Beim Goethe-Institut in Ankara arbeitet Hidayet Utkan Tan als Sachbearbeiter für vorbereitende Sprachkurse, aber auch für den Familiennachzug von Fachkräften, die bereits in einem anderen Land angekommen sind. Wir haben ihn gefragt, worauf es dabei ankommt.
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Fünf Fragen an ... Hidayet Utkan Tan
Hochqualifiziert und motiviert, aber nicht aus Deutschland – überall in der Welt stehen Menschen bereit, den bundesrepublikanischen Hunger nach Fachkräften zu stillen. Um das zu ermöglichen, gibt es ein globales Netzwerk an Institutionen, das ihnen dabei hilft. Seit 1951 ist das Goethe-Institut eine der tragenden Säulen dieses Netzwerks. Hidayet Utkan Tan aus Ankara arbeitet beim dortigen Goethe-Institut. Er vermittelt Sprachkurse und berät Menschen, die in Deutschland studieren und arbeiten wollen. Auch Familiennachzüge fallen in sein Fachgebiet. Beim Gespräch im Welcome Center der Allianz für die Region haben wir den 47-Jährigen gefragt, wie Integration am besten gelingt.
Herr Tan, wie sieht Ihr Arbeitsalltag in Ankara aus?
Mein Alltag im Goethe-Institut ist sehr hektisch. Die erste Tageshälfte bin ich damit beschäftigt, unseren Klienten Sprachprüfungen zu vermitteln und ihre Fragen dazu zu beantworten. Das Arbeitsaufkommen ist hoch. Etwa 100 Personen wenden sich täglich an mich. Deutschkurse sind gefragt in der Türkei, denn viele Menschen möchten nach Deutschland ziehen, um zu arbeiten, zu studieren oder eine Ausbildung zu absolvieren. Eine zweite Gruppe sind diejenigen, die zu ihren Familienangehörigen ziehen wollen, die bereits in Deutschland leben und arbeiten. Auch dafür benötigen die Menschen einen Nachweis über ihre Deutschkenntnisse. Die Ausbildung ist dabei weniger von Bedeutung.
Den Rest des Tages widme ich der Beratung. Welche Kurse gibt es? Wie sollten sich Interessenten vorbereiten? Wo kann ich mich anmelden und was kostet das? Das sind häufige Fragen, die mir die Menschen stellen. Seit neuestem bieten wir einen Online-Kurs an. Dieser besteht aus Videokonferenzen, die um eine Lernplattform ergänzt ist. Dort können die Kursleiter zusätzliche Aufgaben stellen, die Teilnehmer können sie bearbeiten und Feedback erhalten. Die Corona-Pandemie hat auch bei uns die Digitalisierung beschleunigt.
Im Rahmen Ihrer Arbeit beraten und unterstützen Sie Familienangehörige von Fachkräften bei der Integration auf das deutsche Alltags- und Arbeitsleben. Mit welchen Fragen treten Angehörige am häufigsten an Sie heran?
Viele Fragen drehen sich erst einmal darum, wie man die Prüfungen besteht. Aber auch, wie lange die Kurse dauern, oder was man tun kann, wenn man eine Prüfung einmal nicht besteht. Fragen nach konkreten Modalitäten einer Auswanderung erhalten wir dagegen eher seltener. Dafür gibt es gesonderte Einrichtungen in der Türkei, die diese Vorgänge in Zusammenarbeit mit den Botschaften bearbeiten. Früher haben wir diese Betreuung auch übernommen, aber in der jüngeren Vergangenheit mussten wir uns wegen des hohen Beratungsaufkommens auf die Sprachkurse fokussieren.
In den Kursen selbst besprechen wir dann auch die deutsche Kultur. Dabei werden sowohl das Alltagsleben in Deutschland, Sehenswürdigkeiten und Informationen zur Landeskunde als auch Stichwörter wie Pünktlichkeit, typisch deutsches Essen und Autos erwähnt. Aber wir glauben, dass jeder sein eigenes Bild davon hat, was deutsch ist. Und darüber sprechen wir dann gemeinsam.
