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Nadine Nobile ist New Work Expertin. Nils Hasenau

„Wir sollten uns davon verabschieden, New Work als ein abgeschlossenes Konzept zu betrachten“
Zehn Fragen an Nadine Nobile

Der Begriff New Work: Die meisten verorten ihn wahrscheinlich in hippen Start-ups, denken an Homeoffice und Vier-Tage-Woche oder eine junge Generation, die viel nimmt, aber wenig gibt. Aber steckt nicht viel mehr dahinter? Nadine Nobile, gemeinsam mit ihrem Mann Sven Franke Gründerin und Geschäftsführerin von CO:X, rückt im Interview einiges zurecht.

Nadine Nobile berät Menschen in Organisationen rund um Fragen zum Thema neue Arbeitswelten. Im Interview erzählt sie uns, wie sie mit dem Begriff „New Work“ umgeht, worauf junge Menschen im Bewerbungsgespräch achten können und welche Bedingungen es ihr zufolge braucht, um ein angenehmes und produktives Arbeitsumfeld zu kultivieren.

 „New Work“ ist seit einigen Jahren in aller Munde. Können Sie den Begriff noch hören oder nervt er Sie inzwischen?

Überhaupt nicht! Denn er zeigt, dass sich Menschen bewusst damit beschäftigen, wie sie Arbeit und Zusammenarbeit gestalten wollen. Und dieses Gestalten hat immer auch einen Zukunftsbezug. Ich freue mich also über jeden Menschen und jede Organisation, die sich diese Fragen stellt und kann den Begriff eigentlich gar nicht oft genug hören! Ich weiß, dass er für viele ein Buzzword ist, das Irritation auslösen kann. Diese Irritation bedeutet aber wiederum, dass irgendeine Emotionalität da ist – und wo Emotion ist, scheint etwas bedeutsam zu sein.

 Was bedeutet New Work denn ganz konkret?

Da gibt es keine einheitliche Definition! Der Ursprungsbegriff kommt von Frithjof Bergmann, einem österreichisch-amerikanischen Philosophen. In den 1980er- und -90er-Jahren stand er vor der Herausforderung, ein Konzept zu entwickeln, wie man Arbeit und Leben zukünftig gestalten kann.

Nadine Nobile ist New Work-Expertin Nils Hasenau
Nadine Nobile rät: „Wenn Unklarheiten oder Uneinigkeit in Bezug auf eine Idee besteht, einfach mal für drei oder sechs Monate ausprobieren."

Wie gehen Sie mit dem Begriff um?

Wir sehen heute, dass jeder auch ein bisschen sein eigenes Verständnis von „New Work“ entwickelt. Ich versuche immer, ganzheitlich auf das Thema zu schauen mit der Frage: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Was soll anders werden? Damit geht automatisch die Frage einher, was bleiben soll. Denn es ist ja nicht alles schlecht, was wir heute machen – wir müssen nicht alles neu erfinden. Ich glaube, wir sollten uns davon verabschieden, New Work als ein abgeschlossenes Konzept zu sehen, beispielsweise als Homeoffice oder Vier-Tage-Woche. Denn was für die einen gut klappt, kann für andere unpassend sein. Es gibt keine Blaupause, die Organisationen eins zu eins übertragen können. Inspiration ja, Nachahmung nein. Im Vordergrund steht immer die Frage: Was ist das, was für Menschen in Organisationen stimmig ist und ihnen weiterhilft? So versuche ich, mit dem Begriff umzugehen.

„Im Vordergrund steht immer die Frage: Was ist für Menschen in Organisationen stimmig und hilft ihnen weiter?“

Nadine Nobile, Geschäftsführerin von CO:X

Inwieweit sind die neuen Arbeitswelten für junge Arbeitnehmende entscheidend bei der Jobwahl?

Junge Menschen werden durch Schule, Hochschule oder Ausbildungsbetrieb in sehr hierarchischen Strukturen sozialisiert. Ich nehme häufig die Hoffnung oder den Wunsch wahr, dass es danach anders ist – oft treffen Berufseinsteiger und -einsteigerinnen dann aber auf eine Realität, die noch gar nicht so weit ist. Dadurch entsteht nicht selten Verunsicherung: Ist das jetzt so? Bleibt das so? Muss das so sein? In einer Zeit, in der wir Menschen so gefordert sind durch die sehr hohe Komplexität und Dynamik, in der wir uns befinden, müssen wir ja auch immer schauen: Wie schaffe ich eine innere Stabilität, damit ich mit all den Herausforderungen, diesem Overflow an Informationen und Möglichkeiten, umgehen kann? Da ist ein Arbeitsplatz, an dem man als Mensch gesehen wird, umso wichtiger.

 Welches Gewicht hat dieses Bedürfnis inzwischen?

Vieles hat sich allein in den letzten zehn Jahren so rasch entwickelt, dass es viele Menschen überfordert. Ich erlebe immer wieder, dass von allen Seiten gesagt wird, die junge Generation sei so furchtbar anspruchsvoll und wolle eigentlich gar nicht mehr arbeiten. Das letztere kann ich so nicht teilen. Ich glaube nicht, dass junge Menschen weniger leistungsbereit sind, sondern dass sie ihren Wert kennen und sich und ihre Gesundheit nicht mehr für die Arbeit aufopfern. Und das ist auch gut so.

 Welche Aspekte sind für junge Menschen besonders wichtig - Gibt es Schlagworte, die Stellenanzeigen interessant machen?

