Mit zwei Millionen Tonnen Umschlag ist Salzgitter-Beddingen der größte Binnenhafen Niedersachsens. Und eines der bedeutendsten Tore der Region zur Welt.
Tor zur Welt:
In Salzgitter liegt der größte Binnenhafen Niedersachsens
Als der Umschlagarbeiter Bernd Bartels an diesem Tag um 14 Uhr seine Schicht antritt, ist alles anders als sonst. Zum einen ist der Kran des Hafens wegen angekündigter Wartungsarbeiten außer Betrieb. Die Ladung der „Res Nova“ aus Rotterdam, die mit Raps im Hafen angelegt hat, kann nicht gelöscht werden. Zum anderen haben sich zwei neugierige Regionäre angekündigt, die alles über die Arbeit an Salzgitters Hafen wissen wollen.
Erster Anlaufpunkt: das Büro von Bernd Rietzkow, Leiter Hafen und Umschlagbetrieb. Rietzkow weiß, welche Schiffe wann ankommen und abfahren. Er weiß, ob sie Kohle, Benzin oder Heizöl, Raps oder Braugerste oder vielleicht eine ganz besondere Fracht geladen haben. Und er ist darüber informiert, wer die Ladung erhält und wie sie vom Hafen abtransportiert wird. Rietzkow weiß darüber hinaus, was die Schiffe geladen haben werden, wenn sie die Talfahrt antreten. Häufig sind das Stahlprodukte, Getreide, Rapsöl, Braumalz oder hochwertiges Tierfutter wie Melasse-Schnitzelpellets.
Tonnenweise Waren
„Gemessen an den Umschlagszahlen ist Salzgitter der größte Binnenhafen Niedersachsens“, sagt Rietzkow. Zwei Millionen Tonnen bewegen die insgesamt zehn Mitarbeiter des Hafens jährlich. Das entspricht rund 2.400 Schiffen jährlich, Berg- und Talfahrten zusammengerechnet.
Eine Karte an der Wand des Büros zeigt deutlich die prädestinierte Lage des Hafens in Salzgitter-Beddingen: Vom Salzgitter-Stichkanal bestehen Wasserstraßenverbindungen zu den großen Häfen an den deutschen Küsten, nach Holland und Belgien und ganz Osteuropa. Für die Unternehmen, die direkt am Hafen produzieren, sind dies ebenso perfekte Voraussetzungen, wie für alle anderen Kunden der Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter GmbH, die den Hafen betreibt.
Monstergreifer und besenreine Laderäume
Jetzt gehen wir hinaus, um Hafenluft zu schnuppern und uns von der Geschäftigkeit des Hafens anstecken zu lassen. Da bewegt sich auch der Kran wieder. Die „Res Nova“ gleitet an die Kaimauer und macht fest. Der große Greifer des Krans fasst in die geöffneten Luken des Frachtschiffs. Wieder und wieder lässt er Unmengen schwarzer Rapssamen auf den bereitstehenden Lastwagen fallen. Die Ladung ist für die Firma Cargill bestimmt, die im Hafen eine Rapsmühle und eine Mälzerei betreibt.
Da nähert sich auf dem Kai ein Minibagger dem Frachtschiff. Ehe ich mich vergucke, hängt der Bagger am Kran und schwebt durch die Luft – hinein in den Bauch der „Res Nova“. Bernd Bartels erklärt, dass der Bagger die verbliebenen Samenkörner zusammenschiebt, damit der Kranfahrer sie greifen kann. „Unser Ziel ist ein besenreiner Laderaum“, erklärt Bernd Bartels und muss sich nun auch verabschieden. Er wird auf der „Res Nova“ gebraucht. Mit dem Besen kümmert er sich um die Körner, die sich dem Zugriff der beiden Bagger entziehen.
Mit Ruhe und Besonnenheit
Vorher hatte er noch Zeit, uns von außergewöhnlichen Ladungen und ihren Anforderungen an Mensch und Maschine zu erzählen. Dazu zählen Windanlagen-Segmente, die später in Mehrum zu ganzen Windrädern zusammengesetzt wurden. Ein einziges Bauteil für diese Windanlagen wiegt zwischen 28 und 40 Tonnen. „Da müssen wir beim Entladen sehr, sehr vorsichtig arbeiten“, sagt Bernd Bartels. „Wenn Wind kommt, während ein Teil in der Luft hängt, wirken sie wie ein großes Segel.“ Besonders wichtig: Die Segmente dürfen nirgends anstoßen. „Ruhe und Besonnenheit sind die ersten Gebote beim Umgang mit großen Lasten“, betont auch Bernd Rietzkow.
Auch beim Laden von Coils (Stahlrollen) und Blechen ist das Know-how der Umschlagarbeiter gefragt. „Unsere Mitarbeiter sind Spezialisten im Umgang mit Hebemitteln“, sagt Bernd Rietzkow. Hinzu kommt, dass die Coils im Laderaum befestigt werden müssen, damit nichts verrutscht. Bernd Bartels nennt das „beförderungssicher gestaut“.
Die Hafenarbeiter und der Schiffer sind für das fachgerechte Stauen verantwortlich. „Wenn man da was falsch macht, knickt das Schiff“, sagt Bartels. Besonders anspruchsvoll sind Schiffsabfertigungen, bei denen nur Teile der Ladung bearbeitet werden. Der GAU für die Hafenarbeiter wäre, wenn das Schiff im Hafen sinkt, weil beispielsweise zu viel geladen wurde.
Bis zum Ende der Schicht um 22 Uhr werden Bartels und seine beiden Kollegen die „Res Nova“ längst besenrein haben. Dann wartet ein neuer Auftrag auf die Spezialisten am Hafen.