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Diätrezepte fürs Auto
Ein Besuch in der Open Hybrid Lab Factory

Von außen erinnert die Open Hybrid Lab Factory (OHLF) in Wolfsburg an ein Raumschiff, drinnen wird bekanntlich am Automobil gearbeitet. Doch als ich den Vorstandsvorsitzenden und Professor der TU Braunschweig Klaus Dilger treffe, ist erst mal ein ganz anderes Fortbewegungsmittel Thema. „Wir haben am Wochenende das Drachenbootrennen, den Ritz-Carlton-Cup, gewonnen“, erzählt er stolz. Der Sieg stehe auch dafür, wie gut und engagiert das OHLF-Team Hand in Hand arbeite, auch an Land.

Und das ist gar nicht mal selbstverständlich, denn der neue Forschungscampus hat erst vor knapp einem Jahr seinen Betrieb aufgenommen. Außerdem arbeiten hier rund 150 Menschen aus zwei Welten zusammen, aus Wissenschaft und Wirtschaft. Sie kommen unter anderem von der TU Braunschweig, der TU Clausthal, der Leibniz-Universität Hannover, von der Fraunhofer-Gesellschaft und von Unternehmen wie Volkswagen, Magna, Thyssenkrupp und BASF.

Andrea Hoferichter

Vorbild Silicon Valley

In zwölf Laboren auf 400 Quadratmetern entwickeln Ingenieure, Physiker und Chemiker besonders leichte Materialmischungen wie karbonfaserverstärkte Textilien oder Stahlblechkonstruktionen für die Autos der Zukunft. „Leichte Autos brauchen weniger Sprit beziehungsweise haben eine größere Reichweite, wenn es sich um Elektroautos handelt“, betont Dilger. Die Forscher prüfen außerdem, wie sich Sensoren und Antriebselemente für das autonome Fahren in die Bauteile integrieren lassen. Und sie arbeiten an den passenden Produktionsverfahren. Es gilt, möglichst große Karosseriekomponenten in möglichst wenigen Fertigungsschritten zu formen.

Der TU-Professor ist stolz, dass sich die OHLF vor fünf Jahren in einem 100 Anträge starken Wettbewerb durchsetzen konnte: „Bundesweit gibt es nur neun staatlich geförderte Forschungscampusse, die auf eine öffentlich-private Partnerschaft setzen (ÖPP), darunter nur zwei mit technischem Schwerpunkt.“ Das Ziel ist, den Spirit des Silicon Valleys nach Deutschland zu holen und Ideen schneller aus dem Labor in die Fabriken zu bringen. Den Machern der OHLF steht dafür eine Anschubfinanzierung von insgesamt 30 Millionen Euro über 15 Jahre zur Verfügung. Aber auch eigene Beträge fließen mit ein – und eine Menge kleine und große Geräte.

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Maschinen, Mikroskope, Klimakammern

Der Maschinenpark ist entsprechend vielfältig: Von einer Webmaschine über mehrere Beschichtungsanlagen, Wasserstrahlschneider und 3-D-Drucker bis zur Presse, die 2.500 Tonnen über vier Kolben variabel auf ein Blech bringt, ist alles dabei. Hinzu kommen Chemielabore, Labore für Belastungstests, Hightech-Mikroskope und eine Klimakammer, in der ein ganzes Auto Platz hat. „Das meiste gibt es dann auch noch einmal in klein“, sagt Dilger. Schließlich wird immer erst mit Proben eines neuen Materials gearbeitet, bevor es ans sogenannte Upscaling in den realen Maßstab geht.

In den nächsten Jahren soll die Belegschaft auf 250 Mitarbeiter wachsen. Die OHLF knüpft zudem immer wieder neue Bande zu überregionalen auch internationalen Partnern. Und neben der angewandten Forschung wird am Campus künftig auch die Lehre etabliert und Bachelor- sowie Masterarbeiten angeboten.

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Teamarbeit auf dem Prüfstand

Alle fünf Jahre muss die OHLF dem staatlichen Geldgeber belegen, was sie leistet. Dabei geht es nicht nur um den Fortschritt der Forschungsprojekte, sondern auch darum, wie gut die Organisation und die Zusammenarbeit auf dem „LeichtbauCampus“ klappt. Dass 2019 ein positives Zeugnis ausgestellt werden wird, steht für Dilger außer Frage: „Es läuft ja schon jetzt alles sehr organisch.“ Und nächstes Jahr will das Team einmal mehr auch auf dem Wasser ein Zeichen in Sachen Teamarbeit setzen, beim Ritz-Carlton-Cup. „Dann wollen wir natürlich unseren Titel verteidigen.“