In Braunschweig gibt es einen Bildungs-Champion, den viele Menschen in der Region vermutlich gar nicht kennen: Die Welfenakademie. Sie bildet seit 26 Jahren in Zusammenarbeit mit rund 50 Unternehmen junge Leute in einem dualen Studiengang zu Betriebswirten aus. Es ist eine Ausbildung, die Theorie und Praxis eng miteinander verknüpft. Die Wirtschaft hat diese private Berufsakademie einst initiiert, sie finanziert sie auch. Mit diesem Modell hat die Welfenakademie im CHE-Hochschulranking der Wochenzeitung „Die Zeit“ inzwischen mehrfach Bestnoten erreicht. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren jedes Mal den ersten Platz unter mehr als 100 öffentlichen und privaten Hochschulen belegt, die einen dualen Studiengang BWL anbieten“, erzählt Geschäftsführer Dr. Jens Bölscher.
Ein Bildungs-Champion
– die Welfenakademie
Top-Position im Hochschulranking
In den vergangenen zehn Jahren gab es stets Top-4-Plätze – und dass, obwohl es unter den Mitbewerbern große und namhafte Hochschulen und Business Schools gibt. Gegen die ist die Welfenakademie mit jährlich rund 65 Studierenden eher klein. Aber darin liegt ja auch eine Chance. „Wir sind eine stark praxisorientierte Alternative zum klassischen BWL-Studium an der Universität“, meint der Vorstandsvorsitzende Joachim Roth. Der frühere Wirtschaftsdezernent der Stadt Braunschweig hatte die Akademie, die 1993 im Kloster Wöltingerode bei Vienenburg gegründet worden war, zwölf Jahre später maßgeblich mit anderen Akteuren nach Braunschweig geholt.
Duales Studium: Theorie und Praxis im Verbund
Das Modell der Welfenakademie: Eine Ausbildung über sechs Semester, in der sich die theoretische Wissensvermittlung an der Akademie mit praktischen Übungen in den Unternehmen stetig abwechseln. Bölscher: „Es ist eine feste Partnerschaft für jeweils drei Jahre, in denen beide Seiten gemeinsam ausbilden – mit dem Ziel, dass der Absolvent später im jeweiligen Unternehmen arbeiten wird“. So können die Unternehmen künftige Fach- und Führungskräfte schon früh an sich binden, ihre Talente besser erkennen und entsprechend ihren Fähigkeiten auf künftige Aufgaben gezielt vorbereiten. Die Unternehmen bekommen direkt nach dem Studium (ohne zusätzliche Trainee-Zeit) die Fachkräfte, die sie wirklich benötigen – nicht zuletzt, weil sie bei den Ausbildungsinhalten mitreden können. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist dieses Modell für Unternehmen besonders interessant“, stellt Bölscher fest. Das gelte vor allem für mittelständische Betriebe, ergänzt Roth. Ein weiterer Vorteil des Braunschweiger Modells: Die Studenten sollen nicht nur Fach- und Methodenwissen, sondern auch Sozialkompetenz erwerben. Da geht es beispielsweise um Fähigkeiten im Bereich Kommunikation, dem Denken in Zusammenhängen oder auch um selbstsichere Entscheidungsfindung.
Abschluss mit einem Bachelor of Arts
Natürlich hat solch ein duales Studium auch für Studierende wesentliche Vorteile, fasst Roth zusammen: Sie kennen das Unternehmen bereits, wenn sie richtig ins Berufsleben einsteigen, sie haben gute Aufstiegschancen, sie studieren gewissermaßen mit einer späteren „Arbeitsplatzgarantie“ und sie haben Planungssicherheit, was Ausbildungszeit und Einkommen betrifft. Der duale Studiengang BWL wird an der Welfenakademie mit einem Bachelor of Arts abgeschlossen. Die Ausbildung ist im Vergleich zu Hochschulen stärker reglementiert; es gibt eine feste Ordnung. Entsprechend höher ist der Arbeitsdruck. Voraussetzung für ein Studium ist die Fachhochschulreife. Im Grundstudium gibt es in den ersten drei Semestern jeweils etwa gleiche Anteile von Theorie und Praxis, im folgenden Hauptstudium dominiert die praktische Ausbildung. Die Ausbildung ist in beiden Bereichen in Module gegliedert, die jeweils mit einer Prüfung (mündlich oder schriftlich als Hausarbeit, Referat oder Klausur) beendet werden. Die Studierenden müssen alle Module bestehen, um den Bachelor-Abschluss zu erlangen. Krönung des Studiums ist eine Abschlussarbeit, die in einem Kolloquium verteidigt werden muss.
Spezialisierung in acht Fachrichtungen
Ab dem ersten Semester gibt es eine Spezialisierung. Die allgemeine BWL ist Pflicht für alle. Zusätzlich muss jeder Studierende mindestens eine von sieben Fachrichtungen auswählen, erläutert Bölscher. Das sind neben den klassischen Bereichen Banken und Versicherungen, Handel und Industrie die neuen Wirtschaftsbereiche Modemanagement, Digital Marketing & Sales, Informationsmanagement sowie Steuern und Prüfwesen. Die Fachrichtung Modemanagement ist in enger Abstimmung mit dem Textilkonzern New Yorker entstanden, dessen Zentrale in Braunschweig sitzt. Ab dem fünften Semester gibt es noch eine weitere Spezialisierung in einzelne BWL-Bereiche: etwa Controlling, Marketing oder Personalwesen. „Es wird stets ein dreiseitiger Vertrag zwischen Akademie, Unternehmen und Studierendem abgeschlossen“, berichtet Bölscher. Der Studierende erhält vom Unternehmen eine Ausbildungsvergütung, die sich in etwa an geltenden Tarifen orientiert. Die Studiengebühr beträgt 520 Euro im Monat. Meist zahlt das Unternehmen zusätzlich die Hälfte davon, mitunter auch mehr oder alles. Das liegt im Ermessen der Unternehmen.
Mehr als 50 Kooperationsunternehmen in der Region
Die Akademie finanziert sich vor allem durch die Studiengebühren. Zusätzliche Einnahmen werden mit Weiterbildungsseminaren erzielt, die meist speziell für Unternehmen entwickelt werden. „Die Welfenakademie hat sich in der Region einen guten Ruf erworben. Wir bieten eine qualitativ gute Ausbildung und unsere Absolventen haben gute Aufstiegschancen in ihren Unternehmen“, fasst Roth zusammen. Bisher gibt es rund 1.500 Absolventen, davon etwa die Hälfte Frauen. Die Abbruchquote ist sehr niedrig, da die Studierenden ja von den Unternehmen selbst ausgewählt werden. 90 Prozent der Absolventen sind bei ihrem Ausbildungsunternehmen geblieben, viele haben inzwischen Karriere im Management gemacht, weiß Bölscher aus zahlreichen Rückmeldungen. Rund die Hälfte der Studierenden kommt bisher von sechs großen Unternehmen der Region. Neben New Yorker sind das die Volksbank BraWo, Volkswagen Financial Services, die Volkswagen Group IT Services, PKF Fasselt Schlage und die Braunschweigische Landessparkasse. Weitere große Unternehmen (etwa Aldi, MDM, Küchen Aktuell oder Mast-Jägermeister) und viele mittelständische Unternehmen bieten die duale Ausbildung an. Beispielhaft für letztere nennt Bölscher die Unternehmen Kosatec, AL-Elektronik, Perschmann sowie gross + partner. Roths Fazit: „Wir haben bisher mehr als 50 Kooperationspartner und wollen noch mehr mittelständische Unternehmen in der Region für unser duales Modell gewinnen.“