Ein Fischotter steht im Wasser

„Mitwelt statt Umwelt“ –
30 Jahre Gifhorner Otterzentrum

Wenn man wie ich im Landkreis Gifhorn groß geworden ist, so kennt man natürlich auch das Otterzentrum im Nordkreis. Entweder vom Klassenausflug oder von der Wochenendunternehmung mit den Eltern. Kein Wunder: Vor Kurzem feierte es sein 30-jähriges Bestehen und zählt damit zu einer fest etablierten Destination in der Region. Viele Jahre bin ich nun schon nicht mehr dort gewesen – umso mehr freute ich mich, meinen jüngsten Besuch mit einem Gespräch mit Dr. Oskar Kölsch, Leiter des Otterzentrums, verbinden zu können.

Herr Kölsch, 30 Jahre Otterzentrum sind natürlich ein Grund zu feiern. Was stand bei Ihnen auf dem Programm?
Im Mittelpunkt stand unsere Festveranstaltung, zu der auch Umweltminister Olaf Lies und weitere hochkarätige Gäste erschienen. Über 150 Personen waren dabei, das war eine schöne Sache. Am Abend gab es dann noch eine weitere Veranstaltung mit hundert Gästen und einem Kulturprogramm. Aber uns war wichtig, dass auch die Menschen in der Region mitfeiern können. Deshalb gab es an einem Sonntag Eintrittspreise wie vor 30 Jahren, das heißt nur drei Euro Eintritt. Dieses Geschenk kam an. Über 1.000 Besucherinnen und Besucher kamen an diesem Tag.

Wie hoch sind denn die Besucherzahlen generell?
Jährlich kommen wir auf über 80.000 Gäste.

Was macht den Besuch im Otterzentrum so besonders?
Ich denke, das ist ganz klar unsere besondere Philosophie. Es geht hier nicht nur darum, die Tiere zu betrachten, sondern auch darum, aufzuzeigen, dass wir mit den Tieren in einer Welt leben. Das ist unsere Idee. Ich nenne das ganz gerne Mitwelt statt Umwelt. Ganz bewusst haben wir im Otterzentrum deshalb auch keine hohen Gitter, sondern versuchen, die selbstverständlich vorhandenen Elektrozäune etwas zu verstecken.

Im Otterzentrum haben die Gäste immer einen guten Blick in die Gehege Marike Bebnowski
Im Otterzentrum haben die Gäste immer einen guten Blick in die Gehege

Wir möchten den Leuten zeigen, was artgerechte Haltung dieser Tiere bedeutet. Das geht auch mit großen Gehegen einher, in denen sie manchmal schlechter zu sehen sind. Aber dafür haben wir Schaufütterungen rund um die Uhr, bei denen die Besucherinnen und Besucher die Tiere auch ganz sicher zu Gesicht bekommen. Im Prinzip verknüpfen wir die positiven Elemente verschiedener Institutionen, nämlich von Zoo, Freizeitpark und Umweltbildung.

Können Sie das noch genauer erklären?
Wir versuchen im Prinzip, das Beste aus allem zu sein. Wir sind kein richtiger Zoo, aber wir haben insgesamt über hundert Tiere aus zehn verschiedenen Arten. Etwa Fischotter, Dachs, Otterhund, Iltis, Marder, Hermelin. Eingebettet ist das Ganze in ein Gelände, das über sechs Hektar groß ist und auch Waldgebiet beinhaltet. Ein Naturkleinod.

Daneben möchten wir attraktiv sein für Familien mit Kindern und haben hier ganz viele Spielgelegenheiten für Kinder. Und ganz wichtig ist auch der Aspekt der Bildung. Hier wollen wir aber nicht dröge sein und einfach nur belehren, sondern durch Spaß am Lernen und Entdecken automatisch dafür sorgen, dass die Kinder etwas lernen.

Wie funktioniert das?
Die beste Form des Lernens ist doch, wenn man davon gar nichts mitbekommt, sondern Dinge einfach mitnimmt, indem man zum Beispiel eine Beziehung zu den Tieren aufbaut und spielerisch lernt. Und das können wir. Wir sind regionales Umweltbildungszentrum und außerschulischer Lernort, alles anerkannt vom Umweltministerium. Lehrkräfte vom Gymnasium Hankensbüttel und der Grundschule Knesebeck sind einen Tag pro Woche hier, um Schulklassen hier vor Ort das Thema näher zu bringen.

