Architektonische Besonderheit: der doppelschiffige Lesegang. Beate Ziehres

Kloster Walkenried
- Hausbesichtigung bei den Mönchen

Die überdimensionale und schwere Tür gegenüber der Museumskasse ist der Zugang zu einer anderen Welt. Als ich die Schwelle übertrete, kommt mir kalte, feuchte Luft entgegen. Sogar das Licht ist kalt und fahl an diesem Tag. Es schneit. Ich bin im Kloster Walkenried und schicke mich an, das Haus der Mönche zu besichtigen.

Es ist eine Zeitreise ins Mittelalter, auf der mich Dr. Brigitte Moritz begleitet und führt. Sie ist die Kuratorin der Ausstellung, die viele Menschen ins Zisterziensermuseum Kloster Walkenried lockt. Selbst am Tag meines Besuchs, einem ganz normalen Wintertag in der Woche, sind hier einige Leute unterwegs. Eingepackt in dicke Jacken und Schals sowie mit Mützen auf den Ohren erkunden sie den doppelschiffigen Lesegang, Brunnenhaus und Brüdersaal.

„Wir wollen alle Generationen ansprechen, von Kindern bis zu Senioren,"

sagt Dr. Brigitte Moritz, Kuratorin der Ausstellung

Im komplett erhaltenen gotischen Kreuzgang aus dem 13. Jahrhundert begegne ich dem Mönch Konrad. Konrad ist nicht echt, sondern ein Pappaufsteller. Gemeinsam mit der Maus Matilde übernimmt er die Audio-Klosterführung für die Kinder. „Wir wollen alle Generationen ansprechen, von Kindern bis zu Senioren. Deshalb haben wir damals vor 14 Jahren, als wir die Ausstellung konzipiert haben, gleich eine Kinderebene integriert“, sagt Brigitte Moritz. Konrad und Matilde spielen darin tragende Rollen.

Wir stehen an der Tür zur Büßerzelle und schauen in die schwach beleuchtete Tiefe. In diesem Gefängnis mussten Mönche ausharren, die gegen eine klösterliche Regel verstoßen hatten. Eine Tafel neben der Tür ergänzt die Audio-Guides. „Die Büßerzelle ist die Lieblingsstation der Kids“, schmunzelt Brigitte Moritz. Das kann ich gut nachvollziehen.

Blick in die Büßerzelle Beate Ziehres
Blick in die Büßerzelle

Lebensinhalt der Mönche: arbeiten und beten

Gleich am Eingang der Ausstellung mache ich in der ehemaligen Abtei Bekanntschaft mit dem heiligen Benedikt. Ich erfahre, dass Benedikt Regelgeber für alle mittelalterlichen Mönche im europäischen Kulturraum war. Über allem stand das Motto „Ora et labora“, also „bete und arbeite“.

Ich werde gleich erleben, wie dieser Grundsatz das Leben im Zisterzienserkloster geprägt und die Tage strukturiert hat. Die Zisterzienser sind eine Abspaltung der Benediktiner. „Sie wollten sehr asketisch und im Sinne der 12 Jünger leben“, weiß Brigitte Moritz.

Walkenried war ein frühes Zisterzienserkloster, das im Jahr 1127 von einer Frau gestiftet wurde: von Adelheid von Walkenried. Dass eine Frau ein Männerkloster gründet, war damals schon sehr außergewöhnlich. Während einer Pilgerreise hatte Adelheid Mönche des neugegründeten Zisterzienserklosters Kamp am Niederrhein kennengelernt. Sie bot ihnen die Besiedlung ihres Landes an der Wieda an. Ein Erkundungstrupp reiste voraus und beurteilte die Lage und die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entfaltung am Harz positiv. So stand einer Klostergründung nichts im Wege. 1129 begannen die Zisterzienser mit dem Bau einer romanischen Klosterkirche.

 

Eine der größten Kirchen Norddeutschlands

Bedeutende Relikte der Kirche, sogenannte Werksteine, sind heute noch im Lapidarium des Klosters zu sehen. Die Klosterkirche selbst wurde in den Bauernkriegen 1525 stark beschädigt. Mehrere hundert aufständische Bauern brachten seinerzeit den hölzernen Dachreiter der Kirche zum Einsturz. Der Dachreiter riss ein Loch ins Gewölbe, das nie mehr abgedichtet wurde.

So ist von der Klosterkirche, die nach ihrer Erweiterung im 13. Jahrhundert mit einer Länge von über 90 Metern eine der größten Kirchen Norddeutschlands war, heute nur eine Ruine übrig. Handwerker bemühen sich, den weiteren Verfall aufzuhalten.

