Ein Eisengittertor, dahinter eine Eintracht-Fahne Malte Schumacher

Stadionfunk Eintracht Braunschweig:
Von Einrenk- und Stürmergöttern

Am Freitag war der SC Paderborn zu Gast im Eintracht-Stadion. Es geht um Schmerz, Glück, Wundertüten und darum, weshalb ein Einrenk-Gott manchmal wichtiger sein kann als Stürmer- oder Flankengötter. Malte Schumacher und Kay Rohn berichten.

Malte Schumacher

LW5 Blockierung links

Der Matchday beginnt schmerzhaft für mich. Am Donnerstag hat sich bei einer ungeschickten Bewegung von mir meine Problemstelle Lendenwirbelsäule wieder gemeldet, der 5. Lendenwirbel renkt sich alle paar Jahre mal aus. Homeoffice, zu wenig Bewegung – gute Bedingungen für sowas in Pandemie-Zeiten. Also sitze ich am Spieltag um 8.00 Uhr im Wartezimmer bei meinem „Einrenk-Gott“, dem Chirotherapeuten Dr. Sayed Tarmassi in der Fallersleber Straße.
 

Auf der Suche nach dem guten Omen

Gute Gelegenheit, die Gedanken schweifen zu lassen: meinen letzten „Lendenwirbel-Vorfall“ hatte ich punktgenau vor drei Jahren, am 15. April 2018. An dem Tag war auch Matchday, und die Eintracht hat in Darmstadt 1:1 gespielt. Am Ende jener Saison sind wir ziemlich unverhofft abgestiegen… Böses Omen, weg damit! Besser geeignet zur Motivation ist die Erinnerung an den 1. April 2016, das erste Eintracht-Spiel vom leider Langzeitverletzten Niko Kijewski auch an einem Freitagabend, 2:1-Heimsieg gegen den heutigen Gegner, den SC Paderborn…

Spontane FanRadio-Moderations-Anfrage

Um 12.30 Uhr, ich bin längst wieder eingerenkt und kerzengerade, meldet sich Robin: Christoph muss noch einen Tag länger in Quarantäne bleiben als gedacht, er war beruflich in Griechenland – „Malte, machst Du spontan heute FanRadio mit mir im Stadion?“. Eigentlich gerne – aber für heute Abend habe ich uns einen Gast eingeladen, meinen alten Freund Locke. Wir haben uns lange nicht gesehen und gesprochen wegen der Pandemie-Beschränkungen. Sorry Robin – ich sage ab.

Der Blumenstrauß

Locke kommt um 18.00 Uhr, und er hat sogar ein Sträußchen Blumen dabei für meine Frau – das muss doch heute mit einem Sieg belohnt werden?! Denn klar ist: Nach dem 4:0 in Osnabrück wäre ein Sieg heute ein Träumchen. Der Kühlschrank ist voll gepackt mit Wolters Helles, und für den kleinen Hunger zwischendurch gibt’s die Löwenbeißer von Gmyrek. Schmeckt also fast wie im Stadion bei uns im Wohnzimmer. Kurz darauf schickt Erik ein Foto, dass er in dem Moment gemacht hat, als unsere Fahne noch im blauen Beutel steckt und auf ihre Befreiung wartet – die „Hopfen-Freunde Meine“ dagegen sind schon platziert…

Ein Eisengittertor, dahinter eine Eintracht-Fahne Malte Schumacher
Kein Durchkommen: Fußball ohne Fans- aber immerhin mit Fan-Fahnen.

Stürmer-Gott Domi Kumbela

Die Aufstellung müssen wir nicht groß diskutieren -- das ist exakt die gleiche Formation wie in Osnabrück, also mit den Doppelpackern Koby und Manni. Aber ist die Mannschaft schon so weit, dem klaren 4:0 in Osnabrück einen weiteren Sieg folgen zu lassen? Die Gegner, die wir in den nächsten sechs Spielen noch haben, machen mir offen gestanden Angst – inklusive Paderborn. Die haben schon 10 Siege und haben letzte Saison noch Bundesliga gespielt. Auch St. Pauli war uns haushoch überlegen neulich, und die stehen mittlerweile vor Paderborn. Kurzum: Ich bin unentspannt heute. Da wir uns viel zu erzählen haben, lassen wir die Vorberichterstattung ohne Ton laufen – obwohl Stürmer-Gott Domi Kumbela bei Sky am Start ist…

Eintracht in Zwietracht…

Kurz vor Spielbeginn zeigt die Mannschaft ein „#AlleZusammen-Banner“, und die Spieler tragen „#AlleZusammen-Shirts“. Eigentlich eine gute Mitmach-Aktion, gerichtet an alle Fans im so wichtigen Saisonendspurt in Richtung Klassenerhalt. Aber: Zuvor wohl mal wieder so gar nicht kommuniziert in Richtung der Fan-Szene – dies jedenfalls haben FanRat und Fan-Abteilung gestern per Rund-Mail massiv beklagt. Schräg, dass die Fan-Ikonen Thilo, Christel und Didi aktiv dabei sind. Eintracht mal wieder in Zwietracht – so unsere Bewertung beim nächsten Wolters Helles.

