Bei Günther Graf von der Schulenburg ist so einiges los. Von Klassikfestival, das an historischen Orten der Region stattfindet, bis zur jüngsten Errungenschaft, das „Yard“ – ein Boarding Hotel in Nordsteimke – keine Frage, er hat viele Eisen im Feuer.
Stark für die Region
Ein Besuch bei Günther Graf von der Schulenburg
Günther Graf von der Schulenburg
Ich treffe Günther von der Schulenburg im Sitz der Verwaltung seines Betriebes, dem Rittergut Nordsteimke, nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum Wolfsburgs entfernt. Ein gepflegtes Rund an historischen Gebäuden, die längst nicht mehr nur landwirtschaftlich genutzt werden. Ich komme nicht umhin, den Grafen gleich zu Beginn nach seinem Lieblingsprojekt zu fragen.
Rittergut - Graf von der Schulenburg / MEINE-REGION.de
„Wenn ich etwas mache, dann mit großer Passion“, gesteht der Graf und beginnt zu erzählen, womit er sich aktuell gerade beschäftigt: eine von ihm initiierte Diskussionsrunde zum Thema „Wie viel Wildnis mit Wölfen verträgt das Land?“. Ein Thema, das ihn ganz persönlich betrifft: Die von der Schulenburgs betreiben Forstwirtschaft auf einer Fläche von 5.350 Hektar, zudem bewirtschaftet die Gutsverwaltung rund 950 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, davon 820 Hektar im Eigentum der gräflichen Familie.
Unternehmer und nicht nur Aristokrat
Ein großes Verantwortungsgefühl klingt bei nahezu jeder Aussage durch. „Das stimmt“, bestätigt der Graf. „Verantwortung hat diese Familie schon immer übernommen.“ Die von der Schulenburgs blicken auf eine 800-jährige Familiengeschichte mit zahlreichen bekannt gewordenen Vertretern zurück, darunter Feldmarschall Johann Matthias von der Schulenburg, der Korfu gegen die Türken verteidigte. Günther Graf von der Schulenburg möchte aber auch die zwei Hitler-Attentäter nicht unerwähnt lassen, die nach dem missglückten Attentat am 20. Juli 1944 hingerichtet wurden.
Er selbst empfinde vor allem Verantwortung gegenüber dem Familienbetrieb, möchte ihn der nächsten Generation optimiert übergeben. Arbeitsplätze müssen durch Weiterentwicklung des Betriebs gesichert, historischen Gebäude eine neue Identität gegeben werden, um dieses Ziel zu erreichen. „Ich sehe mich als mittelständischen Unternehmer“, sagt der Graf über sich. Überhaupt scheint es in vielen seiner Projekte darum zu gehen, nachhaltige Konzepte zu entwickeln, die nicht nur sein Familienunternehmen, sondern auch die Region voranbringen.
Die Region braucht pfiffige Ideen
Ihm persönlich hat vor allem sein Klassikfestival „Soli deo Gloria“ eine neue Sicht auf die Region gebracht. „Mit meinen Konzerten lebe ich den Regionsgedanken schon länger“, sagt von der Schulenburg. So habe er Orte für sich erschlossen, die er bisher nicht gekannt habe und die sich über die gesamte Region verteilen. „Die Frage ist doch: Wie wird eine Region wahrgenommen? Aus meiner Sicht wird der Regionsgedanke zwar bereits gefördert, dennoch könnten wir mehr für die Attraktivität tun. Wir benötigen mehr pfiffige Ideen, in der Gastronomie, in der Architektur.“
Veränderung ist für Günther Graf von der Schulenburg wichtig! Eine Region muss leben und lebt von Veränderungen. Warum diese nicht an einem ungewöhnlichen Ort wie dem „Ideenherd“ vorantreiben? Im historischen Kuhstall des Rittergutes ist eine atmosphärische Tagungsstätte entstanden, die inspirieren soll, wo Menschen zusammenkommen, sich wohlfühlen, auf das Wesentliche konzentrieren und entspannt arbeiten können. Das Herz der Anlage: die offenen Gaggenau Showküchen, in denen Seminarteilnehmer gemeinsam kochen oder Spitzenköche ihre erlesenen Kompositionen kreieren.
