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Alte Mauern, neue Vision
Levi Lewandowski und die Hansen-Werke in Lengede

Vor 13 Jahren begann Levi Lewandowski, sich für den Erhalt des alten Kalkwerks „Hansen-Werke“ in Lengede einzusetzen. Erst weitere acht Jahre später, im Jahr 2013, wurde der Kaufvertrag nach schwierigen Verhandlungen für einen symbolischen Euro unterzeichnet. Sein Traum: einen Ort zu schaffen, an dem Umwelt, Natur, Kunst und Handwerk wiedervereint werden und der gleichzeitig einen sozialen Beitrag für die Gesellschaft und die Landbevölkerung in und um Lengede leistet. Diese Vision motiviert Levi bis heute Tag für Tag im Kampf mit Auflagen, Vorurteilen und gegen den Schutt und Staub vieler vergangener Jahre. Ich durfte ihn in seiner Wohnstube besuchen und mit ihm bei Kamingeknister und warmem Tee über das Projekt und seine Motivation reden.

Inga Stang
Levi Lewandowski

In der Region zuhause

Levi Lewandowki ist in Barbecke groß geworden, einem Dorf, nur einen Kilometer entfernt von den Hansen-Werken. Schon als Kind tollten er und seine Freunde durch die umliegenden Wälder, bauten Buden, kletterten auf Bäume und lernten spielerisch den Umgang mit Natur und fremden Kulturen. „In Barbecke gab es damals eine Art Kinderboom. Das Ganze Dorf war voller Kinder, unter anderem auch von Flüchtlingsfamilien verschiedenster Herkunft. Gemeinsam gingen wir in den Wald, spielten auf dem Dorfplatz oder experimentierten in den Gärten unserer Eltern.“

Diese Erfahrungen, meint Levi, legten den Grundstein für das heutige Großprojekt Hansen-Werke. „Mit dem Projekt möchte ich hier einen Ort schaffen, an dem die Kids auch heute eine Möglichkeit haben, sich auszuleben. Auf dem Dorf gibt es gerade für die Jugend wenige Möglichkeiten, ihre Freizeit zu gestalten. Hier sollen sie wieder lernen wie es sich anfühlt, mit den Händen zu arbeiten, Sachen zu erschaffen sowie Kultur und Natur zu erleben.“

 

Neues Leben für alte Ruinen

Die Hansen-Werke liegen direkt an der Landstraße 619 zwischen Woltwiesche und Barbecke. Jeder, der mit dem Auto oder der Bahn herkommt, kennt die großen Backsteinhallen und das Hufeisengehöft am südlichen Ende des Geländes. Auch Levi fuhr bis zum Kauf des damals fast komplett leerstehenden Werksgeländes beinahe täglich an den Gebäuden vorbei und beobachtete, wie sie von Tag zu Tag immer mehr verfielen. „Irgendwann sind meine Freunde und ich sogar hergekommen um die Obstbäume im Garten zu pflegen, da wir den Verfall nicht einfach so mit ansehen wollten“, erinnert er sich. Mit 16 kam ihm zum ersten Mal der Gedanke, das Gelände zu kaufen und daraus ein Großprojekt zu machen. Der Prozess war jedoch schwieriger als gedacht. „Ich musste mich mehrere Jahre mit dem Erben der Werke, Nico Hansen, auseinandersetzen, Nutzungspläne herumschicken und immer dran bleiben. Irgendwann spielte mir das Schicksal in die Hände. Die Hansen-Werke sollten abgerissen werden und aus Angst vor den anstehenden Kosten, war es den Erben plötzlich dann doch recht eilig, mir das Gelände zu überlassen – für den Preis eines symbolischen Euros.“

Doch das Gelände ist alles andere als problemfrei. Jahrelang wurde dort wild Schutt abgeladen, der sich heute über die ehemaligen Kreidehänge erstreckt und von diversen Tierarten sowie Bäumen und Büschen neu bevölkert wurde. Einiges an „Problemmüll“ wurde bereits entfernt. Durch die vielen Tierarten genießt das Gelände zusätzlich aber auch den Status als besonders schützenswertes Naturareal. Das beschert Levi viele Auflagen, die er jedoch als Natur- und Umweltfreund auch gerne umsetzt – soweit wie möglich. „Ich bin mittlerweile mit einigen Damen und Herren in der Behörde per du“, scherzt er beim Gang über das Gelände.

