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Kräuterpark Altenau
Sehen, Riechen, Schmecken

Mein Wissen über Kräuter beschränkte sich bisher auf die gängigen Küchengewürze von Basilikum bis Thymian – und auf einige Heilkräuter als Hausmittel etwa gegen Schnupfen (Majoran), Hautwunden (Ringelblume) oder Halsschmerzen (Salbei). Mehr ist nicht. Eigentlich schade. Allein in Deutschland gibt es hunderte von Heilkräutern, die früher – bevor es chemische Medikamente gab – gegen die verschiedensten Krankheiten eingesetzt wurden. Sie sind in Vergessenheit geraten, erleben aber heute – auch als Folge des Bio-Booms – eine gewisse Renaissance. Wer mehr über die wundersame Welt der heimischen und exotischen Kräuter erfahren will, der sollte den Kräuterpark in Altenau besuchen. Dort kann man sich über die Vielfalt der Heil- und Küchenkräuter informieren und vor allem: sehen, anfassen, riechen und schmecken.

Größter Kräuterpark der Welt

Ich habe den Kräuterpark besucht und mit der Inhaberin Anita Reinhardt und ihrem Bruder Frank Grabowski, gewissermaßen der Betriebschef, einen Sparziergang durch das weitläufige Gelände gemacht. „Wir sind der größte Kräuterpark in Deutschland, vermutlich sogar in der Welt, und haben jährlich mehr als 150.000 Besucher“, erzählt mir Frank Grabowski. Der Kräuterpark ist eine Touristen-Attraktion im Harz. Es kommen sogar Busse mit Tagesausflüglern und Schulklassen, denen zusätzlich eine Führung angeboten wird. Auch Biker und Mountainbiker machen auf Harz-Tour hier gern einen Zwischenstopp. Besonders freut es Grabowski, dass zunehmend auch junge Leute und Familien mit Kindern herkommen und die Kräuterwelt entdecken wollen. Nach dem Rundgang im Park können sie alle in der großen Gewürzgalerie zwischen 1.800 Kräutern und Gewürzen wählen und einkaufen.

Gewürzrezepte aus aller Welt

Gegründet wurde der Kräuterpark im Jahr 2004 von Erich Jürgens aus Altenau, einem Meister des Garten- und Landschaftsbaus, der ihn dann schrittweise erweiterte und ausbaute. Nach seinem Tod führte seine Frau Anita den Park fort. Jürgens große Leidenschaft war das Reisen. Er brachte von seinen Touren aus aller Welt viel Kräuter-Wissen und noch mehr Rezepte für exotische Kräutermischungen mit. Die werden noch heute genutzt. In der Gewürzgalerie werden heute 800 verschiedene Gewürzmischungen angeboten. Allein zum Würzen von Fisch habe ich 35 Mischungen gezählt, darunter exotische Rezepte aus Nepal, Namibia oder Tahiti.

 

Farbenpracht im Sommer

Der Kräuterpark ist 35.000 Quadratmeter groß. Er wirkt auf mich wie eine Mischung aus Garten und Landschaftspark. Es sind mehr als 300 Pflanzen angebaut worden – allesamt winterfest. Sie stehen in kleinen oder auch größeren Beeten für ganze Pflanzengattungen, etwa für Salbei, Melissen oder Minzen oder auf großen wiesenartigen gemischten Flächen. So gibt es mitten im Park eine wilde Wiese mit harztypischen Kräutern. „Wir wollen alles möglichst naturnah gestalten“, erklärt Anita Reinhardt. Der Spaziergang an diesem angenehm warmen Sommertag ist ein Fest für die Sinne, weil jetzt im Sommer die meisten Kräuter blühen. Viele Pflanzen werden von Bienen und Schmetterlingen umschwirrt. Die Farbenpracht der Pflanzen ist überwältigend, eine Augenweide: Da gibt es beispielsweise Lavendel in allen Blauschattierungen, das Natternkraut in sattem Lila, Ringelblumen in Gelb oder Orange, die Schafgarbe in leuchtendem Pink, den dunkelblauen Meerkohl oder die knallig gelbe Zitronentaglilie.

