Eine leere Fankurve im Eintracht-Stadion. Kay Rohn

Stadionfunk Eintracht Braunschweig:
Ein unvergessliches Derby

Am Samstag war es mal wieder soweit: Das Derby im Eintracht-Stadion. Eines, das wir nicht so schnell vergessen werden. Ohne Glück, ohne Punkte - und OHNE ZUSCHAUER. Malte Schumacher und Kay Rohn berichten.

Malte Schumacher:

Zeichen setzen

Am Donnerstag war ich zum Arbeiten in der Landeshauptstadt, bei dem großartigen „Icando e.V.“, Verein für Spiel, Sport & Soziale Arbeit, aktuell stolzer Gewinner der Auszeichnung „Stern des Sports in GOLD 2020“. Wir haben drei Stunden an der Zukunftsfähigkeit dieser Initiative gearbeitet – und ich habe die Gelegenheit genutzt, einen unserer Fanclub-Aufkleber an einem Parkverbots-Schild in der Obergstraße zu platzieren, mitten in Hannoi. Möge es sich positiv auswirken…

Ein Verkehrsschild, welches mit vielen Aufklebern zugepflastert ist. Malte Schumacher
Ein blaugelber Fanclub-Aufkleber mitten in Hannover. Vielleicht hilft´s?

Was sagt das Orakel?

Zum Glück bin ich heute mit Robin wieder im Einsatz für das Löwen live-FanRadio der Eintracht – ich muss mich also sportlich-inhaltlich vorbereiten beim Frühstück… Das fängt heute angesichts der Temperaturen und des eisigen Windes aber erstmal mit der Kleidung an: Möglichst dick und warm mummele ich mich ein.

Was orakelt Daniel Mau in der BZ? Dass Behrendt wohl den gesperrten Oumar in der Innenverteidigung ersetzen wird, und Wiebe deshalb in der 4er-Kette rechts agieren wird. Das klingt logisch, so hatte er es mir auch schon im Rahmen des aktuellen BZ-Löwengebrüll-Podcasts am Dienstag prognostiziert, bei dem ich für ein Interview-Gespräch zu Gast war. Na, mal schauen.
 

Ein Derby ohne alles

In der Strapazenbahn dann komme ich endgültig nicht mehr daran vorbei, mich damit auseinanderzusetzen, dass dies ein Derby sein wird ohne Fans, ohne Menschen, ohne Leben drumherum. Ich gondele durch eine fast leere Innenstadt – an einem Derby-Spieltag.
Ich steige am Gesundheitsamt als einziger (!) aus,und gehe auf eine menschenleere Shell-Tanke zu – an einem Derby-Spieltag. Ich stehe einsam vor dem dortigen Gemüseladen und denke an meine Einladung an Daniel im BZ-Gespräch: „Wenn wir gewinnen, trinken wir nach dem Spiel ein Bier im Gemüseladen“…

Eine leere Fankurve im Eintracht-Stadion. Kay Rohn
Stell´ Dir vor es ist Derby - und keiner geht hin.

Einmalige Derby-Szene

Im Stadion mache ich eine einsame Foto-Runde, nur um für immer diese hoffentlich einmaligen Derby-Szenen festzuhalten: Eine komplettt leere Südkurve, ein komplett leerer Gäste-Block – das ist doch Mist. Hoffentlich kommen unsere Jungs irgendwie in den Derby-Modus – wir brauchen drei Punkte heute! Wir sind mittlerweile Vorletzter, und die anderen Blinden unten in der Tabelle fangen langsam an, zu gewinnen.
 

Blau-gelbe Urgesteine…

Von unserem FanRadio-Platz aus erspähe ich unten beim Sky-Interview Bernd Gersdorff – da gehe ich doch gleich mal hin. Mit Gerd Krause steht Bernd da zusammen, Bruder von Wolf-Rüdiger Krause, einem der Meister-Helden von 1967. Na klar, nun werden Anekdoten von damals ausgetauscht – ich grätsche dazwischen und frage sie nach Tipps: „1:1“ sagt Gerd – Bernd erläutert, dass heute aus seiner Sicht alles denkbar ist: Sieg, Unentschieden, Klatsche. Wir einigen uns auf wenigstens ein Unentschieden, und ich klettere vorsichtig die teilweise eisigen Stufen wieder nach oben.

