• Wirtschaft & Forschung
  • Unternehmen
  • Best Practice Cases in New Work
Basketballfeld und Spielekonsole: New Work im Coworking Space bei Jägermeister.  Leevke Struck

Was bringt New Work?
Innovative Arbeitsformen im Expertinnencheck

Die 4-Tage-Woche, die neue „Duz-Kultur" in der Firma oder neue Arbeitsumgebungen: Es gibt verschiedene Maßnahmen, die auf der einen Seite die Zufriedenheit der Arbeitnehmer fördern und gleichzeitig im Rahmen von New Work dafür sorgen, dass Unternehmen schneller und effizienter werden. Nur: Wieviel bringt welche Maßnahme? Simone Kauffeld ist Professorin für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der TU Braunschweig und bewertet für die-region.de vier Ideen von Unternehmen aus der Region. 

Beispiel 1: Allgemeine Duz-Kultur bei der Volkswagen Financial Services AG

Die Volkswagen Financial Services AG ist in 47 Ländern geschäftlich aktiv - in vielen davon wird sich geduzt, vor allem im angelsächsischen Raum. „Und bei Meetings, die oft in englischer Sprache ablaufen, gab es häufig die kuriose Situation, dass sich die Deutschen untereinander gesiezt haben, während sich die anderen geduzt haben", sagt Stefan Voges, Pressesprecher der Volkswagen Financial Services AG.

Inzwischen können sich die 6500 Mitarbeiter duzen, über alle Hierarchieebenen hinweg. Auch die Vorstände, Assistentinnen und Assistenten sagen „Du" zueinander. Es wird aber Rücksicht auf jeden genommen, der lieber beim „Sie" bleiben möchte. Voges sieht in der allgemeinen Duz-Kultur einen richtigen Ansatz: „Ich persönlich beobachte im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen bislang eine größere Nähe und Lockerheit, insbesondere über Hierarchiegrenzen hinweg. Man geht weniger distanziert miteinander um."

Einschätzung Prof. Simone Kauffeld:

Das eingeführte „Du“ kann im Sinne der Internationalisierung im Unternehmen, als Anpassung an das, was gerade alle machen oder als Signal für flachere Hierarchien oder als Anbiederung verstanden werden. Ein verordnetes „Du“ kann als Bevormundung oder als längst überfällig interpretiert werden. Die Wahlfreiheit zwischen „Du“ und „Sie“ kann als Wertschätzung individueller Präferenzen eingeschätzt werden oder dass nicht alle an Bord sind. Wie die Interpretation erfolgt, ist abhängig von der Unternehmenskultur und dem weiteren Handeln in der Organisation.

Prof. Simone Kauffeld von der TU Braunschweig. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören  Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung sowie Team und Führung.

„Ein 'Du' alleine verändert noch keine Kultur. Gleichwohl kann das Duzen unterstützen, Nähe zu schaffen, Vertrauen aufzubauen, Augenhöhe und Gemeinschaft zu betonen.“

Prof. Kauffeld

Beispiel 2: Ein Coworking-Space im Jägermeister-Headquarter

Der Coworking-Space „Wolfenbrooklyn“ im 3. Obergeschoss des Jägermeister-Verwaltungsgebäudes ist ein Treffpunkt, der allen Mitarbeitenden offensteht - und New Work in Reinkultur. Mit einem Innenarchitekturstudio wurden im Unternehmen Umsetzungsideen einer offenen Arbeitskultur erarbeitet. Das Ergebnis ist ein Umfeld, das aus funktionaler sowie emotionaler Sicht teamtauglich gestaltet ist, aber gleichzeitig auch Raum für Pausen, Ablenkung oder das kurzzeitige Entspannen gibt.

 

Eine inspirierende, durch Elemente wie Basketballkorb oder Gaming-Konsole auch spielerische Arbeitsatmosphäre bietet viel Raum für kreatives Denken. „Wir wollten weg vom Silodenken und daraus resultierender Ineffizienz“, sagt Andrea Ostheer von Jägermeister. Der zwanglose Austausch von Informationen und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit soll quasi nebenbei auch eine effektive, transparente und zeitgemäße Kommunikation ermöglichen.

Einschätzung Prof. Simone Kauffeld:

Starre Raumstrukturen lösen sich auf, die Anforderungen richten sich nach den jeweiligen Tätigkeiten. Dafür können ganz unterschiedliche Bereiche im Unternehmen genutzt werden, wie Gemeinschaftsbereiche, Work Cafés, Projekt- und Konferenzzonen oder Rückzugsbereiche. Um auch die gesundheitlichen Aspekte weiter zu unterstützen, sind auch kleinere sportliche Aktivitäten sinnvoll. So gibt es mittlerweile Laufbänder, an denen man in geringer Gangart am Computer arbeiten kann, bewegliche Stehpolster, um ein dynamisches Stehen zu ermöglichen, sogar Trampoline. Ich bin gespannt, wie diese Räume genutzt werden!

Prof. Simone Kauffeld von der TU Braunschweig. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören  Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung sowie Team und Führung.

