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Täglich 50 Brote dank Sonnenkraft:
„Inensus“ baut Solarstromnetze in Tansania

Im ostafrikanischen Staat Tansania sind nur 20 Prozent der Menschen an eine Stromversorgung angeschlossen. Das Goslarer Unternehmen Inensus baut jetzt lokale Solarstromnetze in Dörfern auf, die den Alltag der Bewohner erheblich erleichtern. Der Anfang wurde auf der Insel Ukara im großen Victoria-See gemacht. 

Start-up Story: INENSUS GmbH

Gasper Mkama Mwamba hat gerade die erste Bäckerei im Dorf Bwisya eröffnet. Er kann nun einen Backofen elektrisch betreiben und backt zunächst täglich 50 Ciabatta-ähnliche Brote, die er in einem kleinen Geschäft verkauft. Bisher wurde das Brot in den Haushalten des 5.000-Einwohner-Dorfes ausschließlich über Holzfeuern in Pfannen gebacken.

Der Solarstrom kam im Februar dieses Jahres nach Bwisya. Er hat das Leben der Menschen in dem Dorf von Grund auf verändert. Bwisya liegt auf der Insel Ukara im ostafrikanischen Victoria-See, dem drittgrößten Binnensee der Welt. Der Solarstrom hat das Alltagsleben der Menschen dort erleichtert, es gibt nun Strom und Licht in den Häusern, auch Fernsehgeräte und Ventilatoren, mitunter sogar Kühlschränke und eigene Ladestationen fürs Handy. Der Solarstrom hat vor allem ein Kleingewerbe in Handwerk und Landwirtschaft entstehen lassen und so einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht.

Jumeme/Inensus

Viele kleine Veränderungen mit großer Wirkung

Ein Landwirt im Dorf hat sich zum Beispiel einen Brutkasten zugelegt. Die geschlüpften Küken verkauft er an andere Bauern, die damit kleine Hühnerfarmen betreiben. Es gibt nun Fleisch im Dorf, das bisher vor allem vom Fischfang gelebt hat. Andere Bauern starten damit, ihre Felder mit Wasserpumpen zu bewässern und bauen erstmals Gemüse an, das sie auf dem Markt verkaufen wollen. Und einige kleine Mühlen im Dorf, die bisher mit alten Dieselgeneratoren und Riemenantrieb betrieben wurden, laufen jetzt elektrisch. „Die Menschen sind begeistert, weil das Mehl aus Mais, Getreide oder Maniok nun viel feiner gemahlen ist und besser schmeckt“, erzählt Nico Peterschmidt. Er ist  Mitgründer und Geschäftsführer des Goslarer Unternehmens Inensus, das das Solarkraftwerk in Tansania gebaut hat und mit einer Tochterfirma in der Regionalhauptstadt Mwanza auf dem Festland auch das Stromnetz im Inseldorf betreibt.

 

Bei ländlichen Inselnetzen weltweit spitze

„Wir planen und bauen dezentrale Inselnetze zur Stromversorgung in ländlichen Regionen und setzen dabei auf erneuerbare Energien“, berichtet Peterschmidt. Inselnetze sind autark, hängen nicht an großen Verbundnetzen oder Trassen. Das Unternehmen betreibt solche lokalen Netze mit einem Modell der Mikroenergiewirtschaft, das sich an dem in Entwicklungsländern bewährten System der Mikrokredite anlehnt.

In Tansania sind weitere Projekte geplant, im westafrikanischen Senegal wurden in den vergangenen Jahren sieben Dörfer elektrifiziert. Peterschmidt: „Wir haben inzwischen viel praktische Erfahrung und sind bei solchen ländlichen Inselnetzen weltweit führend.“ Deshalb fragen auch immer mehr internationale Organisationen und Regierungen aus Afrika und Asien bei Inensus in Goslar um Beratung nach. Für sein Konzept hat das Unternehmen bereits mehrere Auszeichnungen bekommen, unter anderem von UN-Organisationen und der EU-Kommission.