Zwei Männer mit Mundschutz stehen nebeneinander im Stadion. Malte Schumacher
Eintracht-Urgesteine: Gerd Krause und Bernd Gersdorff haben gute Laune.

… und ein roter Brocken.

Auf dem Weg zu meinem Platz ganz oben unterm Dach laufe ich fast in ein Urgestein des Gegners rein: Dieter Schatzschneider. Ich sinniere darüber, ob er wohl den Spielball heute morgen zum Frühstück verdrückt hat – seine Winterjacke kneift etwas an den Hüften. Er verschwindet rasch im Business-Bereich, bevor ich auch aus ihm einen Ergebnis-Tipp herausholen kann. Danach begegne ich Katja Wittfoth ­– die aber tippt nie, sagt sie. Oben ist Robin inzwischen eingetroffen und macht das iPad klar für unseren FanRadio-Stream.


Gersdorff als Co-Moderator

Anpfiff – saukalt ist das hier oben, wegen des Windes. Bernd Gersdorff hat sich auch noch zu uns in die Reihe gesetzt und steigt alsbald in die Diskussion des Spielgeschehens mit uns ein – woraufhin wir den Hörern vermitteln müssen, wem die dritte Stimme gehört. FanRadio-Alltag…
Unten auf dem Rasen sieht es gut aus zu Beginn – Eintracht geht früh drauf, presst, bringt sogar den Ball gut nach vorne. Nach vier Minuten schon eine dicke Chance durch Proschi – meine Anspannung löst sich.

1:0!

10 Minuten später super Angriff, Proschi auf Ben Balla – leider drüber. Geht hier heute wirklich was? Hauen wir die weg? Das wäre schön… In dem Moment macht Ji ein wunderschönes Schlenzer-Tor in die lange Ecke aus 16/17 Metern – 1:0 für uns. Was wäre jetzt hier los, wenn… Ja, wenn alles so wäre wie gewohnt – ist es aber nicht. Ich boxe Robin vor Freude in die Seite, das muss genügen heute. Geil, wir führen im Derby. Hannoi aber kommt langsam in Wallung, na gut, das war zu erwarten. Vielleicht kontern wir sie aus und machen das 2:0.


Zwei Minuten und ein Déjà-vu

Leider Nein – unsere Fehler-Seuche scheint zur never ending story zu werden. In der 33./34. Minute rettet Fejzic erst phantastisch – dann aber steht Sulejmani völlig blank am Fünfer und köpft den Ausgleich. Zwei Minuten später macht Ducksch dann das 1:2 – Ducksch, der immer gegen uns trifft, egal welches Trikot er gerade trägt. Ich bin bedient.

Mich ereilt ein HSV-Déjà-vu wie aus dem Psycho-Lehrbuch – auch da ging es ratz-fatz von Jubel-Trubel 2:0 auf klitsch-klatsch 2:3…

So richtig komme ich nicht mehr in Schwung, Robin und ich konstruieren immer wieder „Was wäre wenn“-Situationen in unser Moderation – wenn jetzt die Bude voll wäre, sie würde brennen. Und vielleicht würde das noch den Ausgleich bringen – der Tempel aber ist leer, und der Schiri pfeift irgendwann ab.
 

Zwei Derby-Klatschen in einer Saison

Das tut weh. Mir ist arschkalt, und meine Laune ist weit unter Null. Nun wird’s immer schwieriger, die Klasse zu halten. Wir müssen mal gewinnen – zwei- oder dreimal am Stück… Aber gegen wen? In Bochum? Wären jetzt die Massen hier, würden wir singen: „…und wenn wir mal am Boden sind, steh’n wir auf und kommen wieder“…

Ich denke an einen klugen Derby-Aufsatz von Professor Markus Bernhardt von der Universität Duisburg-Essen, in dem er daran erinnert, dass auch in der Meistersaison 1966/67 beide Spiele gegen die Landeshauptstadt verloren gingen. Nehmen wir das als ein Zeichen auch für diese Saison auf unserem Weg zum Klassenerhalt…

Kay Rohn:

Machen sich die Verantwortlichen Gedanken?