„Nur gemeinsam kann man etwas bewegen!“

Ganze acht Jahre hat es gedauert, bis sein Projekt von den Anwohnern in der Region akzeptiert und auch verstanden wurde. Früher hieß es oft, die Hansen-Werke seien ein „Künstlerdorf“ oder eine „Kommune“. Mittlerweile – durch jede Menge Gespräche und viele offene Treffen, haben die Menschen verstanden, dass das Projekt Hansen-Werke viel mehr ein Ort für die Gemeinschaft werden soll, an dem man sich treffen und sein Umfeld mitgestalten kann. „Du kannst dich nicht wie die Alt-Hippies abkapseln und unter deinesgleichen bleiben. Wenn du wirklich etwas bewegen willst, musst du den Menschen auf Augenhöhe begegnen und sie in das Projekt und den Prozess integrieren.“

Gerade dieser kooperative Gedanke, meint Levi, fehlt heutzutage in vielen Bereichen unserer Gesellschaft: „Der Tischler vertritt die Tischler, der Steinmetz den Steinmetz, der Fleischer den Fleischer und jeder verkauft seines als das Beste. Die Welt ist aber eben nicht nur schwarz und weiß. Um etwas zu bewegen, müssen alle zusammengebracht werden, um von und miteinander zu lernen. Nur gemeinsam kann man etwas bewegen.“ Heute zahlt sich die langjährige Kommunikationsarbeit aus. Die Menschen kennen ihn, sprechen ihn an, wenn sie Ideen haben und helfen ab und an dabei, dem alten Kalkwerk mit viel Schweiß und Handarbeit neues Leben einzuhauchen. Hand in Hand und Stein um Stein geht das Projekt so langsam immer weiter voran.

 

Werkstätten, Gemeinschaftsgärten, Veranstaltungsräume und vieles mehr

In den vielen Jahren entstanden klare Pläne für die weitere Nutzung der Hallen und des Geländes. Es sollen Werkstätten, Veranstaltungsräume, ein Gemeinschaftsgarten, Räume für soziale Projekte und vieles mehr entstehen. Bis es soweit ist, liegt noch viel Arbeit vor Levi. Häufig muss er sich die Frage stellen lassen, wann er denn nun fertig ist mit dem Großprojekt. Eine Antwort darauf hat er nicht. Ganz davon abgesehen, dass er auf die Hilfe und Zeit Ehrenamtlicher angewiesen ist und nebenbei selbst noch ein wenig Geld zum Leben verdienen muss, glaubt er, dass das Projekt im ewigen Wandel sein wird. Veränderung entsteht nun mal nicht über Nacht.

Dennoch bereitet auch ihm der Gedanke an die Arbeit, welche noch vor ihm liegt, hin und wieder unruhige Nächte. „Die Frage, wann das Projekt fertig ist, rumort in mir natürlich auch. Überall sind Baustellen und ich – als gelernter Bauleiter – bin manchmal selber total gestresst, weil alles nicht so schnell voran geht wie ich es gerne hätte.“ Mit den Jahren hat sich Levi jedoch in Geduld und Genügsamkeit geübt. „Mir geht es besser als einem Großteil der Weltbevölkerung. Ich kann duschen, habe etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf. Der Rest ist nur eine Frage der Zeit.“

 

Veränderung ist kein Zuckerschlecken

In den 13 Jahren kamen und gingen viele Menschen, die Levi beim Aufbau der Hansen-Werke helfen wollten. Viele meint Levi, kamen mit romantisierten Vorstellungen vom Leben und Arbeiten in und am Großprojekt nach Lengede. „Wer hier nach alternativen Strukturen sucht, in der Hoffnung, mit weniger Arbeit ein schönes zu Leben führen, ist bei uns leider nicht richtig. Wir wollen etwas in der Gesellschaft verändern und das erfordert nicht weniger sondern doppelt so viel Arbeit. Du musst bereit sein, richtig zu malochen und anzupacken.“ Eines ist sicher – malochen kann Levi! Ich werde weiterhin gespannt das Projekt verfolgen und immer wenn mal Zeit ist, mit anpacken. Denn nur gemeinsam können wir etwas schaffen!