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Eine volle Fankurve, im Vordergrund verteilt ein Mann Bierbecher. Malte Schumacher

Stadionfunk: Heidenheim zu Gast beim „geilsten Westverein“

Am Samstag war der 1. FC Heidenheim zu Gast im Eintracht-Stadion. Warum dies übrigens immer noch so heißt, warum der „kleine Pissverein“ (Lieberknecht) eigentlich der „geilste Westverein“ ist und wie die verletzungsgeplagten Blaugelben sich gegen eine Spitzenmannschaft stemmen, berichten Malte Schumacher und Kay Rohn.

Malte Schumacher:

Ich mag diese Anstoßzeit nicht!

Manchmal geht mir der „moderne Fußball“ einfach nur auf den Sender. Anstoß am Samstag um 13.00 Uhr – welcher Menschenfeind hat das ausgeheckt? Ich sitze am Frühstücks-Tisch und bin genervt. Alles muss schnell gehen: Müsli wegputzen, Zeitung lesen, WhatsApp im Blick behalten. Die Braunschweiger Zeitung serviert mir leider nicht das erhoffte Interview mit einem meiner alten Helden – Norman Theuerkauf geht schon in sein achtes Jahr beim FC Heidenheim. Ebendort geboren ist unser Trainer, Michael Schiele, aber auch der Trainer des Gegners, Frank Schmidt – und der erlebt sein unfassber sechzehntes Jahr beim FC. Sehr gerne darf Michael Schiele auch bei uns ein solches Kapitel gestalten…

Heute müssen wir was holen – auch gegen den Dritten

Heidenheim ist Dritter, wir sind 16. – auf dem Papier also Aufstiegs-Favorit gegen Abstiegs-Kandidat. Die Niederlage beim HSV letzte Woche war absehbar – im Zustandekommen aber grausam weil selbstverschuldet. Allein, dass ausgerechnet Fejzic sich im ersten Spiel nach dieser elend langen Winterpause so schläfrig zeigt, tat weh.
Egal, heute muss dagegengehgalten und gepunktet werden – nächste Woche in Darmstadt wird das noch schwerer als in Hamburg. Sport-Redakteur Leonard Hartmann prognostiziert in der BZ, dass Schiele wenig bis gar nichts verändern wird an der Aufstellung – hinten also de Medina, Decarli und Gechter. Angesichts unserer Verletzten-Liste glaube ich das auch.

Der Heidenheimer Bus und FCH-Trainer Schmidt vor dem Penta-Hotel in Braunschweig. Malte Schumacher
Der Heidenheimer Bus und FCH-Trainer Schmidt vor dem Penta-Hotel in Braunschweig.

„Der geilste Westverein“

Nun aber los – ab zur Strapazenbahn. Vorher stopfe ich mir noch alle Jackentaschen voll mit den frisch produzierten Bierdeckeln für unseren Fanclub. Vor dem Penta Hotel steht der Bus der Heidenheimer – und rechts daneben entdecke ich Trainer Schmidt. In der Bahn ist dann sogar noch ein Sitzplatz frei. Ich frage den Fan neben mir, wie es ausgeht heute: „2:1 für uns“. Sein Zungenschlag und sein Schal sind eindeutig: „Kommst Du aus Magdeburg?“ frage ich ihn. Oh ja – Karsten Weber ist seit 1981 Eintracht-Fan („Mein Opa hat mir eingetrichtert, dass das der geilste West-Verein ist – vergiss‘ die Bayern und den HSV!“) – und das ist bis heute sein Leben. Längst sind er und seine Frau Mitglieder bei den Blau-Gelben Volkswagenlöwen. Das ist doch eine schöne Geschichte aus dem vormodernen Fußball. Auf bald mal wieder, Karsten!

„Mein Opa hat mir eingetrichtert, dass das der geilste West-Verein ist – vergiss‘ die Bayern und den HSV!“

Eintracht-Fan Karsten Weber aus Magdeburg

Geschafft! Der Stadionname bleibt!

In der Rheingoldtraße ist Mex dann der erste, dem ich zwei Fanclub-Bierdeckel überreiche – ich weiß, dass auch er immer wieder über solche Aktionen nachdenkt für seinen Fanclub, „Aaantracht miene Leiwe“. Auch er flucht über den „modernen Fußball“: „Früher war’s geiler…“. Ich besuche noch Micha am FanRat-Wagen, und dann treffe ich vor dem neuen Stand der Fanabteilung Robin. Das passt super: Robin vom Fanprojekt erzählt mir was in die Kamera zum Thema „Namensretter-Kampagne für den Stadion-Namen“. 2800 Fans, Unternehmen und andere haben mit ihrer finanziellen Unterstützung dafür gesorgt, dass wir mindestens bis 2025 in unser „Eintracht-Stadion“ gehen können.