Samstag, 13 Uhr: Eine kleine Schar mit Maske und 1,5 Meter Mindestabstand trifft sich am Stadion, der freundliche Sicherheitsdienst regelt in bewährter Form den Einlass.
Ich denke in dem Moment schon gar nicht mehr daran, wie es wäre, wenn das Stadion sich jetzt mit Zuschauern füllen würde.

Natürlich wird das Spiel zigtausendfach im TV oder Ticker verfolgt. Wenn sich viele in den sozialen Medien auch fragen, ob die Verantwortungsträger sich im Moment überhaupt Gedanken machen, kann ich beruhigen: Die Gedanken lassen keinen los und alle wollen, dass sich die Zukunft unserer Eintracht zum Besseren entwickelt.

Im Stil einer Jugendmannschaft

So in etwa wären die Kommentare gewesen, wäre es ein Sieg oder Unentschieden geworden.

Und in der Tat, wir hatten Chancen: In der vierten Minute war es ein schnell ausgeführter Freistoß auf der rechten Seite, eine scharfe Flanke parallel zur Torlinie, aber Proschwitz kommt eine Sekunde zu spät. Umso sehenswerter aber das Tor von Neuzugang Ji zum 1:0! Der Junge weiß genau, was er tun will und setzt es entsprechend um.

Zwei Minuten reichen dann aber, um alles im Stil einer Jugendmannschaft wieder einzureißen zu lassen. Beim ersten Gegentor agiert Hannover zu schnell, da wird die Hintermannschaft regelrecht überrumpelt. Das kann passieren.

Aber kurz danach kann Hannover zu einfach durch unsere Abwehrreihen kombinieren und das 1:2 markieren. Wenn ich mir die Szene noch einmal anschaue, erkenne ich keine klare Zuordnung, kein energisches Eingreifen und, das finde ich besonders bemerkenswert, keine Körperspannung bei den Spielern.

Alberne Ausraster

Die kleinen Dinge machen ein Derby aus. Auch das Personal am Seitenrand ist aufgeregter als sonst. In der 7. Minute muss ein Betreuer aus Hannover zurück auf die Bank zu den Reservespielern. Vier sind wohl einer zu viel in der Technischen Zone. Ein Bürostuhl, der neben der Zweierbank am Spielfeldrand stand, muss zur Seite geräumt werden.

Impulsiver wird es in der 61. Minute. Als Zuschauer habe ich nichts wahrgenommen, da marschiert Peter Vollmann auf den Sportdirektor der Hannoveraner zu und hatte scheinbar ein Problem mit ihm. Ob es nun eine Spuckattacke, eine verbale Auseinandersetzung war oder was auch immer. Insgesamt ein kleiner alberner Ausraster, der sicherlich nicht sein muss, aber immerhin etwas Derby-Atmosphäre versprüht.

Drei gute Neuverpflichtungen

Spektakulär, wie ich finde, ist der Transfer von Don won Ji als Leihgabe von Mainz 05. Technisch mindestens eine Klasse besser, aber konditionell nach seiner Verletzung noch nicht wieder voll da.
Von ihm erhoffe ich mir vor allem Spielwitz, Schnelligkeit in der Offensive und auch Tore.

In der Abwehr haben wir zwei gestandene Verteidiger neu im Kader: Diakithé und Behrendt werden uns weiterhelfen.

Wo bleibt unser Kapitän?

Kroos, Proschwitz und Kaufmann ackern richtig und ziehen auch andere mit sich.  Gerade im gegnerischen Pressing haben einige Spieler aber noch große Schwierigkeiten. Natürlich befinden sich viele noch in der Entwicklungsphase, aber sie müssen sich jetzt schnell vom Spielverhalten der gestandenen Profis etwas abschauen. Daran wird auch ein Trainer gemessen. Eine weitere Aufgabe von Daniel Meyer ist es, unseren Kapitän Martin Kobylanski wieder an die Mannschaft heranzuführen. Wir brauchen das Talent von ihm, und zwar nicht zwanzig Minuten, sondern neunzig Minuten.

Wir brauchen Überraschungen, vor allem auf der linken Seite. Warum nicht Yari Otto einfach mal hinten links spielen lassen? Mit Ji zusammen kann das vielleicht eine ganz explosive Mischung geben. Auf jeden Fall brauchen wir auch wieder mutige Entscheidungen und mutiges Denken. Ich glaube, Daniel Meyer kann das.