Firmenschilder auf blauem Grund im Goslarer sharedspace. Jörg Scheibe

Sharedspace in Goslar:
Wo Ingenieure auf Ghostwriter treffen

In Coworking Spaces sind vor allem kreative Freelancer, Start-up-Unternehmer und "Digital Nomads" zu finden, da sie mit ihrem Laptop quasi überall arbeiten können. In den Großstädten sind solche Arbeitsorte eher verbreitet, aber funktioniert dieses Modell auch im ländlichen Raum und in Kleinstädten?

Freies Arbeiten - in einer Kaserne?

Ich habe den „Sharedspace“ in Goslar besucht und mit dem Initiator Ben Bornemann gesprochen. Der 22-Jährige hat das Projekt vor einem Jahr in einem renovierten Kasernengebäude auf dem ehemaligen Fliegerhorst am Stadtrand von Goslar gestartet. Schnell wird klar: Coworking in Goslar funktioniert anders. „Ich habe mich in großen Städten bei Coworking Spaces, auch in Braunschweig, umgesehen und dann ein eigenes Modell entwickelt, das an die wirtschaftlichen Strukturen und Lebensbedingungen in Goslar und Umgebung angepasst ist“, erzählt Bornemann.

Das leuchtet mir ein: In Goslar gibt es nun mal weniger kreative junge Wilde als anderswo, kaum Studenten und nur wenige digitale Nomaden. Deshalb vermietet Ben Bornemann vor allem einzelne Büros und weniger einzelne Arbeitsplätze. „Meine Mieter wollen kostengünstige Büros und die Gemeinsamkeit im Haus, aber zugleich auch ihre Privatsphäre wahren“, hat er festgestellt. 

Aber das Grundprinzip bleibt gewahrt: das familiäre Umfeld, das sozialen Rückhalt gibt, und eine kreative Arbeitsumgebung schafft - im Gegensatz zu isolierten Einzelkämpfern, die im Home-Office arbeiten. Bornemanns Mieter tauschen sich aus, geben sich gegenseitig Tipps und Hilfe, feiern auch mal gemeinsam. In diesen schwierigen Corona-Zeiten sind gemeinsame Aktivitäten allerdings deutlich zurückgefahren worden. Bei meinem Besuch war es jedenfalls ziemlich ruhig im Hause. Aber das wird sich sicher bald wieder ändern.

 

Investition in brachliegende Kasernen und Flugzeughangars

Ben Bornemann wollte sich nach einer kaufmännischen Ausbildung unbedingt selbstständig machen. „Ich wollte einerseits meiner Heimatstadt Goslar etwas geben und zugleich etwas machen, das für junge Leute interessant ist“, fasst er zusammen. Die Entwicklung im Norden Goslars half ihm. Dort war der ehemalige Fliegerhorst 2010 von der Bundeswehr als Standort geschlossen worden.

Das riesige Gelände mit Kasernen, Hangars und Werkstätten lag jahrelang brach, bis ein Investor aus Goslar vor drei Jahren begann, es in ein Wohn- und Gewerbegebiet umzuwandeln. Ben Bornemanns Vater Lars, Chef des mittelständischen High-Tech-Unternehmens Bornemann AG, engagierte sich als einer der ersten. Er kaufte ein Geländeteil, sanierte ein großes Kasernengebäude und zog mit seinem Unternehmen ein.

 

Ein weißes Bürogebaäude bei Goslar, zweistöckig. Jörg Scheibe
Sharedspace sitzt in einem renovierten Kasernengebäude auf dem ehemaligen Goslarer Fliegerhorst.
Zusammen arbeitet man weniger allein
Coworking Spaces in der Region

In einem Nebengebäude startete Sohn Ben sein Coworking-Unternehmen. „Ich wollte nicht nur einfach Büros vermieten, sondern ein spezielles Projekt entwickeln“ erinnert er noch: „ Dafür habe ich ein Jahr hart gearbeitet und keinen Urlaub gemacht.“ Heute präsentiert sich das Gebäude mit 1200 Quadratmetern Büroflächen in einem schmucken Zustand: Helle Räume in einem freundlichen Farbdesign, mit Gemeinschaftsbereichen zum Kontakten und Klönen, etwa die großzügig ausgestattete Gemeinschaftsküche.