Das sagt Robin zur Rettung des Stadion-Namens:

Spielprognosen: „Schönes 2:1“ oder Untergang gegen Heidenheim

Danach begegne ich Pöödy vom Fanclub „Eintracht Inklusiv“. Zudem ist er Behinderten-Fanbeauftragter und überhaupt ein großartiger Mensch. Im Block 6 dann ist die Freude groß, als ich unsere Berdeckel verteile. Gerade bei den Jüngsten. Die nächste Fanclub-Generation wird immer präsenter, heute sind auch die Cousins Jan und Theo mit dabei, die Söhne von Micha und Jens. Ich bitte sie um ihre Tipps in meine Kamera – Theo ist noch etwas zurückhaltend dabei. Mein Nebenmann Clemens hingegen hat schon nach dem ersten Bier so einen sitzen, dass er für die Eintracht heute einen Untergang prophezeit. Blödsinn – wenn unsere Abwehr heute steht, geht was.

Das Derby wirft schon hässliche Schatten…

Was aber ist im Mittelkreis passiert? Wir checken die Eintracht-App: Hannoi-Pisser sind in der Nacht eingebrochen ins Stadion und haben mit Öl ihre Zahl in unseren Mittelkreis gemalt. Umwelt-Säue! Unsere Platzwarte kreiden das mit weiß durch und schreiben viermal „Nein Danke“ daneben, mein Bruder schickt ein Foto von der Hauptribüne. Der Derby-Fan-Krawall ist also eröffnet – sechs Wochen vor dem Spiel-Termin am 19. März. Auch das ist Teil des „modernen Fußballs“… Die Aufstellung wie erwartet – nur dass Wiebe anstelle von Krauße den noch immer erkrankten Nikolaou ersetzt. Allzweckwaffe Danilo Wiebe – der Norman Theuerkauf der Eintracht-Gegenwart. Die erste Chance aber hat der Gegner, weil Donkor ziemlich alt aussieht in der dritten Minute.

Malte Schumacher
Skeptische und neugierige Blicke: Was ist das da im Mittelkreis?

Die Abwehr steht

Unsere Defensive steht aber heute stabil: Geburtstagskind Decarli und der super-junge Linus Gechter sind hellwach und sehr engagiert. Sobald Gechter hinten links den Ball erobert hat, kennt er nur eine Richtung: ab nach vorne, zum gegnerischen Tor – das gefällt mir sehr. Heideheim hat mehr Ballbesitz, wir aber lassen nichts zu und versuchen Umschalt-Momente zu nutzen. Gefahr droht keine, wir können also unseren immer großen Durst bekämpfen. Dann aber bricht Kaufmann auf rechts durch, setzt Marx ein – der Ball knallt an den linken Innenpfosten und von da direkt in die Arme von Torwart Müller. Das wär’s gewesen, kurz vor der Halbzeit-Pause.

Eine volle Fankurve, im Vordergrund verteilt ein Mann Bierbecher. Malte Schumacher
Immer dieser große Durst im Stadion... Aber es gab ja auch zwei schöne Tore zu feiern.

Ein geiles Stürmer-Tor

In der 65. Minute kommt Lauberbach für Bonga – ein Positions-getreuer Stürmer-Wechsel. Und dann schlägt Marx einen langen Ball tief aus der eigenen Hälfte in den Lauf von Wintzheimer, der blockt seinen Gegenspieler Mainka fair weg – und ballert den Ball aus 11 Metern durch die Beine des Torwarts in Netz. Das alles vor unserer Kurve – bei uns schreit alles erleichtert auf, und wir genießen die Bierduschen von oben. Was für ein geiles Stürmer-Tor 20 Minuten vor Schluss! Heidenheim ärgert das sichtlich, sie drücken sofort auf den Ausgleich – aber Fejzic und die gesamte Mannschaft stemmen sich dagegen.

… und noch eins

Kurz vor Schluss wird Jasmin bei einer Heidenheimer Doppel-Chance endgültig zum Helden heute. Und ich bin mir sicher: Wie er den zweiten Ball gehalten hat, weiß er selber nicht… Tief durchatmen. Dann ein Konter von uns, Krauße erobert den Ball und gibt ihn rechts raus zu Wintzheimer. Der schlägt eine großartige Flanke auf Lauberbach, der den Ball mit der Brust annimmt und dann mit links volley unter die Latte ballert: 2:0, das Ding ist durch!
Als die Mannschaft nach Spielende vor der Südkuve steht, bekommt der großartige Saulo Decarli noch ein Extra-Ständchen von uns gesungen: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – und Danke für diesen Sieg!

Ein Geburtstagsständchen für Decarli von der Südkurve rundet den rundum gelungenen Spieltag für Eintracht ab. Malte Schumacher
Ein Geburtstagsständchen für Decarli von der Südkurve rundet den rundum gelungenen Spieltag für Eintracht ab.

Die Analyse: Kay Rohn

 

Ein gelungener Jahresauftakt

„HSV, Heidenheim, Darmstadt. Das wird der Jahresauftakt. Mein Ziel sind vier Punkte aus den drei Spielen. Dann würde auch das sogenannte „Umfeld“ ruhig bleiben und wir könnten uns auf die weiteren Spiele zum Klassenerhalt konzentrieren.“

So mein letzter Blogeintrag vor der Winterpause. Drei Punkte sind es gegen Heidenheim geworden. Der vierte Punkt war auch schon zum Greifen nah beim Stand von 1:2 und 2:3 in Hamburg. Aber da fehlte noch der letzte Schritt und vielleicht auch das Selbstbewusstsein, dort etwas mitzunehmen. Für mich ist der Auftakt gelungen und ich hoffe, das Team nimmt den Schwung mit nach Darmstadt und zeigt dort blau-gelbes Selbstvertrauen und Löwenbiss.
 

