Die Zukunft der Mobilität spielt sich nicht nur auf der Straße ab, sondern auch auf der Schiene. Von den spannenden Entwicklungen in diesem Bereich erfuhr Miriam Grupe von Jens Sprotte, Vice President Marketing and Strategy bei Alstom.
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Alstom in Salzgitter
Mobilität in der DNA
Alstom beschäftigt in Deutschland etwa 9.600 Mitarbeitende, davon sind allein am Standort Salzgitter ca. 2.000 beschäftigt. Weltweit sind über 80.000 Arbeitnehmende für den Konzern tätig, der mehr ist, als nur ein Hersteller für Schienenfahrzeuge.
Bekenntnis zum Standort Salzgitter
Am Haupteingang holt mich Andreas Florez, External Communications Director, ab und dann geht’s mit dem Auto zum Büro, in dem ich Jens Sprotte treffe. Denn das Gelände ist riesig! Große Lager- und Produktionshallen, Büros und natürlich ein Testgelände sind hier beheimatet.
Alstom in Salzgitter ist der größte Fertigungsstandort in der Alstom-Gruppe und hat schon seit 1949 eine wichtige Bedeutung. „Wir fühlen uns der Region verpflichtet“, bemerkt Sprotte. Das zeigt sich auch darin, dass Alstom eine große Ausbildungswerkstatt betreibt, wo den eigenen Auszubildenden das nötige Wissen vermittelt wird. Wie in vielen Bereichen auch, ist es aber auch hier zunehmend schwieriger, die geeigneten Fachkräfte und Auszubildenden zu finden, bedauert Sprotte. Und dabei ist das Thema „Bahn“ mehr als spannend!
Pünktlich, sauber, komfortabel: Dafür will Alstom sorgen
Schienenverkehr ist nicht mehr wegzudenken, das ist auch hinsichtlich des Klimaschutzes mehr als klar. Wollen wir die Klimaziele erreichen, dann muss die Schiene perspektivisch noch weiter ausgebaut werden und mehr bisheriger Lkw-Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Aber auch der Individualverkehr ist „grüner“, wenn die Menschen mehr Zug fahren. Dass mehr Leute darauf umsteigen, bedarf allerdings ein paar Voraussetzungen. Dafür muss die Bahn pünktlich sein, sauber und dem Gast Komfort bieten. Und dass das alles passt, dafür will Alstom sorgen.
Damit die Züge reibungslos laufen, bietet Alstom einen Full-Service für die Bahn-Betreiber an. Ein schönes regionales Beispiel hierfür ist der ENNO, hier baut Alstom nicht nur die Züge, sondern wartet sie auch in einer eigenen Werkstatt in Braunschweig fast direkt an der Strecke. Somit kommen die Fahrzeuge direkt nach der Wartung morgens schon wieder auf die Schiene. Alstom zeigt damit, was auch für einen Hersteller an Serviceleistung möglich ist. „Wir möchten den ENNO gerne als Blaupause für andere Städte in Deutschland nutzen“, meint Sprotte.
Aber nicht nur mit dem ENNO nimmt Alstom eine Vorreiterrolle in der Region ein. Auch bei den neuen Antriebsformen, die hier entwickelt werden, insbesondere Wasserstoff und Batteriebetrieb, ist Alstom ganz vorne mit dabei.
Wasserstoff und Batterie
Beide Antriebsarten laufen nicht als Oppositionspaar, sondern parallel, denn jeder Antrieb hat seine Besonderheit und bietet Vorteile. Wasserstoff ist ein Medium, das gut gespeichert werden kann und damit direkt in die Mobilität einzahlt. Er eignet sich für lange Strecken, die eine Batterie noch nicht schafft. So erreichen Züge, die mit Wasserstoff fahren, Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometer – und das ohne Oberleitung.
So weit kommt ein batteriebetriebener Zug zwar nicht, er schafft im Batteriebetrieb ca. 100 bis 150 Kilometer, aber dafür bietet er einen anderen Vorteil: Er verbindet Strecken mit und ohne Oberleitung, die sonst nicht bedient werden könnten, prima für den Fahrgast! Die Batterie speist den Zug also, wenn die Oberleitung endet - und wird wieder abgeschaltet, wenn der Pantograf – also der Stromabnehmer – wieder an einer Oberleitung hängt. Dafür reichen die 100 Kilometer locker.
Insgesamt sind bisher 41 Wasserstoffzüge in Deutschland unterwegs. 14 davon fahren in Bremervörde, 27 im Raum Frankfurt. Es sind die einzigen zugelassenen Passagierzüge mit Wasserstoffantrieb. Alle wurden in unserer Region entwickelt und produziert!