Im Laufe des ersten Jahres habe sich sein Coworking-Modell aufgrund der nachgefragten Leistungen verändert, erzählt Ben Bornemann. Deshalb wurde kürzlich auch der Name geändert: Statt Coworking Space heißt das Projekt nun sharedspace. Bornemann: „Das passt besser: Wir teilen Räume und wir teilen Ideen, Erfahrungen und Erfolge.“

 

Das bedeutet „New Work"!
Plus: New Work in der Region

Außerdem füge sich das Konzept besser in die wachsende Sharing Economy ein, die vor allem von jungen Leuten immer mehr genutzt werde, so Bornemann: Heute teile man sich nicht nur Autos (Carsharing) oder Unterkünfte (Airbnb), sondern auch Büros und Arbeitsplätze.

Nach meinem Eindruck ist das sharedspace Goslar eine Mischung aus neuem Coworking-Konzept und einem klassischen Unternehmenspark. Bornemann vermietet 24 komplett ausgestattete Einzelbüros und einzelne Arbeitsplätze in kleinen Büros mit jeweils drei Schreibtischen.

Mittagsschläfchen in der Haftzelle

Die Pauschalmieten liegen unter denen für Büros auf dem freien Markt, deutet Bornemann an. Enthalten sind zudem ein schneller Internet-Anschluss, alle Nebenkosten, die Reinigung und die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen einschließlich einer Feuerstelle im Park vor dem Haus - für sommerliche Grillfeste. Den Mietern steht außerdem ein Konferenzraum, ein Foto- und Videostudio sowie Räume zur Archivierung von Materialien zur Verfügung.

Ein besonderer Clou: In der benachbarten alten Kasernen-Wache wurden ehemalige Haftzellen zu kleinen Schlafräumen umgestaltet - für Gäste, etwa wenn ein Mieter Tagungsbesuch hat, oder auch nur für ein kurzes Powernapping (Mittagsschläfchen), mit dem gestresste Jung-Unternehmer sich geistig erfrischen können.

 

Ghostwriter und Ingenieure

Das Konzept scheint stimmig zu sein. Jedenfalls ist das Gebäude komplett ausgebucht, Mieter müssen ausgesucht werden. „Sie müssen mental und menschlich zu uns passen“, sagt Bornemann. „Ich bin stolz auf die bunte und durchweg professionelle Mischung aus Berufen und Branchen, die hier vertreten ist.“

Es sind vor allem Existenzgründer, die meistens aus einem Job heraus gegründet haben, kreative Freiberufler und kleine Mittelständler, die beispielsweise eine Abteilung - etwa das Marketing - ausgegliedert haben, weil Home Office kein Thema war. Das Spektrum reicht vom Architekten über Web-Designer, Software-Entwickler und einer Ghostwriting-Agentur bis zum Ingenieur, Unternehmensberater und einer Vermögensberatung. Die Mieter sind zwischen 20 und 50 Jahren und kommen nahezu alle aus Goslar und dem Landkreis.

 

Firmenschilder auf blauem Grund im Goslarer sharedspace. Jörg Scheibe
27 Firmen und Gründer arbeiten inzwischen im Goslarer sharedspace.

Virtuelle Büros 

Für Gründer, die noch Zuhause arbeiten, ihren potenziellen Kunden aus Imagegründen aber eine seriöse Firmenadresse in einem interessanten Umfeld präsentieren wollen, bietet Bornemann ein „Virtuelles Büro“ an: Also eine physische Adresse und dazu einen Postdienst. Bornemann: „Das sind keine klassischen Briefkastenfirmen. Ich gehe davon aus, dass einige von Ihnen später, wenn das Geschäft richtig läuft, bei mir einziehen werden.“