 

Im Lapidarium sind beispielsweise auch typische Dachziegel, Fliesen und Fensterglasscherben aus der damaligen Zeit zu sehen. Tatsächlich verfügte die Kirche über riesige Glasfenster in zurückhaltenden Farben, wie es bei den Zisterziensern üblich war.

Vorbei an der Latrine und durch die Krankenstation der Mönche kommen wir jetzt ins Dormitorium. Hier ist es kuschelig warm. Ein paar Mönche in Kutten aus weißer, gewalkter Wolle empfangen uns im Schlafsaal der Mönche. Die Betten sind verschwunden, dafür zeigt die Ausstellung beispielsweise den Aufstieg und Fall des Klosters.

Darum wird es alle 25 Minuten dunkel im Kloster

Während ich mich noch darüber wundere, wie schnell ein Zisterzienserkloster damals gewachsen ist, geht das Licht aus. Einzig die acht Stundengebets-Würfel leuchten verhalten. Meditative Musik ertönt und ein entsprechender Text wird vorgelesen. Zeit zum Innehalten und zum Nachdenken.

„Die Mönche mussten sieben Mal am Tag und einmal in der Nacht beten. Ihre Aufgabe war, dafür zu sorgen, dass das Gebet niemals aufhört. Sie haben gewissermaßen die Sünde der Welt auf sich genommen und dafür gebetet, dass die Menschheit ewiges Leben erlangen kann“, erklärt mir Brigitte Moritz, nachdem das Licht wieder angegangen ist. „Der Stundengebetsrhythmus hat über Jahrhunderte hinweg den ganzen Tagesablauf der Mönche bestimmt.“

Stundengebetswürfel im Dormitorium Beate Ziehres
Stundengebetswürfel im Dormitorium

Um diesen Rhythmus anschaulich zu machen, haben die Ausstellungsmacher die acht Stundengebete auf die Öffnungszeiten des Museums verteilt. Deshalb geht alle 25 Minuten das Licht für kurze Zeit aus für eine kontemplative Pause. Im Mittelalter dauerte die Nachtruhe der Mönche von 21 bis 2 Uhr. Um 2 Uhr hieß es aufstehen zum Nachtgebet. Die verkürzte Nachtruhe wurde ausgeglichen durch einen ausgedehnten Mittagsschlaf.

 

Mönche sind mitverantwortlich für wirtschaftlichen Erfolg im Harz

Im Dormitorium erfahre ich auch, dass das Kloster Walkenried ein florierender Wirtschaftsbetrieb war. Als ein Teil des sogenannten Weißen Konzerns betrieben die Zisterzienser beispielsweise Bergwerke im Harz.  Gemeinsam mit der Bergbaustadt Goslar waren sie für fast drei Jahrhunderte die bedeutendsten Bergherren am Rammelsberg.

Die Zisterzienser in Walkenried begründeten die Oberharzer Wasserwirtschaft Beate Ziehres
Die Zisterzienser in Walkenried begründeten die Oberharzer Wasserwirtschaft

Schon im frühen 13. Jahrhundert entwickelten die Walkenrieder Mönche erste Systeme zur Wasserversorgung ihrer eigenen Montan- und Teichwirtschaft. Sie sind die Begründer der Oberharzer Wasserwirtschaft. Deshalb ist das Kloster Teil des UNESCO Welterbes „Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft“. Die Oberharzer Wasserwirtschaft gilt als das größte vorindustrielle Energieversorgungssystem der Welt. Ohne die intensive Nutzung der Wasserkraft hätte sich der Harz möglicherweise nicht zu einer bedeutenden Bergbauregion entwickeln können.

Während wir uns im Museumscafé aufwärmen und einen Kaffee trinken, erzählt Brigitte Moritz, dass das Welterbe-Infozentrum im April in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters Walkenried eröffnet wird. Mit Sicherheit ist das für mich ein Anlass, wieder einmal in Richtung Südharz aufzubrechen. Übrigens: Das im Landkreis Göttingen gelegene Kloster Walkenried ist einer von über 100 zeitORTEn im Braunschweiger Land.

Tipp

Im Laufe des Jahres laden viele außergewöhnliche Veranstaltungen wie die Walkenrieder Kreuzgangkonzerte, der Klostermarkt oder die Nacht der offenen Pforte zu Besuchen im Kloster ein. Darüber hinaus gibt es Führungen bei Kerzenschein und im Abendlicht. Mehr darüber hier

Dieser Beitrag wurde für den Blog der zeitORTE verfasst von Beate Ziehres