In unserer Region wird die Zukunft der intelligenten Mobilität geplant. Mit der Realisierung der Pläne soll in den kommenden Jahren eine Verkehrs-, Mobilitäts- und Energiewende einhergehen. Grund genug für die IG Metall Südostniedersachsen, diesem Thema eine eigene Veranstaltungsreihe zu widmen.
„Um Jobs zu erhalten, sind neue Ideen erforderlich“
Ich bin zu Gast bei der zweiten von insgesamt vier geplanten Konferenzen. Sie findet im Forum AutoVision in Wolfsburg statt. 130 IG-Metall-Multiplikatoren aus Betrieben in Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg, Gifhorn, Peine und Wolfenbüttel befassen sich an diesem Abend mit den Herausforderungen für die Mobilitätsregion Südostniedersachsen.
Alle Beschäftigten sind von der Mobilitätswende betroffen
Zentrales Thema der Veranstaltung ist die Umstellung der Automobilindustrie auf E-Mobilität - und die gewerkschaftlichen Handlungsperspektiven, die sich daraus ergeben. Matthias Disterheft ist der für Strukturpolitik zuständige Geschäftsführer der IG Metall Wolfsburg. Er betont in seiner Einleitung, dass alle 150.000 Beschäftigten im Bereich der IG Metall Südostniedersachsen von diesem Zukunftsthema betroffen sind.
Auch Eva Stassek, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Braunschweig, unterstreicht, dass Mobilität eine der Grundvoraussetzungen in unserer Gesellschaft und unserer Arbeitswelt sei. „Gleichzeitig ändern sich jedoch die Bedingungen, unter denen Mobilität heutzutage gewährleistet werden kann oder soll“, betont Stassek. „Die IG Metall ist sich des Handlungsdrucks bewusst und unterstützt die Pariser Klimaziele, denn unsere Umwelt ist unsere Lebenswelt, die wir erhalten wollen. Sozial, ökonomisch und ökologisch stellen sich also große Herausforderungen", so Stassek.
Eine Live-Umfrage unter den Anwesenden zeigt, dass knapp 40 Prozent der Teilnehmer bereit wären, selbst auf ein E-Auto umzusteigen. Würde das Preis-Leistungsverhältnis bei der Anschaffung optimiert, wären mehr als 80 Prozent zu diesem Schritt bereit.
Thomas Krause: „Die Mobilitätswende ist schon da“
Thomas Krause von der Geschäftsführung der Allianz für die Region ist heute Gast der Konferenz. Er beobachtet das Thema Mobilität seit mehr als zehn Jahren sehr aufmerksam. Sein Vortrag „Die (R)Evolution unserer Mobilität“ beleuchtet ökologische und soziale Aspekte der Mobilitätswende. „Die Mobilitätswende kommt nicht erst, sie ist schon da. Deshalb sprechen wir hier nicht von Revolution, sondern von Evolution“, stellt Krause klar.
Der Mobilitätsexperte findet, dass die Industrienationen mit gutem Beispiel vorangehen sollten, wenn es darum geht, den nationalen Kohlendioxidausstoß zu senken. „Viele Länder sind noch auf dem Weg der Industrialisierung. Auch die Menschen dort haben einen Anspruch auf Wohlstand.“ Krause präsentiert eine Grafik, aus der hervorgeht, dass Deutschland den CO2-Ausstoß zwischen 1990 und 2017 um 24 Prozent gesenkt hat. Damit ist Deutschland weltweit eine von drei Nationen – neben Großbritannien und Russland –, die in diesem Zeitraum eine Absenkung realisieren konnte.
Mehr E-Autos, um Milliardenstrafe abzuwenden
Auf seinem „kleinen Ritt durch die E-Mobilität“ erklärt er anschaulich die Motivation der Automobilbranche, an der Mobilitätswende mitzuwirken. So muss der Volkswagenkonzern die Fahrzeugflotte bis 2021 neu ausrichten, um den durchschnittlichen Kohlendioxidausstoß der Flotte zu senken. Das heißt, der Anteil CO2-neutraler Fahrzeuge muss steigen und der Anteil von Wagen mit Verbrennungsmotoren muss sinken. Gelingt dies nicht, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.
Mit der Entwicklung des Modularen Elektro-Baukasten (MEB) hat Volkswagen einen wichtigen Schritt in Richtung Elektrifizierung der Fahrzeugflotte getan. Teile des neuentwickelten Grundelektromotors, der alle Modelle der vollelektrischen ID.-Familie antreibt, werden im Motorenwerk in Salzgitter produziert.
Doch die Elektromobilität ist nur eines der Zukunftsfelder der Mobilität. Dazu gehören auch Mobilitätsdienstleistungen, autonomes Fahren und Digitalisierung.
Die Forschung geht weiter
In seinem Vortrag beleuchtet Krause weitere Bereiche rund um die Elektromobilität. Die Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Batterietechnologien wie die Feststoffbatterie gehört ebenso dazu wie Status und Entwicklung der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Die sieht übrigens gar nicht so schlecht aus: So gab es im Dezember 2019 23.840 Normalladepunkte und 5.800 Schnellladepunkte. Für das Jahr 2020 sind 36.000 Normalladepunkte und 7.000 Schnellladepunkte anvisiert. Einer weiteren Grafik kann ich entnehmen, dass die Hälfte der gesamten Ladeleistung zuhause aufgenommen wird.
Danach komme ich in Genuss eines kleinen Exkurses zum Thema Wasserstoffantrieb. „Der Wasserstoffantrieb ist die Nachfolgetechnologie für Fahrzeuge mit hohen Anforderungen an Reichweite und Verfügbarkeit“, fasst Thomas Krause zusammen. Das sind zum Beispiel Busse und LKW. Der batterieelektrische Antrieb ist demnach hingegen die effiziente Wahl für Fahrzeuge in der Stadt und im Umland, also private PKW.
Um einige Erkenntnisse schlauer trete ich den Nachhauseweg an. Thomas Krause hat noch mit einigen Vorurteilen aufgeräumt. So erklärte er, dass der gute alte Verbrenner noch lange nicht ausgedient hat. Bis mindestens 2030 sei Volkswagen darauf angewiesen, Autos mit Verbrennungsmotoren abzusetzen. Mit den Erlösen sollen alternative Antriebskonzepte weiterentwickelt werden.
Folgeveranstaltungen sind geplant
"Vieles ist bereits eingeleitet – vieles weiteres jedoch noch zu tun", resümiert Krause. Er erwartet, dass die Transformation der Arbeitswelt in der Automobilbranche zu einer Herausforderung wird. „Um Jobs zu erhalten sind politische Unterstützung und Förderung, aber auch neue Ideen und Wertschöpfungsketten erforderlich.“
Matthias Wilhelm, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine, hat am Ende der Konferenz festgestellt, dass die Umstellung der Industrie nicht im Widerspruch zur Sicherheit von Beschäftigung, Qualifikation und Einkommen stehen muss. „Wenn wir es schaffen, dass dieser Prozess beteiligungsorientiert, demokratisch und sozial gestaltet wird, können die Menschen dieser Region ihre Kompetenz bei diesem Thema einfließen lassen – zum Nutzen aller."