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Marionetten mit Persönlichkeit

Sie sind keinen halben Meter groß, aus Holz und Modelliermasse – und doch sind sie alle richtige, eigene Persönlichkeiten: die Marionetten, die Susan Heydecke baut und mit denen sie auftritt. Und sie wäre damit sogar fast im Ensemble der Augsburger Puppenkiste gelandet.

Wer die Diakonin der Kirchengemeinde Wahrenholz und Wesendorf auf ihre Marionetten anspricht, der darf sich auf etwas gefasst machen: Auf spannende, lustige und anrührende Anekdoten rund um ihr Hobby – und auf eine geballte Ladung Energie und Lebensfreude, die der 58-Jährigen zu eigen sind. Ihre Marionetten sind längst viel mehr als ein bloßes Hobby geworden. Susan Heydecke tritt damit in Altenheimen, Gemeindehäusern, Schulen, auf kirchlichen Veranstaltungen und auch bei privaten Anlässen auf. Sie baut nicht nur die Puppen, sie schreibt auch die Theaterstücke, veranstaltet Kurse im Marionettenbau und bastelt mit Kindern Stabpuppen.

Gerd Reckow
Ein Herz und eine Seele – Susan Heydecke und ihre Lieblingspuppe, der freche Franz.

Wie alles begann

Zum Puppenbau ist sie mehr oder weniger durch Zufall gekommen: „Vor 28 Jahren hatte ich die Idee, meinem jüngeren Bruder eine Marionette zum Geburtstag zu schenken. Und das war mein Anfang.“. Allerdings war ihre erste Puppe lange nicht so perfekt wie ihre heutigen Modelle, sagt sie. „Die war nur 15 Zentimeter groß, hatte eine Holzkugel als Kopf und die Fäden habe ich in die Füße gesteckt. Ich hatte also überhaupt keine Ahnung.“ Zur Erklärung dieser selbstkritischen Bemerkung sei noch ergänzt, dass ihre allererste Puppe auch keine Kniegelenke hatte und folglich nur im Stechschritt marschieren konnte. Damals leitete die jetzige Diakonin ein Wohnheim für Krankenpflegeschüler – und die waren so begeistert von dieser Figur, dass sie ihre Leiterin gebeten haben, einen Kursus zum Marionettenbau zu geben. Zu jener Zeit hat sie auch – zusammen mit einer Schülerin – das erste Stück mit dem Titel „Der Zauberer und die alte Dame“ geschrieben – bis heute eines ihrer Lieblingsstücke.

 

Westfälische Wurzeln

Zuhause ist Susan Heydecke eigentlich im westfälischen Ort Petershagen. Wenn sie dort ist, lebt sie mit einer WG in einem alten Bauernhaus. Dort hat sie auch ihre Werkstatt und die Keimzelle der Marionettenbühne „Die kleine Malche-Bühne“, die sie gemeinsam mit acht Freundinnen und Mitbewohnern betreibt. „Das ist alles im Laufe der Zeit gewachsen. Es waren immer Leute da, die mich gefordert haben und die wollten, dass ich mit den Puppen auftrete“, erzählt Heydecke. Und so hat sie bei der Verabschiedung eines Pastors mit einem eigens geschriebenen Stück für Furore gesorgt, hat bei Geburtstagen oder Hochzeiten das Publikum unterhalten und mit den Jahren nicht nur ihre Technik im Marionettenbau, sondern auch ihre Fähigkeiten im Schreiben von Stücken und in der Regie von Aufführungen erweitert.

 

Eine eingespielte Truppe

Irgendwann war dann plötzlich die Marionettenbühne „Die kleine Malche-Bühne“ da. Denn immer wieder kamen Menschen zu ihr, die mitmachen wollten. Beim Bau der Marionetten und auch beim Bespielen der Figuren vor Publikum. Heute sind sie eine eingespielte Theatertruppe, die alles gemeinsam macht: von der Themenfindung über das Schreiben der Stücke, den Bau der Marionetten bis hin zum Aufbau der Bühne und der Gestaltung der Auftritte. Ein Blick hinter die Kulissen macht den großen Aufwand deutlich, der hinter dem Ganzen steckt: „Von der ersten Idee bis hin zur Premiere dauert es etwa ein Jahr.“ Zuerst wird das Stück geschrieben und immer wieder diskutiert und modifiziert, bis es passt. Anschließend werden die Marionetten und Kulissen gebaut und dann geht es ans Proben. „Meistens wird uns die Zeit knapp und dann heißt es manchmal, lasst uns die Premiere verschieben – aber das haben wir noch nie gemacht. Und irgendwie hat es immer noch geklappt“, lacht die Diakonin.

Humorvoll und menschlich

Das Marionettentheater „Die kleine Malche-Bühne“ spielt für große und kleine Leute, zu Familienfesten und Jubiläen aller Art: in Gemeinden, Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen und Einrichtungen für Behinderte. Ihre Geschichten haben immer einen christlichen Hintergrund, wollen zum Nachdenken über Glaubens- und Lebensfragen anregen und Menschen bewegen. Und das auf eine unnachahmliche, humorvolle und menschliche Art und Weise. Eine Lieblingsfigur von Susan Heydecke ist nach wie vor der Franz, ein liebenswerter Lausbub und ausgemachter Frechdachs, wie sie lachend bekennt. Lange Zeit hat sie ihn kaum beachtet und einen Namen hatte er auch nicht. Dann hat sie ihn auf einem Kirchentag durch die Menge laufen lassen.

 

Der freche Franz

Der kleine Kerl hat jede und jeden angesprochen – und alle waren sehr angetan von ihm. Nur ein großer Franziskaner hat ihn übersehen und wäre ihm fast auf die Füsse getreten. Das hat er sich nicht bieten lassen und den großen Mann zur Rede gestellt. „Da habe ich erst gemerkt, wie frech ich sein kann und wie viel Spaß mir das macht“, schmunzelt Heydecke. Der verdutzte Franziskaner jedenfalls hat sich zu der kleinen Marionette heruntergebeugt und sich angeregt mit ihr unterhalten. Die beiden haben dann auch den Namen Franz für den kleinen Frechdachs ausgesucht – und zum Schluss hat der Franziskaner dem Franz ein kleines Kreuz umgehängt und ihn gesegnet. Noch heute wird es Susan Heydecke warm ums Herz wenn sie daran denkt.

 

Große Verlockung

Und wie war das mit der Augsburger Puppenkiste? „Da habe ich Anfang der 90er-Jahre ein Praktikum gemacht und viel gelernt, unter anderem, wie man Tiere baut. Ich habe überall mitarbeiten dürfen und unheimlich viel für mich mitgenommen“, sagt die Diakonin. Nach einem weiteren Praktikum hat man ihr dann die Aufnahme ins Ensemble angeboten. „Das war eine große Verlockung und ich habe lange überlegt“, erinnert sie sich, doch dann habe sie das Angebot letztlich ausgeschlagen. „Ich gehöre mit meinen Marionetten unter die Menschen und in die Gemeinden“, ist sie sich heute sicher. Eine gute Entscheidung und ein Glück für alle, die sie solo oder mit der „Kleinen Malche-Bühne“ erleben dürfen.