Für junge Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist es häufig wichtig, im Vorfeld, noch vor der Bewerbung, zu sehen: Was ist denn da eigentlich drin? Lohnt sich das für mich? Passt das für mich zusammen? Was Stellenausschreibungen sehr attraktiv macht, sind Gehaltsangaben. Sie werden außerdem interessant, wenn Menschen das Gefühl haben, darin etwas über das Unternehmen zu erfahren. Auch hier gilt wieder: Keine Blaupause nutzen. Die Stellenausschreibung sollte eine gewisse Individualität und Authentizität haben und sich nicht mit Phrasen oder Floskeln zufriedengeben. Wenn es um den Fachkräftemangel geht, sollten Unternehmen sich auch fragen: Was müssen wir tun, um uns nach außen attraktiv und authentisch darzustellen?

 Woran erkennen junge Menschen zum Beispiel schon im Bewerbungsgespräch, ob der Arbeitgeber wirklich so ein modernes Verständnis von Arbeit hat, wie er vielleicht suggeriert?

Ich glaube schon, dass man spürt, ob die Menschen im Gespräch ernst meinen, was sie sagen. Es lohnt sich, darauf zu achten, wie mit Gästen umgegangen wird: Wie werde ich begrüßt? Lächeln mich die Leute an, sind neugierig? Oder tun sie mich genervt ab, lassen mich vielleicht sogar warten? Dadurch bekommt man schon einen ganz guten Eindruck. Zusätzlich ist es aber sehr wichtig, selbst viele Fragen zu stellen. Es ist ja nicht nur wichtig, dass ich für die Organisation passend bin, sondern dass sie auch zu mir passt. Fragen kann man Dinge wie: Warum arbeiten Menschen gerne hier? Wie findet Wertschätzung in der Organisation statt? Woran erkennen Mitarbeitende, dass sie einen guten Job machen? Da kann man dann ruhig mutig sein und in Erfahrung bringen, was einen erwartet; auch in Bezug auf die Einarbeitung. Man merkt schon viel daran, ob eine Organisation neuen Mitarbeitenden einen ausführlichen Onboarding-Prozess bietet oder sie einfach so anfangen lässt zu arbeiten.

Wie können unterschiedliche Bedürfnisse von Unternehmen und jungen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen vereint werden?

Eine Organisation ist immer ein Zusammenschluss mehrerer Menschen innerhalb eines definierten Rahmens, der meist durch die Gründer bzw. Gründerinnen oder Geschäftsführung geprägt ist. Das ist beispielsweise der Unternehmenszweck. Dinge, die innerhalb dieses Rahmens liegen, kann ich gerne integrieren. Es ist spannend zu sehen, was Kollegen und Kolleginnen für Gedanken oder Ideen dazu haben, wie wir unsere Organisation weiterentwickeln oder neue Geschäftsfelder finden können. Wenn aber zum Beispiel eine Kollegin zu mir kommen und sagen würde, sie wolle eine Weiterbildung als Sterbebegleiterin machen – dann fände ich das als Mensch wertvoll, müsste aber sagen: Innerhalb unserer Organisation gibt es dafür keinen Raum und ich sehe auch nicht, dass wir unser Geschäftsmodell so weiterentwickeln können, dass es Teil unserer Organisation wird. Diesen Wunsch könnte ich also nicht integrieren. Das heißt, wir müssen immer wieder abwägen zwischen: Was sind unsere organisationalen Anforderungen und Rahmenbedingungen, und wie können wir innerhalb dieses Rahmens die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen abbilden? Das ist im Grunde immer ein Aushandlungsprozess.

Postkarten mit Slogans zum Thema New Pay. Carla Müller
Neben allgemeineren Fragen rund um die neuen Arbeitswelten befasst Nadine Nobile sich besonders stark mit neuen Vergütungssystemen.

Wie kann der optimalerweise aussehen?

Mein Tipp ist: Wenn Unklarheiten oder Uneinigkeit in Bezug auf eine Idee besteht, einfach mal für drei oder sechs Monate ausprobieren. Schon mit der Option des Scheiterns für beide Seiten. Dann ist für alle klar: Das ist jetzt erstmal eine Phase und wir werden sehen, was zukünftig für uns passt und was nicht.

Führt New Work automatisch zu mehr Zufriedenheit im Job?

Ich glaube, dass Menschen, die sich in ihrem Arbeitsumfeld gesehen fühlen, glücklicher sind als jene, die sich als reine Arbeitserbringer fühlen. Die Perspektive von Mitarbeitenden einzubeziehen, bedeutet erst einmal: Ich muss befragen, zuhören, Aufmerksamkeit schenken. Damit signalisiere ich ihnen, dass das, was sie zu sagen haben, eine Bedeutung hat. Das hat sogar über den Job hinaus Wirkung: Studien zeigen, dass Menschen, die das Gefühl haben, ihre Arbeit und ihr Arbeitsumfeld aktiv mitgestalten zu können, sich demokratischen Prinzipien automatisch näher fühlen. Außerdem verstehen sie, dass immer verschiedene Perspektiven einbezogen werden müssen. Wenn wir ein Arbeitsumfeld kultivieren, in dem Mitarbeitende das Gefühl haben, als Mensch gesehen zu werden und merken, was aus ihrer Arbeit erwächst, glaube ich schon, dass die Menschen auch zufriedener sind.