„Büros entwickeln sich weg von reinen Arbeitsräumen hin zu sozialen Begegnungsräumen."

Prof. Kauffeld

Beispiel 3: Die 4-Tage-Woche bei der PSD Bank 

Als erste Bank in der Region führt die PSD Bank Braunschweig eG ab dem 1. September 2023 die 4-Tage-Woche ein. Aus 39 wöchentlichen Arbeitsstunden werden nun 35 – bei vollem Lohnausgleich. Zukünftig ist jeder Freitag frei, zwei Tage können zudem mobil gearbeitet werden. Diese Entscheidung wurde vom Vorstand auf einer Führungskräftetagung gemeinsam mit dem Betriebsrat gefasst und seit Beginn des Jahres Stück für Stück entwickelt. Denn klar ist auch: Der Wegfall von 4 Arbeitsstunden bei gleich hoher Bezahlung bedeutet eine rund zehnprozentige Lohnsteigerung. „Das müssen wir durch eine Erhöhung der Effizienz ausgleichen“, sagt Vorstandssprecher Carsten Graf.

„Die Arbeitswelt wandelt sich, es bilden sich neue Mindsets heraus“, sagt der Banker, für den das langfristige Wohlergehen seiner Mitarbeitenden einen hohen Stellenwert hat. „Und wir als relativ kleines Institut müssen frühzeitig mit dem Wandel beginnen, bevor alle anderen damit anfangen. Wir müssen vor der Welle sein, wir müssen mutig sein.“

Das Gebäude der PSD Bank am Altstadtmarkt in Braunschweig. PSD Bank Braunschweig eG
Ein regional verwurzeltes Traditionshaus am Altstadtmarkt, aber ein sehr moderner Arbeitgeber: Die PSD Bank.

Einschätzung Prof. Simone Kauffeld:

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen profitieren oft von der Vier-Tage-Woche. Sie erreichen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch das Unternehmen kann profitieren. Es steigert seine Arbeitgeberattraktivität und bindet seine Mitarbeitenden, was in Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels wesentlich sein kann. Bei verkürzten Arbeitstagen kann ein Produktivitätsgewinn eintreten, weil man in einer kürzeren Zeitspanne produktiver arbeiten kann.

Prof. Simone Kauffeld von der TU Braunschweig. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören  Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung sowie Team und Führung.

„Die Beschäftigten in einer Vier-Tage-Woche sind weniger gestresst, zufriedener und gesünder.“

Prof. Kauffeld

Beispiel 4: eck*cellent IT - Nicht ohne die Familie

„Gleichstellung ist bei uns kein Thema, das besonders behandelt wird. Es wird einfach täglich gelebt!“, sagt Rebecca Labes, Geschäftsführerin bei der eck*cellent IT GmbH. Dahinter verbirgt sich ein Grundsatz, der tief im Unternehmen verwurzelt ist: Die Detailplanung für Projekte geschieht in den einzelnen Teams des Unternehmens. „Wir sehen den Menschen als Ganzes und fördern die Modelle der modernen, neuen Arbeitswelt, um die Zufriedenheit zu unterstützen", so Labes. New Work als Firmen-DNA: Hier kann man das tatsächlich so sagen.

Bei eck*cellent IT gilt die Maxime, dass es dem Unternehmen, aber auch jedem einzelnen und seiner Familie, gut gehen soll. „Wir versuchen für alle Kolleginnen und Kollegen eine individuelle Lösung zu finden“, sagt Co-Geschäftsführer Imo Hermes, Beruf und Familie sind bei dem IT-Dienstleister kein Entweder-Oder. Das zeigt das Bekenntnis des Unternehmens zum „Fortschrittsindex Vereinbarkeit“, der die Familie als Erfolgsfaktor auch für die Firmenziele selbst erkennt. eck*cellent IT ist Preisträger des niedersächsischen Preises für familienfreundliche Unternehmen.

Eine Gruppe von Menschen sitzt und steht, schaut in die Kamera, ein Siegel ist sichtbar. eck*cellent IT GmbH
eck*cellent IT und die exzellente Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Dafür wird das Unternehmen immer wieder ausgezeichnet. Hier wiederholt mit dem Siegel Zukunftgeber, das der Arbeitgeberverband Braunschweig an besonders attraktive Arbeitgeber in der Region vergibt.

Einschätzung Prof. Simone Kauffeld:

Die Bedürfnisse von Mitarbeitenden variieren über verschiedene Lebensphasen. Die Lebensmodelle sind individueller geworden. Freiwillige und nicht-standardisierte Aushandlungen von Arbeitsbedingungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen und der Organisation – sogenannte ideosynkratische Deals - , liegen im Trend, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

Prof. Simone Kauffeld von der TU Braunschweig. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören  Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung sowie Team und Führung.

„Es ist wichtig, dass alle Mitarbeitenden individuelle Deals als gerecht erleben. eck*cellent IT scheint dies sehr gut zu gelingen!“

Prof. Kauffeld