„Mehr Substanz“ wünscht sich Günther Graf von der Schulenburg für das Lebensumfeld in unserer Region. Der „Ideenherd“, aber auch das im letzten Jahr eröffnete Boarding Hotel „Yard“, das Menschen, die länger beruflich in unserer Region verweilen, eine komfortable und persönliche Alternative zum klassischen Hotel bietet, sind dabei wichtige Bausteine. Weitere Bauprojekte rund um das Rittergut sind bereits im Entstehen: fünf Villen am Windmühlenberg in Nordsteimke, 13 Wohneinheiten in einem alten Bauernhof, und zudem soll aus dem alten Forsthof im Kaiserwinkel im Biosphärenreservat Drömling ein modernes Hostel für Schulklassen und Fahrradtouristen entstehen.
Dank an die Region
Noch attraktiver wird die Region durch hochwertige kulturelle Ereignisse. Die Movimentos Festwochen nennt der Graf als Beispiel. Und natürlich hat sein eigenes Klassikfestival „Soli deo Gloria“ einen erheblichen Beitrag geleistet, anspruchsvolle Musik und namhafte Künstler auch in die entlegensten Orte der Region zu tragen. Bis 2020 will er das Festival noch fortführen, dann ist erstmal Schluss. „Nach 15 Jahren sind die besten Geschichten erzählt“, meint Günther Graf von der Schulenburg. Einzelprojekte werde es aber weiterhin geben, verspricht er. „Das Festival war mein Beitrag, dieser Region, die mir und meiner Familie viel gegeben hat, etwas zurückzugeben.“
Die Natur nicht vergessen
Das Prinzip des Gebens und Nehmens durchzieht seine Projekte wie ein roter Faden. Bestes Beispiel: seine Skepsis gegenüber einseitigen Diskussionen wie etwa bei der Debatte um die Rückkehr des Wolfes oder seine Haltung als Landwirt und Grundbesitzer gegenüber der von ihm gepflegten Kulturlandschaft. So wurde zur Bewahrung und Förderung der Natur vor sechs Jahren ein Teil der Fläche des Gutshofes Bisdorf aus der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung herausgenommen. Auf 20 Hektar ist ein Biodiversitätsprojekt entstanden und der gesamte Betrieb 2011 mit dem Wildlife Estates Label ausgezeichnet worden. Inzwischen ziehen neue Wasserflächen Eisvogel und Kranich an, Blühstreifen zwischen Acker und Wald geben Fasan und Rebhuhn Deckung.
Artenvielfalt fördern
Aber nur in einer vom Menschen gepflegten Kulturlandschaft kann die Artenvielfalt ansteigen. Vom Prinzip Urwald hält Günther Graf von der Schulenburg wenig. Nur in ausgelichteten Wäldern und Grünflächen siedeln sich neue Arten an, nur in einer vielfältigen, vernetzten Landschaft, bestehend aus Blühstreifen, Bienenweiden, Hecken und Brachbereichen rund um die land- und forstwirtschaftlich genutzte Kernfläche finden seltene und sporadisch auftretende Arten einen Lebensraum. Auch Fragen, wie sich Bienen in Bezug auf die Landwirtschaft entwickeln, empfindet der Graf als zu seinem Verantwortungsbereich gehörig. „Ich bin der Meinung, dass wir in Sachen Naturschutz alle etwas zu leisten haben“, sagt er. Und vielleicht steht ein Mann in seiner Position sogar noch etwas mehr in der Pflicht. So lässt zumindest ein Satz vermuten, den er am Ende unseres Gespräches äußert: „Grundbesitz zu haben ist ein Privileg, das man zugunsten der Allgemeinheit einsetzen muss.“