Mit der Tagesschau im Volksparkstadion

Kurze Nachbetrachtung zum Spiel beim HSV. Meine älteste Tochter begleitet mich zum ersten Saisonspiel. Sie arbeitet bei der Tagesschau und wieder einmal ist Fußball mehr als Fußball. Sie ist Schalke und Braunschweig „gebrandet“. Somit ist sie Freud und Leid gewohnt und die Erwartungshaltung zum Ausgang des Spiels eher niedrig. Ich sage, mit dem Kader sind wir auf Augenhöhe mit allen Clubs und wir können jeder Mannschaft selbstbewusst entgegentreten.

Ein wunderschöner Nachmittag mit Tochter/Vater-Gesprächen, sechs Toren, 60.000 Zuschauern und viel Weltpolitik. Gemeinsames Fazit: Ein sehr interessantes und gutes Spiel, es fehlte in Teilen die Aufmerksamkeit bei den Löwen. Jasmin sehe ich nicht als Verursacher der Niederlage oder als Schwachpunkt, wie er später dargestellt wurde.

Samstag 13:00, Kaiserwetter

Der Samstag kann ein sehr guter Tag werden, sage ich zu Stefan, ein Freund aus Bremen, mit dem ich das Spiel gegen den 1. FC Heidenheim von 1846 dieses Mal verfolge. Er hat eine Zeitlang in Braunschweig gearbeitet, ist durch und durch Bremer aber im Herzen auch ein bisschen Braunschweiger Löwe.

Wir beide sind Fans von Frank Schmidt, Trainer der Heidenheimer im sechzehnten Jahr. Vielleicht sind wir da beide zu traditionell, aber Schmidt schafft es immer wieder, eine sich permanent verändernde Mannschaft zu formen und vor allem zu motivieren. Eingesparte Ablösesummen oder noch zu zahlende Gehälter von entlassenen Trainern mal ganz außen vorgelassen.

 

Schmieröle im Mittelkreis

Wie Schmieröl für das Getriebe wirkte der Stoff im Mittelkreis. Die Mannschaft wirkte unbeeinflusst und stellte sich den Heidenheimern sehr sortiert entgegen. Die taktische Formation wurde straff eingehalten, jeder blieb in seinem Wirkungsbereich. Das hatte zwei Folgen: Die Abwehr war stabiler als gegen den HSV – aber nach vorne passierte dafür wenig Kreatives. Auch das Zweikampfverhalten könnte meines Erachtens noch aggressiver sein: Wir haben weder im Auftaktspiel gegen den HSV noch gegen Heidenheim eine gelbe Karte erhalten.

Ich bin für faires Spiel, aber direkter Kontakt sollte schon stattfinden. Das Spiel endete mit den zwei Toren sehr gut für uns. Heidenheim hatte genug Chancen auch etwas mitzunehmen, aber das wussten wir – auch mit Schmieröl – gut zu verteidigen, mit Schmieröl.

 

Die richtige Entscheidung

In der ersten Halbzeit ist mir aufgefallen, dass wir oftmals unter Druck die falsche Entscheidung treffen. Der Ball wird unkontrolliert weggeschlagen, zum Gegner abgewehrt oder vertändelt und wir sind den Ballbesitz ganz schnell wieder los. Daran sollte die Mannschaft arbeiten.

Auf Heidenheimer Seite war in diesem Punkt ein klarer Vorteil. Bessere Übersicht, bessere Einschätzung der Situation, besseres Timing, vielleicht auch mehr Erfahrung in der Liga. Aber eine richtige Entscheidung in diesen Situationen kann uns gerade für Umschaltaktionen große Vorteile bringen.

Spielende im Eintracht-Stadion, Team und Betreuer begegnen sich im Mittelkreis. Kay Rohn
2:0-Heimsieg gegen den Tabellendritten bei Kaiserwetter. Fan-Seele, was willst du mehr?

Ein guter Tag für die blau-gelbe Seele

Und für Stefan und mich ein guter Samstag. Wir freuen uns beide, dass wir bei bestem Wetter so ein kleines Fußballfest mitfeiern durften. Wer erlebt schon einen Sprung vom 16. auf den, zwischenzeitlichen, 9. Rang? Und jetzt mit viel Selbstvertrauen nach Darmstadt!

 

Beste Grüße an Christian Klose

Der Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung berichtete von seiner Fahrt aus dem Trainingslager der Eintracht in Spanien zurück nach Braunschweig von seiner Reiselektüre: Für die 1.Liga – BTSV von Malte und mir. Der Artikel ist im Bild angehängt. Noch eine „Bremer Fanseele“, die wir hoffentlich ein wenig blau-gelb infizieren konnten.