Gesine Zäuner am Arbeitstisch. Meike Buck

Dreigenerationenhäuser und andere Schmuckstücke

Manchmal sind es die Zufälle, die unverhofft das große Glück bringen – wie bei Gesine Zäuner. Die Goldschmiedin und Schmuckdesignerin lebt und arbeitet mit ihrer Familie in Hornburg. Auf zwei großen Grundstücken am Hang des Iberges haben drei Generationen ein Zuhause gefunden.

Gesine Zäuner empfängt mich in ihrem Garten, da habe ich schon einen steilen Anstieg die Auffahrt hinauf hinter mir. Das ist der Iberg, lerne ich später. Und schon sind wir mittendrin, bei einem Rundgang durch den Garten erzählt sie mir die Vorgeschichte ihrer ungewöhnlichen Lebens- und Wohnsituation: Bei Umzugsplänen der Familie ihrer Schwester fiel zum ersten Mal der Name „Hornburg“.

Viele glückliche Zufälle

„Kannte ich gar nicht“, gibt Gesine zu. Ihre Schwester hatte ein Haus inmitten eines großen Gartens entdeckt, das mit einer Einliegerwohnung auch Platz für die Mutter bieten würde. Gesine wohnte zu der Zeit mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Braunschweig und als auch sie aus ihrer Wohnung ausziehen mussten, entstand die Idee, mit beiden Familien an den Iberg zu ziehen – denn wie der Zufall es wollte, stand auch das Haus nebenan zum Verkauf.

Gesines grüne Idylle

Wir schlendern durch den großen Garten, vor dem Haus blühen bunte Stauden, es summt und brummt, wir beobachten eine dicke Hummel, die den Nektar aus einer der Blüten sammelt.
Viele Leute würden sie ungläubig fragen, wie sie es denn schaffen würde, so einen großen Garten zu pflegen. „Aber ein Garten muss nicht viel Arbeit machen“, erklärt Gesine, man müsse ja nicht alles akkurat anlegen hat und jedes unerwünschte Pflänzchen als „Unkraut“ bekämpfen. Sie liebt es, sich um die Pflanzen zu kümmern und das sieht man: auf der Terrasse stehen Tomaten und Zucchini in Töpfen, in einem Beet wachsen Erdbeeren, die roten Früchte duften verlockend.

Pflanzen und Insekten vor einem Haus. Meike Buck
Der bunte Bauerngarten ist ein Paradies für Insekten.

Dass wir die Grenze zum Garten ihrer Schwester übertreten, merken wir kaum, beide Grundstücke sind miteinander verbunden. Hier wachsen Gemüse und Beeren, als neustes Projekt ist in diesem Jahr ein kleines Gewächshaus hinzugekommen. „Das Anbauen von Gemüse und Obst wollen wir weiter ausbauen“, sagt Gesine Zäuner. Und dann sollen irgendwann auch Hühner den Garten bewohnen.

Viel Arbeit und noch viele Pläne

Der erste Eindruck des Hauses sei eher abschreckend gewesen, erzählt Gesine. Als sie mich in den Keller führt, kann ich es mir vorstellen: dunkel tapezierte Wände, grellbunte Heizkörper – 1970er Jahre, aber ohne den mittlerweile wieder beliebten Retro-Charme. „Aber Phantasie und Vorstellungskraft gehören zu meinem Beruf“, lacht Gesine. So bekam der Wohnbereich ein zusätzliches Fenster, die Küche einen Durchbruch in den Wohnbereich, die Badezimmer helle Fliesen, ein Teil der Fassade eine neue Verkleidung.

Auch im Garten wurde ordentlich Tabula rasa gemacht, Bäume mussten weichen, altes Holz wurde entfernt – und zum Vorschein kam eine Terrasse, die jetzt im Schatten der Bäume zum Ausruhen einlädt.

Für die nächsten Jahre bleibt noch viel Arbeit für die Familie, die das meiste in Eigenleistung macht. Nur beim Ausbau des Dachbodens half ein Zimmermann.