… und Eintracht inklusiv

Von einer weiteren Fan-Aktion kann ich Locke erzählen, während der Ball schon rollt: Patrick Leonardi („Pöödy“) und sein Fanclub „Eintracht inklusiv“ haben zu einer Aktion gegen Rassismus und Diskriminierung aufgerufen – mein Bild und mein Statement hat Pöödy gestern bekommen, in vier bis sechs Wochen geht’s online. Locke hört mir aber gar nicht zu – Paderborn bringt uns vom Start weg ziemlich in Bedrängnis, Paderborn bekommt eine Ecke nach der anderen.
 

Der Kölner Keller

Plötzlich aber spielt Schlüter einen schönen langen Ball in den Lauf von Proschi, der in die Box eindringt – und von einem Paderborner umgelegt wird. Elfmeter! Ich springe aus dem Sofa und meine Lendenmuskulatur signalisiert mir sofort und sehr deutlich, dass ich das bitte nie wieder tun soll in den nächsten Tagen… Ist gebongt, noch ein großer Schluck Helles und warten auf Koby. Nee, warten auf den Kölner-Keller-Schiri – die Szene wird minutenlang begutachtet. Wir sind uns einig im Wohnzimmer: Das war ein klarer Elfer! Leider nein: Der Schiri nimmt seine Entscheidung wieder zurück. Gegen Darmstadt neulich war der Kölner Keller mal auf unserer Seite, heute also nicht. Also noch‘n Helles für mich, auch wegen des Rückens…

Problemfall Manni

Danach dann entwickelt sich ein eher langweiliges und mäßiges Spiel. Wenn eine Mannschaft Chancen hat, dann ist das Paderborn. Eintracht ist offensiv überhaupt nicht zu sehen, und ich muss wieder über meinen „Lieblings-Problem-Fall“ Manni nachdenken. Auch die zwei schönen Buden in Osnabrück scheinen ihm weder Selbstvertrauen, noch Sicherheit, noch Antrieb zu geben – er wirkt eher teilnahmslos. Gerade im Vergleich mit dem fast doppelt so alten Nick Proschwitz, der ausdauernd, sehr laufintensiv und sehr hoch attackiert, sieht das einfach blöd aus bei Manni…

Torchancen? Leider nein

Kurz vor der Pause sind wir längst sehr abgelenkt vom Spiel, als Paderborns Ananou erst gelb sieht und dann Lasse Schlüter umsenst – das hätte gelb-rot sein können. Mit einem mehr wären die starken Paderborner vielleicht zu packen. In der letzten Woche haben die den Spitzenreiter VfL Bochum 3:0 verhaftet zu Hause… Wie hatte mein Kollege Jan, glühender Bochum-Fan, mir beschrieben wie man bestehen kann gegen diese Paderborner: „Tief stehen. Wenn Du versuchst, das Spiel zu machen – 100 % Konzentration. Und die Chancen, die Du hast, reinmachen, statt 16 Mal daneben zu schießen.“ Soll heißen: Bochum hatte Torchancen. Wir müssen feststellen in der Pause: Eintracht leider gar nicht.

Das Stadion in Braunschweig: Gegengerade mit Fan-Fahnen. Robin Koppelmann
Robin vom Fanradio schickt ein Bild aus dem Stadion. Die Fan-Fahnen als Lichtblick in einem ansonst schwachen Spiel der Eintracht-Elf.

Robin allein bei einem lausigen Spiel

Halbzeit 2 – keine Veränderungen auf dem Platz. Wir schauen nur noch sporadisch in die TV-Kiste. Der arme Robin, denke ich – so ein schlechtes Spiel alleine kommentieren müssen ist ja auch ne Strafe… In dem Moment schickt er ein Foto aus dem Stadion – und ganz links über einem Peine-Banner ist unsere Fanclub-Fahne zu sehen. Ein Lichtblick. Kurz danach die Katastrophe, Tor für Paderborn – aber Abseits, so der Kölner Video-Schiedsrichter nach bangen Minuten. Die Wiederholung zeigt: Das war richtig knapp…..

Brian Behrendt verletzt – das tut weh!