Die deutsche Literatur fasziniert die Menschen in der Türkei. Besonders Philosophie und Religion sind beliebte Themen. In der Bücherei des Goethe-Instituts in Ankara können sich unsere Teilnehmer mit Lesestoff versorgen. Viele Studenten interessieren sich auch für das Ingenieurwesen, insbesondere für Autos. Was die die Menschen in der Türkei außerdem an Deutschland reizt, ist die Natur. Sehen Sie, Deutschland ist im Vergleich zur Türkei sehr flach. Die Landschaft in der Türkei ist wesentlich bergiger, als das in Deutschland der Fall ist. Das fasziniert viele Menschen. Deutsches Fernsehen dagegen läuft ein wenig unter dem Radar.
Auch unsere Region ist wie viele andere auch von der Zuwanderung von Fachkräften geprägt. Haben Sie drei Ratschläge, die Angehörigen die Integration erleichtern können?
An der Spitze der Liste, würde ich den Zuwanderern vorschlagen, dass man der Beherrschung der deutsche Sprache die höchste Priorität gibt. In diesem Sinne muss man bereit sein, die Ressourcen zum Deutschlernen, außerdem zu traditionellen Deutschkursen, selbst zu erwerben. Für den praktischen Einstieg empfehle ich das kostenlose Angebot des Goethe-Institut „Deutsch für Dich“ oder die Webseiten der Deutschen Welle.
Dessen Programm gibt es auf Deutsch und auf Türkisch. Außerdem bieten die Deutsche Welle und das Selbstlernportal des Goethe-Instituts „Mein Weg nach Deutschland“ auch kostenlose Lernmaterialien an. Ich selbst habe damals mit der Deutschen Welle angefangen, Deutsch zu lernen. Daran habe ich heute noch schöne und lustige Erinnerungen.
Welche Rolle spielen bei der Migration Institutionen, wie das Welcome Center?
Leider ist das Welcome Center in der Türkei noch sehr unbekannt. Aber das ändert sich gerade. In der Tat gibt es generell leider wenige Institutionen, die Fachkräfte in der Türkei dabei unterstützen, hier in Deutschland Fuß zu fassen. Ein Ansprechpartner ist allerdings in jedem Fall die deutsche Botschaft in Ankara, die Generalkonsulate in Istanbul und Izmir sowie das Konsulat in Antalya.
Eine andere Einrichtung ist die SABEV, die Forschungs-, Dokumentations- und Bildungsstiftung für soziale Dienste, in Ankara. Die Stiftung richtet sich insbesondere an türkische Pflegekräfte, die in Deutschland arbeiten wollen. Außerdem sind die beiden Testanbieter Telc und TestDaf wichtig. Sie bieten Deutsch als Fremdsprache an und können Interessierten weiterhelfen. Und – natürlich – ist das Goethe-Institut wichtig. Auch wir bieten Zertifikate an – immerhin an fast 160 Standorten in fast 100 Ländern.
Im Rahmen des Hochschulstudiums bietet der DAAD – der Deutsche Akademische Austauschdienst – kostenlose Beratung für Studentinnen und Studenten, die nach Deutschland fürs Studium reisen möchten. DAAD bietet auch Stipendien, um das Studium in Deutschland zu unterstützen.
Gibt es Herausforderungen, die Städte und Kommunen Ihrer Erfahrung nach zu selten im Blick haben?
Die größte Herausforderung ist das Kerngeschäft – den Menschen dabei zu helfen, Deutsch zu lernen und einen Platz in einer der Sprachprüfungen zu ergattern. Außerdem ist es immer eine Herausforderung, die Breite einer Kultur, wie beispielsweise der Deutschlands, innerhalb eines Kurses zu behandeln. Hier sind besonders die Universitäten gut aufgestellt.
Eine Herausforderung liegt noch im Thema Zuwanderung selbst. Der Begriff ist leider oft mit oberflächlichen Vorstellungen verknüpft – selbst von Seiten der Behörden – und häufig negativ belegt. Dabei profitieren alle von gelungener Zuwanderung. Andersherum finde ich, dass jeder ein wenig Erfahrungen im Ausland gesammelt haben sollte.