Die Schülerinnen und Schüler lernen hier neben den Tieren auch Dinge wie Versiegelung von Oberflächen kennen oder können in unserem naturnahen Gelände einen Blick auf eines unserer vier Bienenvölker werfen. Es gibt hier auf dem Gelände einige Lernstationen, wo genau diese Themen aufgegriffen sind. Zum Beispiel, warum eine Hecke ein so wichtiger Lebensraum ist. Oder welche Vorteile Rasengittersteine im Vergleich zu versiegelten Oberflächen haben.

Ein Bienenvolk Marike Bebnowski
Insgesamt vier Bienenvölker leben auf dem naturnahen Gelände des Otterzentrums

Wie kam es vor 30 Jahren eigentlich zur Gründung des Zentrums?
Die Anfänge des Otterzentrums und das Otterzentrum allgemein sind ganz eng verknüpft mit dem Namen Claus Reuther. Er hatte ursprünglich die Idee, im Harz ein Otterzentrum zu gründen, um den Fischotter populär zu machen. Der Fischotter war damals nahezu ausgestorben. Schließlich kam es so, dass das Gelände hier in Hankensbüttel, was damals als Haus des Gastes eine Art Erholungsort sein sollte, zum Gelände des Otterzentrums wurde. Durch den See, die Bäche und den Wald waren die Bedingungen perfekt. Perfekt, um den Fischotter hier anzusiedeln.

Im Übrigen gibt es seit Anfang der 90er Jahre auch wieder wilde Otter; auch hier in Hankensbüttel und Umgebung, fernab unseres Zentrums. Claus Reuther und viele andere Menschen hatten die Vision, hier etwas für den Fischotterschutz aufzubauen und fanden im Landkreis Gifhorn positive Mitstreiter. Das lag auch daran, dass Claus Reuther leicht überzeugen konnte. Er war ein Macher. Er hatte seine Ideen und Pläne im Kopf und brachte sie dann auch mit ganz viel Herzblut und Leidenschaft auf den Weg.

Wie funktioniert das Otterzentrum heute organisatorisch und welche Rolle nehmen Sie ein?
Der Verein „Aktion Fischotterschutz e.V.“ ist Träger des Otterzentrums. Er hat 13.000 Mitglieder und Förderer, was neben den Besuchern und Fördergeldern eine wichtige Säule unserer Finanzierung ist. Über 50 Menschen arbeiten für das Otterzentrum, darunter auch junge Leute aus dem Bundesfreiwilligendienst; aktuell sind es zehn. Dazu kommen ganz viele Ehrenamtliche. Wir initiieren Projekte, zum Beispiel zu den Themen Naturschutz und Gewässerschutz.

Dr. Oskar Kölsch am Zaun mit Blick auf Gehege Marike Bebnowski
Als Projektmitarbeiter hat Dr. Oskar Kölsch begonnen und ist seit dem durchweg von dem Projekt überzeugt

Ganz wichtig ist uns, dass wir uns als einen Akteur der Regionalentwicklung sehen und uns auch als touristische Institution verstehen, die gleichzeitig im Sinne eines umfassenden Naturschutzes auf die Menschen zugeht und Angebote macht und im Dialog mit anderen Institutionen der Region steht. Ökonomie, Ökologie und Soziales sollen sich bei uns verbinden. Ich selbst bin seit fast 28 Jahren im Otterzentrum tätig; habe als Projektmitarbeiter begonnen und bin nun der Vorstandsvorsitzende des Vereins. Es hat mich während und nach meinem Studium der Landwirtschaft schon immer interessiert, wie ich die Themen Nutzung und Naturschutz verbinden kann.

So ein Jubiläum bietet natürlich auch immer Raum für einen Ausblick. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Natürlich möchte ich, dass es die nächsten 30 Jahre ebenso erfolgreich weitergeht, es keine schwierigen Rückschläge gibt wie vor Jahren den Brand des Haupthauses, wo wir in Eigenleistung ganz viel wieder aufbauen mussten. Ich hoffe, wir können die Gästezahlen wieder leicht steigern und können uns trotz der vielen Angebote in der Region weiterhin gut behaupten bzw. mit anderen Institutionen zusammenarbeiten und Kooperationen etablieren. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass das wir in der Region verstärkt zusammenarbeiten und die zahlreichen Leuchttürme mischen und nutzen.

Hier im Otterzentrum möchten wir für unser Anliegen weiterhin sensibilisieren und planen daher, das Gelände um zwei weitere Hektar zu vergrößern. Auch im Zeitalter der Digitalisierung bleibt die Beziehung zu Tieren zukunftsfähig, Tiere und deren Schutz sind auch weiterhin attraktiv und authentisch.