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Weltweit Spitze:
Sympatec misst kleinste Teilchen

Ein mittelständisches Hightech-Unternehmen mit Weltgeltung, das seine Unternehmensphilosophie an den Weisheiten von sieben altgriechischen Denkern orientiert – das gibt es in Clausthal-Zellerfeld. Die Sympatec GmbH ist weltweit spitze in der Partikelmesstechnik und zugleich ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Unternehmen. 

Über dem Eingang des modernen Firmengebäudes, das schlicht in Stahl, Stein und Glas gestaltet ist, steht der Satz: „Alles mit Maß.“ Den hat der griechische Philosoph Kleobulos vor 2.500 Jahren formuliert. Der Satz hat für Sympatec eine doppelte Bedeutung. Er bezieht sich einerseits auf die Produkte des Unternehmens, das Messgeräte zur Analyse kleinster Partikel von beispielsweise Zement, Medikamenten oder Rohstoffen herstellt. Er bezieht sich aber auch auf das strategische Konzept und den Managementstil des Unternehmens.

 

„Wir leben diese Werte“

In der zweistöckigen lichten Eingangshalle wartet eine Vielfalt sehr lebhafter Eindrücke auf den Besucher. Dutzende von Nationalflaggen hängen von der Decke, von einer Galerie grüßen stilisierte Figuren mit den unterschiedlichsten Kopfbedeckungen – alle repräsentieren die mehr als 60 Länder, in denen Sympatec mit eigenen Tochterfirmen, Vertriebsbüros oder durch Partner vertreten ist. Ein edler Flügel zeugt von den hier regelmäßig im Rahmen des HarzClassixFestivals stattfindenden Konzerten mit Weltstars, moderne Kunst zum Thema Natur und Mensch hängt an den Wänden.

An den Durchgängen prangen weitere vorsokratische Weisheiten, die einst im Apollo-Tempel von Delphi (wo das berühmte Orakel zu Hause war) zu lesen waren. Vor dem Chefbüro heißt es beispielsweise: „Wer folgen lernt, lernt auch zu führen.“ Vor dem Entwicklungsbereich steht: „Gib deine Geheimnisse preis.“ Und wenn Besucher oder Mitarbeiter das Haus verlassen, wird ihnen die Aufforderung „Erkenne dich selbst“ mit auf den Weg gegeben.

Ist das nicht ziemlich abgehoben für ein Unternehmen des 21. Jahrhunderts, das Hochtechnologie herstellt? „Keineswegs“, meint der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Stephan Röthele: „Wir leben diese Werte als Corporate Governance. Alles was man wissen muss, um ein junges Unternehmen mit klassischer Orientierung zur Entwicklung einer internationalen Kultur individuellen unternehmerischen Handelns auszustatten, war vorsokratischen Denkern schon vor 2.500 Jahren bekannt.“ Röthele ist Ingenieur, interessiert sich aber auch für philosophische Aspekte. Er hat auch schon Vorträge über „Moral im Kapitalismus“ gehalten.

 

Start mit einer Durchbrucherfindung

Röthele hat das Unternehmen 1984 als Wissenschaftler an der TU Clausthal zusammen mit Partnern gegründet. Es war die erste Ausgründung aus der TU und die bisher erfolgreichste. Die Gründung startete mit einer „Durchbrucherfindung“, wie es Röthele nennt: Mit ihrer neuen Technologie war es erstmals möglich, kleinste Partikel auch in trockenem Zustand zu analysieren. Bis dahin war das nur in flüssigem Zustand möglich – weshalb trockene Teilchen eigens mit viel Aufwand „gebadet“ werden mussten. In der Folgezeit wurde diese Trockentechnologie weiterentwickelt und zugleich neue innovative Messtechniken auf den Markt gebracht.

Heute bietet das Unternehmen vier Technologien zur Partikelmessung an: von der Bildanalyse über Ultraschall und Laserbeugung bis zur optischen Kreuzkorrelation. Welche Technik die richtige ist, das hängt von dem Material und von der  Art der Teilchen ab. „Grundsätzlich können wir die Größe, die Form, die Konzentration und die Verteilung von Partikeln messen und analysieren“, erläutert Röthele. Das geht ab Partikelgrößen von unter einem Nanometer – das ist ein Millionstel Millimeter.