 

Gewürze in Bio-Qualität

Alle Pflanzen darf man anfassen, man darf auch mal eine Blüte oder ein Blatt abbrechen und probieren und so auf den Geschmack kommen. Interessant fand ich den chinesischen Lauch, der nicht ganz so eindrucksvoll aussieht, dafür aber in einem Blatt gleich mehrere Geschmacksnuancen enthält. Grabowski: „Die Besucher können bei uns nicht nur schnuppern, sondern auch anfassen und Pflanzenteile schmecken.“ Geerntet wird im Park nämlich nicht. Alles was in der Gewürzgalerie verkauft wird, kommt von größeren Zulieferern oder Importeuren. „90 Prozent unserer Gewürze haben Bio-Qualität“, verspricht Grabowsi. Das gelte übrigens auch für Kräuter-Topfpflanzen, die – demeter-zertifiziert – bis September verkauft werden.

Das Kraut der Unsterblichkeit

Neben jeder Kräuterpflanze im Park steht ein kleines Schild mit Informationen, auch über bekannte Heilwirkungen. Und da gibt es unzählige Varianten. Anita Reinhardt nennt mir nur einige Beispiele: Das Eisenkraut etwa hilft bei der Wundbehandlung, das eher unbekannte Alant oder die Granatapfelfrucht mindern Bronchitis-Beschwerden, das Beinwell unterstützt die Knochenheilung, das Habichtskraut bremst einen Durchfall, die kriechende Günsel hilft bei Rheuma, der Huflattich schützt die Atemwege. Anita Reinhardt zeigt mir auch die chinesische Pflanze Jiaogulan, die den schönen deutschen Namen „Kraut der Unsterblichkeit“ trägt und angeblich das Immunsystem besser stärken soll als das klassische Ginseng.

 

Die Lieblingspflanze: Löwenzahn

Ich frage den Park-Chef, ober er eine Lieblingspflanze habe – und bekomme eine überraschende Antwort: der farblich schöne und sehr widerstandsfähige Löwenzahn. Grabowski: „Der ist bei vielen Menschen ebenso wie die Brennnessel eher als Unkraut verschrien. Er hat aber, als Tee oder Salat eingenommen, viele heilende Wirkkräfte und stärkt vor allem das Immunsystem.“ Im Kräuterpark gibt es nicht nur Beete und Wiesen, sondern auch ein Feuchtbiotop rund um einen Teich, einen kleinen Wasserfall und einen Steingarten. Mitten im Park steht eine zehn Meter hohe Pagode, in der man eine Ausstellung über die Geschichte der Kräuter sehen kann – etwa über die Seewege nach Indien, dem einstigen Gewürzparadies, ober über Seiden- und Weihrauchstraße.

 

Schaurösten: Indisches Curry

Unser Rundgang endet am Hauptgebäude in der Gewürzgalerie, in der es verlockend nach den Gewürzen dieser Welt duftet. Anita Reinhardt macht für uns ein „Schaurösten“, das sonst regelmäßig Besuchergruppen angeboten wird. Denn Gewürzmischungen werden entweder trocken gemahlen und gemischt oder geröstet und gemischt. „Wir rösten Gewürze, die ätherische Öle enthalten, die so freigesetzt werden und ihr volles Aroma entfalten“, erläutert sie. In einer großen Pfanne entsteht eine indische Curry-Mischung aus Chili, Koriander, Kreuzkümmel und Bockshornklee. Senfkörner und Chili – später werden Ingwer und Kurkuma hinzugefügt. Das Ergebnis riecht unwiderstehlich

Regionale Produkte

In dem Laden gibt es neben den 800 Gewürzmischungen noch jede Menge reiner Küchengewürze und Heilkräuter, einschließlich besonderer Tees. Angeboten werden auch Kräuterliköre nach eigenen Rezepten, Senf und Honig, Pasta und Soßen sowie Räucherwerk. „Wir wollen in Zukunft noch mehr regionale Produkte aus dem Harz anbieten“, kündigt Grabowski an. Ich esse in der kleinen Gastronomie eine Harzer Kräuterbockwurst. Zum Abschluss mache ich einen Bummel durch den Verkaufsraum und schnuppere hier und da an Proben (es gibt für jedes Produkt eine Riechprobe), kaufe dann einige Gewürze – etwa Berbere aus Äthiopien, gut für Fleisch und Fisch.