walk alone“ zu singen, als Anerkennung der großartigen Leistung und Aufmunterung für den kleinen David, der sich weiterhin gegen Goliath stemmt und sogar Chancen hat, zum Ausgleich zu kommen. Die Blau-Gelben werfen alles nach vorne, Lauberbach köpft vorbei, wir schreien und singen und hüpfen – Kaminski hat beim Konter das sichere 1:3 auf dem Fuß – aber daneben. Schlusspfiff. Ernüchterung. Pokal-Aus in Runde zwei. Kennen wir. Sofort aber setzen Klatschen und Gesänge ein – wir feiern unser Team für seinen großartigen Auftritt. Und wir danken unseren Löwen – sie haben die dicken Nachbars-Kinder mächtig geärgert heute.
Kay Rohn:
Güteklasse erreicht!
Wie sagte Benny Kessel? Eine Entwicklung ist erkennbar? Rein sportlich und in der Aufstellung als Team ist eine Menge passiert bei unserer Mannschaft. In der Abwehr ist mit den Neuzugängen Stabilität und auch eine neue, der Liga adäquate Qualität vorhanden. Die letzten Spiele und gerade auch das Magdeburgspiel haben gezeigt, dass wir auf Augenhöhe in der zweiten Liga angekommen sind. Die Souveränität in der Abwehr gibt den Reihen davor die Sicherheit, die sie brauchen. Von Schnelligkeit, Kreativität bis hin zu Durchschlagskraft findet sich alles wieder, auch Umschaltspiel, Pressing und Zweikampfstärke.
Dazu zwei Torhüter, die mit unterschiedlichen Stärken, leistungsmäßig auf einer Höhe sind. Ein Kader, der sehr aufmerksam und umsichtig entwickelt wurde, übrigens auch durch Datenscouting. In Magdeburg konnte die Verletzung von Brian Behrendt kompensiert werden. Gegen Wolfsburg war ich positiv überrascht, dass die Ausfälle ebenfalls qualitativ ersetzt werden konnten. Uns hätte sicher interessiert, wie eine erste Mannschaft ohne viel Verletzungen gegen den VFL ausgesehen hätte.
Ja, und wenn Fabio Kaufmann 28 Sekunden nach Anpfiff das erste Tor gemacht hätte… Oder die Abwehr bei den zwei Gegentreffern etwas konsequenter in den Zweikampf gegangen wäre. Achja, trotzdem ein schöner Flutlichtabend!