Solche Partikel werden beispielsweise in der Elektronik, in Hochleistungskeramiken oder in pharmazeutischen Produkten verwendet. Die Messgeräte von Sympatec werden sowohl zur Qualitätskontrolle im Labor als auch zur Kontrolle der Produktion eingesetzt. Dabei können die Geräte heute auch „inline“, also direkt in den Produktionsfluss integriert werden. Sympatec liefert seine Geräte vor allem an Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Chemie, Rohstoffe, Farben und Lacke, Zement, Metallurgie und Lebensmittel.

„Bisher haben wir weltweit bald 5.000 Geräte geliefert“, berichtet Röthele. Der Exportanteil beträgt über 80 Prozent. In zwölf Ländern auf allen Kontinenten ist Sympatec mit eigenen Tochterfirmen oder Vertriebsbüros vertreten, in 50 Ländern arbeitet man eng mit Vertriebspartnern zusammen. Insgesamt liefert Sympatec seine Geräte bisher in mehr als 75 Länder. Das Unternehmen ist ein „hidden champion“: ein selbstständiger Mittelständler, der sich mit seiner Durchbruchinnovation auf allen wichtigen Märkten der Welt etabliert hat.

 

Kapitalismus und Gemeinsinn

Für Röthele ist Clausthal-Zellerfeld „der beste Standort “. Er zitiert eine internationale Studie, nach der die alte Bergstadt mit ihrer großen Bergbau- und Geologietradition weltweit  in der Partikeltechnik bekannt ist. Man arbeite weiter eng mit der TU zusammen, betont Röthele. Zugleich werden ständig bis zu 20 Studenten als Hilfskräfte und Praktikanten, später als Diplomanden eingesetzt. Das seien die Nachwuchskräfte von morgen. Sympatec beschäftigt in Clausthal-Zellerfeld 100 Mitarbeiter, weltweit sind es 150.

„Von unserem wirtschaftlichen Erfolg wollen wir ein Stück an die  Gesellschaft zurückgeben“, erklärt Röthele. Er spricht von den vier ethischen Säulen des Kapitalismus. Röthele: „Es wird viel von der Individual-, Eigentums- und Vertragsmoral geredet, aber kaum über die vierte Säule – den Gemeinsinn.“ Das Unternehmen hat ein Sponsoringkonzept entwickelt, mit dem Fundamente gesichert und Talente gefördert werden sollen. Das Spektrum der Projekte reicht von der Sanierung der historischen Marktkirche Clausthals über die Initiierung des HarzClassicsFestivals bis zur Unterstützung der inzwischen weltweit bekannten Biathleten aus dem Oberharz.

 

Einstieg in die Oberharzer Unterwelt

Sympatec bietet im eigenen Haus noch etwas Einmaliges, was im Zusammenhang mit dem Unesco-Weltkulturerbe „Oberharzer Wasserwirtschaft“ entstanden ist: einen eigenen Einstieg in die Oberharzer Unterwelt. Im Keller des Firmengebäudes, das 2004 auf einem ehemaligen Bergwerksgelände errichtet worden ist, befindet sich der Zugang in den Wetterschacht der berühmten ehemaligen Erzgrube „Caroline“. Sympatec hat die Einrichtung des jetzt 26 Meter tiefen Schachtes geplant und finanziert. Von diesem führt ein über 500 Meter langer Stollen zum Ausstieg am unteren Pfauenteich.

Die Anlage gehört heute zum Oberharzer Bergwerksmuseum, das regelmäßig Führungen durch diese bergmännische Unterwelt anbietet. Die starten oder enden jeweils bei Sympatec im Untergeschoss – ein Hauch von Abenteuer, auf jeden Fall eine touristische Attraktion. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Preisen und Auszeichnungen hat Sympatec für sein Gemeinsinn-engagement den Kulturkontaktepreis des Landes Niedersachsen erhalten.

Jörg Scheibe
Ein Messgerät wird mit Sand geladen