Fünf Minuten nach Mannis längst fälliger Auswechslung ist der Tag endgültig ein gebrauchter – Brian Behrendt muss einen Sprint abbrechen und ebenfalls raus. Wir sind uns einig: Das sieht nach Muskelfaserriss aus, und damit würde einer unserer so starken Innenverteidiger gar kein Spiel mehr machen können in dieser Saison. „Pass‘ auf, und obendrein fangen wir uns gleich noch eins“ – sagt Locke kurz vor Schluss, da ist auf links ein Paderborner völlig frei, legt vor Fejzic rüber zu Antwi-Adjei, der aber aus neun Metern unser leeres Tor nicht trifft. Ich fasse es nicht. Am Ende ist der Fußballgott heute auf unserer Seite, obwohl wir so ein lausiges Spiel bieten. Dann Schlusspfiff, auch unsere Trainer wirken erleichtert – ein wichtiger Punktgewinn. Locke und ich wechseln in die Küche zu lauter Musik, noch mehr Bier und lecker Negroni. Wir hören uns, gegen Aue, am 23. April – im FanRadio

Kay Rohn:

Die Fahrstuhlmannschaft

Letztes Jahr noch in der Bundesliga und in der Saison 2014/15 schon einmal in der obersten Spielklasse zu Hause, entwickelt sich Paderborn nach und nach zu einer Fahrstuhlmannschaft. Der Marktwert ist mit 19,7 Mio Euro etwa doppelt so groß wie unser. Dieses Gefälle zeigt sich auch auf dem Platz: Paderborns Spieler agieren auf Erst- beziehungsweise gutem Zweitliganiveau.

Bei uns dagegen sind viele Spieler dabei, sich jetzt am 29. Spieltag erst noch richtig in der zweiten Liga zurecht zu finden. Die technische Klasse am Ball, der erfolgreiche Pass, die körperliche Robustheit sind alles Punkte, bei denen die Paderborner sehr gut aussahen.

Blick ins Stadion von der Tribüne. Kay Rohn
Blick ins Stadion von der Tribüne.

36 komma 5 Punkte

Für mich war das Unentschieden ein Punktgewinn und kein Punktverlust. Der Elfmeter wäre schön gewesen aber da kein Braunschweiger protestiert hat, ging die Entscheidung wohl in Ordnung. Der Punkt war wichtig, aber wichtiger als das Ergebnis zählt für mich die Entschiedenheit, die Geschlossenheit der Mannschaft.

Dass die Spielkultur unter dem ständigen Anlaufen der Paderborner leidet, war abzusehen. Aber die Abwehr hat zu null gespielt und wir haben uns Chancen erarbeitet.

Der Spielaufbau war holperig und der lange Ball von hinten lange das einzige Mittel. Aber mit dem 4:0 aus Osnabrück haben wir vier notendige Punkte aus zwei Spielen eingefahren.

Ich gehe weiterhin vom Punkteschnitt von 1,3 Punkten pro Spiel aus. Das ergibt am Ende 36,5, als 36 oder 37 Punkte. Das können wir realistisch erreichen und das wäre voraussichtlich auch der Klassenerhalt. Ich rechne weiter.

„Manni“, die Wundertüte

„Manni“ Suleiman Abdullahi ist eine Wundertüte. In Osnabrück der schnellste Spieler. Ganz unscheinbar legte  er dort den Ball am Gegner vorbei und traf, obwohl die Schussposition gar nicht so optimal war.

Beim Spiel gegen Paderborn aber habe ich das Gefühl, dass er sich selbst im Weg steht. Beim Anspiel wirkt er phlegmatisch, läuft dem Ball nicht entgegen. Bei einer Szene direkt vor unseren Augen wird „Manni“ auf der rechten Seite die Linie lang geschickt, aber er läuft nicht. Er ist wirklich ein einzigartiges Phänomen. Für seine Tore in Osnabrück können wir uns nur bei ihm bedanken, aber sein Auftritt heute war problematisch.

Der Herberger-Trick

3:8 ist mein Wunschergebnis gegen die Spielvereinigung Greuther Führth. Ich würde ganz im Sinne von Marco Antwerpen und Sepp Herberger gegen die Fürther am Dienstag eine B-Elf aufstellen. Denn ich glaube nicht, dass wir dort eine Chance haben. Außerdem ist Behrendt verletzt und Diakhite sollte vor seiner fünften gelben Karte geschützt werden. Wir haben aber am Freitag schon das nächste Spiel gegen Erzgebirge Aue, da sollten wir punkten. In der letzten Saison hat dieses Prinzip sehr gut geklappt.

„Am Ende kackt die Ente“

35 bis 37 Punkte, unsere Zielzone. Mit dreißig Punkten und noch fünf Spielen ist unsere Ausgangssituation ok. Wie in der letzten Saison wird die Entscheidung auf den letzten Metern fallen. Wie hieß es so schön im letzten Jahr? „Am Ende kackt die Ente“. 

Eine blaugelbe Eintracht-Fahne Kay Rohn
Macht Hoffnung: Das Motto der letzten Saison, als der Aufstieg erst kurz vor Saisonende unter Dach und Fach war.