Mobilität ganzheitlich gedacht
„Wir denken bei Alstom Mobilität ganzheitlich“, betont Jens Sprotte. Und dazu gehören neben Zügen auch andere Mobilitätslösungen. Alstom hat dazu ein Forschungsprojekt gestartet, dass im Stadtverkehr Elektrobusse mit Straßenbahnen in einem Netz zusammenbringt. „GUW+“ (ein Gleichrichterunterwerk) ist in Hannover im Einsatz und sorgt für eine gemeinsame Energieversorgung von E-Bussen und den Stadtbahnen. Es dient als wirksamer Energiespeicher. Bremst ein Bus zum Beispiel, erzeugt er durch Rekuperation Energie. Diese und auch die Energie, die Straßenbahnen in Spannungsspitzen abgeben können, werden im GUW+ gespeichert und kann auch wieder an die Fahrzeuge abgegeben werden. So schließt sich ein Kreislauf. „Dieses System sehen wir für viele Städte weltweit als hervorragende Lösung an und wollen in diesem Bereich stark wachsen.“
„An dieser Stelle möchte ich auch noch mal ausdrücklich der Niedersächsischen Landesregierung für ihre enorme Unterstützung bei solchen Forschungsvorhaben danken“, betont Jens Sprotte.
In Zusammenarbeit mit der Stadt Salzgitter und anderen Partnern aus der Region hat Alstom eine Wasserstoff-Lokomotive mit Direkteinspritzung entwickelt. Diese Loks könnten künftig bisherige Diesel-Rangierloks ersetzen. Oft müssen Rangierloks auch in Produktionshallen fahren – mit der sauberen Wasserstoff-Lok würde an dieser Stelle der umweltfreundliche Antrieb auch der Gesundheit der Mitarbeitenden in den Hallen zugute kommen.
Pünktlich und energiesparender dank Digitalisierung
Andreas Florez hat noch einen wichtigen Punkt: Digitalisierung. Zum einen muss das Streckennetz der Bahn digitalisiert werden. Das geht über die Stellwerke und Signale bis hin zum automatisierten Fahren. Das würde mehr Züge auf die Strecke bringen und gleichzeitig circa 30 Prozent weniger Energie verbrauchen, denn ein automatisierter Zug reagiert viel schneller und effizienter, als ein Mensch das kann. Und noch einen Vorteil sieht Florez: „Die Bahnen haben eine maximale Verfügbarkeit dadurch, dass der Zug künftig durch seine digitalisierten Systeme erkennt, wo er ein Problem hat. Er kann dann eigenständig sofort melden, wo die Störung droht und was sie verursacht. In der Werkstatt kann danach sofort alles für die Reparatur bereitgehalten werden, wenn das Fahrzeug zur Standard-Wartung fährt. Das spart viel Zeit.“
Sprotte ergänzt, dass mit einer Automatisierung der Züge auch die Pünktlichkeit steigen wird. Was sicher jedem Bahnfahrer Freude machen wird!
Wo steht die Bahn in 30 Jahren?
Und wo wir schon bei den Zukunftsszenarien sind, möchte ich gerne noch wissen, welche Besonderheiten die Bahn in 30 Jahren ausmacht. Jens Sprotte sieht hier einen noch größeren Anteil der Bahn, der in die Individualmobilität integriert sein wird. Dadurch werden unsere Autobahnen entlastet und das Klima geschont.
Die Bahn wird deutlich digitaler sein und den Fahrgästen ein besonderes Fahrerlebnis bieten. Es wird große Screens in den Abteilen geben, bequeme Sitzlandschaften und viel Komfort, blickt er in eine rosige Zukunft. Internet im ICE oder jedem anderen Zug ist dann eine Selbstverständlichkeit.
Aber auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in den Bahnen wird kommen – und ganz sicher nicht erst in 30 Jahren. Eine Idee ist, die Züge mit intelligenten Kamerasystemen auszustatten, sodass die KI unmittelbare Gefahrensituationen sofort erkennt und an die entsprechenden Stellen meldet. Das kann die Bahnpolizei sein, die dann sofort an der nächsten Station bereitsteht, oder bei größter Gefahr auch gleich die Bundespolizei herbeiruft. Damit die Bahn ein noch sicheres Transportmittel wird.
Sprotte und Florez sind beide begeistert von den zukünftigen Möglichkeiten der Bahn – und das ist richtig ansteckend! Mich hat der Besuch bei Alstom überzeugt, denn das zuweilen ja doch leicht angestaubte und festgefahrene Bild von der Eisenbahn wird hier mit großen Schritten in die Zukunft geführt. „Wir müssen einfach noch mutiger werden“, ist Sprotte sicher. „Dann kommen auch wieder coole Devices auf die Schiene – wie zum Beispiel das ‚Schienentaxi‘, ein Kleinfahrzeug, das auf Nebenstrecken fährt.“ Wenn das wirklich kommt, steige ich mit Sicherheit als eine der Ersten da ein!