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Ein Klassenzimmer mit Schülern. Marike Bebnowski

Hoch technisiert und unverzichtbar
Zu Besuch in der Müllerschule Wittingen

Was die wenigsten wissen: In Wittingen, Landkreis Gifhorn, befindet sich eine von bundesweit nur zwei Müllerschulen. Als Teil der Berufsbildenden Schule 2 in Gifhorn bildet sie Menschen im Bereich „Verfahrenstechnologie in der Mühlen- und Getreidewirtschaft“ aus. Das, was wir im allgemeinen Sprachgebrauch dann als Müllerin oder Müller bezeichnen. Marike Bebnowski war zu Besuch.

Ich habe Glück: Ein neuer Ausbildungsjahrgang hat am Tag meines Besuchs den ersten Schultag. Das bedeutet viel Organisation. Aber im Gespräch mit den Azubis merke ich schnell, dass sie für ihren zukünftigen Beruf brennen.

Laura freut sich etwa auf die Abwechslung, die ihr dieser Job bietet: „Durch eigene Recherche und eine Berufsberatung bin ich zu der Ausbildung gekommen und freue mich schon echt sehr“, berichtet sie mir. Bei Joel ist es auch die familiäre Bindung, die ihn zur Ausbildung gebracht hat: „Mein Onkel ist gelernter Müller. Der Beruf ist vielfältig, technisch anspruchsvoll und bringt je nach Einsatzbereich jede Menge Abwechslung“, sagt er.

Futtermühlen, Feinmühlen und Schälmühlen

Alle Schülerinnen und Schüler sind zum sechswöchigen Blockunterricht in Wittingen. Er findet pro Ausbildungsjahr zweimal statt. Insgesamt besuchen 90 Personen die Schule, aufgeteilt in sechs Klassen und stets im Wechsel. So ist immer nur ein Ausbildungsjahrgang vor Ort. Den anderen Teil ihrer dualen Ausbildung absolvieren die Lehrlinge natürlich in Mühlen, die sich überall in ganz Deutschland befinden.

Und was wird dort alles hergestellt? „Zu 70 Prozent handelt es sich bei uns in Wittingen um Futtermühlen“, berichtet mit Lehrerin Jasmin Iwers. „Das heißt, sie stellen zum Beispiel Pellets für die Nutztierhaltung her. Darüber hinaus gibt es Feinmüller, die etwa unser Mehl herstellen, und Schälmüller. Die produzieren unter anderem Haferflocken.“

Was macht ein Farinograph?

Alles, was für diesen Beruf relevant ist, lernen die Azubis in Wittingen. Zum einen in der Theorie und zum anderen im Fachpraxisunterricht. Um zu erleben, wie dieser funktioniert, bekomme ich einen Rundgang durch die Schulmühle. Im Labor geht es etwa darum, die Ausgangsprodukte zu untersuchen und eine Qualitätskontrolle machen zu können. Dafür gibt es Laborgeräte und spezielle Maschinen. „Alle Müllerinnen und Müller müssen das Handwerkszeug dafür haben, die Qualitätskontrolle durchzuführen“, sagt Jasmin Iwers. „Und Geräte wie der Farinograph unterstützen bei der Analyse. Er zeigt auf, wie viel Wasser ein Teig aufnehmen kann und wie das Knetverhalten des Teiges ist“, erklärt sie.

Blick in die Müllerschule Wittingen

Kekse oder Tierfutter

Dies sind alles wichtige Voraussetzungen dafür, dass die weitere Verarbeitung des Getreides gelingt. Mittels einer Mehlanalyse wird festgestellt, welches Backverhalten das Getreide hat. Also ob es zum Beispiel für Brot oder Kekse eingesetzt werden kann. Oder ob alternativ Tierfutter daraus hergestellt wird. Das geschieht meist in Pelletform. Als wir die entsprechende Mühle anschauen, darf ich die schöne Erfahrung machen, die soeben hergestellten und noch ganz warmen Pellets selbst einmal anzufassen.

Hier wird der ganze Produktionsprozess abgebildet

„Hier in Wittingen werden in der Schule alle Produkte hergestellt, die im Produktionsprozess hergestellt werden können“, sagt Jasmin Iwers und zählt auf: „Pellets, Mehl, Haferflocken. Auch Cornflakes und Erdnussflips werden in Mühlen hergestellt, was viele nicht wissen.“ Die Schülerinnen und Schüler, sagt sie, sollten während ihrer Ausbildung einen Einblick in die ganze Bandbreite ihres möglichen Aufgabenfelds erhalten. Sie selbst unterrichtet Fachtheorie, Labor, Produktionskunde – und Politik.

Wir schauen uns die verschiedenen Maschinen an. Zum Beispiel den Paddytisch und den Plansichter. Die fertigen Produkte werden über Rohre direkt in den Keller geleitet, wo sie in Säcken verpackt werden. Alles so wie in den Mühlen, in denen die Nachwuchskräfte später einmal arbeiten werden.

Marike Bebnowski
Zum Müllerhandwerk haben nicht viele Menschen Berührungspunkte. Für Groß und Klein ist ein Einblick daher recht interessant.

Müllerinnen und Müller ernähren die Welt

„Der Beruf hat sich in den letzten Jahren stark technologisiert. Auch bei uns in der Schule wurde die alte Schalttafel durch eine computergesteuertes Mühlensteuerung ersetzt“, schmunzelt Iwers. „Zeitgleich ist es ein Beruf, mit dem einem alle Türen offen stehen, er hat Zukunft. Zudem ist der Beruf sinnstiftend: Müllerinnen und Müller ernähren die Welt, denn wir alle essen nahezu täglich Brot, Brötchen, Haferflocken oder andere Produkte. Und die können erst durch die Vorarbeit in der Mühle entstehen.“

Ich bin nach meinem Besuch sehr beeindruckt von diesem Beruf und habe wieder einmal viel dazu gelernt. Und ich bin ebenso davon begeistert, welch wichtige und vor allem einzigartige Ausbildung hier in unserer Region etabliert ist!