Das Inensus-Konzept habe drei Bausteine, erläutert Peterschmidt: „Wir setzen bei Projekten immer auf eine Private-Public-Partnership, entwickeln mit den Menschen vor Ort ein an ihren Interessen ausgerichtetes Tarif- und Abrechnungsmodell und nutzen dafür moderne Kommunikationstechnologien.“

 

Öffentliche und private Partner

Das Kraftwerk in Bwisya besteht aus einer größeren Fotovoltaik-Anlage, einem Dieselgenerator als Back-up für den Notfall sowie einem großen Batteriespeicher. Inensus hat die Anlage geplant und gebaut, betreibt auch das Stromnetz. Finanziert wird das Projekt vor allem durch Inensus, den Projektentwickler Terra Projects (Österreich)  und der St. Augustine University of Tanzania gemeinsam mit dem österreichischen Investor RP Global. Von öffentlicher Seite wird das Projekt unter anderem von der Europäischen Kommission unterstützt. Technischer Support kommt von Banken, die Interesse an dieser Art von Projekten zeigen, wie der Afrikanische Entwicklungsbank oder dem Global Climate Partnership Fund. Peterschmidt versichert: „Wir wollen mit solchen Projekten wirtschaftlich arbeiten und längerfristig eine faire Rendite verdienen.“ Es sei allerdings nicht immer einfach, selbst bei öffentlich-rechtlichen Entwicklungsbanken Gelder locker zu machen – weil Projekte dieser Art natürlich immer ein hohes wirtschaftliches und politisches  Risiko darstellten.

 

Abrechnung per Handy und Internet

Abgerechnet wird der Stromverbrauch in Bwisya künftig per Handy und Internet – mit einem Umweg über Deutschland. Das mag zunächst verblüffen. Doch sehr viele Menschen in Tansania haben ein Handy – es ist oft das einzige Kommunikationsmittel auf dem Lande. Und beim Bezahlen per Handy sind afrikanische Länder erstaunlicherweise weltweit spitze. Inensus arbeitet mit einem Prepaid-System. Die Kunden in Bwisya kaufen vorab bestimmte Strommengen und bezahlen per Handy. Die Zahlungsdaten gehen per Mobilfunk und Internet zum Server nach Deutschland, der wiederum nach Eingang der Zahlungsbestätigung auf dem umgekehrten Weg die Zähler beim Kunden aktiviert und die Leitung freigibt.

Das Projekt im Dorf Bwisya ist ein Anfang. „Wir wollen noch in diesem Jahr weitere Dörfer auf der Insel Ukara sowie acht weitere Inseln im Victoria-See elektrifizieren und damit rund 15.000 Einwohner mit Strom versorgen“, kündigt Peterschmidt an. Das Kapital dafür sei bereits akquiriert. Bis spätestens 2020 sollen weitere Dörfer in anderen Regionen Tansanias elektrifiziert werden. In Tansania, einem der ärmsten Länder Afrikas, sind bisher nur 20 Prozent der Menschen an eine Stromversorgung angeschlossen. „Mit unseren Projekten leisten wir deshalb einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Bekämpfung der Armut“, meint Peterschmidt.

 

Beratung von Regierungen und Entwicklungsbanken

Er hat das Unternehmen Inensus vor zehn Jahren gemeinsam mit Holger Peters und Jakob Schmidt-Reindahl gegründet. Alle drei studierten an der TU-Clausthal und befassten sich im Rahmen einer Projektarbeit mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien in Entwicklungsländern. So entstand die Idee der Firmengründung. Heute sitzt Inensus auf dem Campus des Energieforschungszentrums Niedersachsen (EFZN) in Goslar und beschäftigt hier zehn Mitarbeiter. Bei der Tochtergesellschaft in Tansania, in deren Leitung Schmidt-Reindahl vor Ort aktiv ist, gibt es 25 einheimische Mitarbeiter, bei einer zweiten Tochter im Senegal fünf Mitarbeiter.

Richtig Geld verdient das Unternehmen derzeit damit, für andere Unternehmen in Deutschland Elektronik etwa für Kleinwindanlagen zu entwickeln und in Kleinserien zu produzieren. Immer besser laufe, so Peterschmidt, das Beratungsgeschäft für Regierungen (etwa von Nigeria oder Bangladesch) sowie für internationale Organisationen. Da geht es um die Begutachtung oder auch Inbetriebnahme von geplanten lokalen Inselnetzen oder um wirtschaftliche Studien zu diesem Thema. Peterschmidt nennt ein Beispiel: „Wir bauen derzeit für die Afrikanische Entwicklungsbank eine Internetplattform auf, die Entwicklern von Inselnetzen wichtige Informationen vermitteln soll. Im Einzelfall werden wir auch konkrete Projekte unterstützen.“