Einrichtung mit Liebe zum Detail. Meike Buck
Einrichtung mit Liebe zum Detail.

Schmuckstücke im Internet

Wir steigen die Treppe in den ausgebauten Dachboden hinauf, in dem lichtdurchfluteten Raum hat Gesine ihre Werkstatt eingerichtet.
Sie ist gelernte Goldschmiedin und studierte im Anschluss noch Metallgestaltung. Nach dem Studium eröffnete sie zunächst mit einer Freundin einen Laden in Goslar. „Das war vielleicht ein wenig naiv“, gibt sie zu, „aber wir konnten uns ausprobieren und Erfahrungen sammeln.“

Einen Laden kann sie zurzeit nicht betreiben, sie möchte mehr Zeit für die Familie haben. So bietet sie ihren Schmuck auf Märkten an, im letzten Jahr waren mehrere Goldschmiedekurse an Volkshochschulen geplant. Doch Corona warf auch hier viele Pläne um und Gesine musste andere Wege suchen.
„Corona war der Anstoß, meine Schmuckstücke übers Internet zu verkaufen.“ Wie gut das funktioniert, überrascht Gesine auch selbst, schließlich kann man den Schmuck nicht vorher anfassen und „begreifen“.

Nachhaltiger Start ins Eheglück


Ich staune über den Blick, den man von hier oben über den kleinen Fallstein Richtung Halberstadt und Schöningen hat. Welch‘ eine Inspiration für die Gestaltung von Schmuckstücken! 

Auch der Harz – Bäume, Pflanzen, die Natur – findet sich oft in Gesines Entwürfen. So auch bei ihrem „Verkaufsschlager“, den Eheringen „Baum“, deren Oberflächen einer Baumrinde nachempfunden sind. Und Gesines Leidenschaft für die Natur geht noch weiter: für jeden verkauften Ring spendet sie einen Beitrag für das Wiederaufforstungsprogramm der Niedersächsischen Landesforsten im Harz. „Mir ist der Harz wirklich ans Herz gewachsen, seit ich in der Nähe wohne. Es ist mir wichtig, etwas zum Erhalt dieser einzigartigen Natur beizutragen“, begründet Gesine ihr Engagement.

Da ist es nur logisch, dass sie ihren Schmuck plastikfrei in Karton und Sisal verpackt und die Silberreste, die beim Herstellen der Schmuckstücke anfallen, selbst einschmelzt, um das Material wiederzuverwenden. Und auch Schmuck, der seinen Besitzern nicht mehr gefällt, arbeitet sie um, damit er wieder getragen wird.

Hornburg: Platz für Träume und Pläne

Und die Wohnsituation, so viel Familie eng beieinander, ob ihr das nicht zuviel werde, frage ich. Gesine lacht und beteuert, es sei genau richtig so. Die Kinder – neben Gesines zwei Söhnen hat auch ihre Schwester zwei Söhne in ähnlichem Alter – haben in den Gärten einen großen Spielplatz, auf dem sie jeden Tag neue Abenteuer erleben und dabei die Natur entdecken. Die Großmutter ist nah dran und unterstützt, gerade auch während der Pandemie, „es ist ein Geben und Nehmen“, beschreibt Gesine.

Die Wege in einer Kleinstadt wie Hornburg sind kurz, trotzdem – oder gerade deshalb - ist viel Platz für eigene Träume und Pläne. Aber ob ihr das Angebot an Kultur- und Freizeitaktivitäten, das eine Großstadt bietet, nicht fehlt? Städte wie Braunschweig, Wolfenbüttel oder Goslar seien ja nicht weit weg, sagt Gesine. Und außerdem: „Man kommt hier zur Ruhe, hat seine Plätze auf dem Grundstück, wo man ausspannen kann. Der Drang, wegzugehen, ist viel kleiner geworden“, erzählt Gesine.

Und wenn es doch in den Füßen juckt und es eventuell eine Extraportion Romantik braucht, unternimmt sie einen Spaziergang weiter den Iberg hinauf und genießt die Aussicht auf den Brocken, hinter dem abends die Sonne untergeht.