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Stiefmütterchen in Bio-Qualität aus eigenem Anbau in der Klostergärtnerei Riddagshausen. Beate Ziehres

Nachhaltig wirtschaften wie die Zisterzienser
10 Jahre Klostergärtnerei Riddagshausen

In der Klostergärtnerei Riddagshausen laufen die Vorbereitungen für den Kräutertag am 28. April und das „Zehnjährige“, das dann gefeiert werden soll. Außerdem feierwürdig: Die Klostergärtnerei ist jetzt Bioland-zertifiziert! Beate Ziehres taucht ein in ein Meer von (Bio)-Frühlingsblumen.

In den Gewächshäusern und zwischen den Beeten mischt sich klösterliche Ruhe mit dem lebendigen Treiben der Gärtner. Im Schatten der Klosterkirche Riddagshausen werden die ersten robusten Pflanzen an die frische Luft geschoben. Es sind unterschiedliche Minze-Arten – von der Erdbeerminze über die Orangenminze bis hin zur Mojito-Minze. Auch ein Olivenbäumchen streckt die silbrig-grünen Blätter der Frühlingssonne entgegen. In den Gewächshäusern drängen sich Erdbeer- und blühende Rosmarinpflanzen.

Von der Stadtgärtnerei zum Grünen Zentrum Riddagshausen

Das war nicht immer so. 2014 zog nach Jahren des Leerstands wieder Leben ein auf dem ehemaligen Gelände der Stadtgärtnerei in Riddagshausen – und ein bemerkenswertes Projekt nahm seinen Anfang. Von der Stadt Braunschweig an die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK) übertragen, hatte die Evangelische Stiftung Neuerkerode (esn) auf dem riesigen Areal das Potenzial für etwas Besonderes entdeckt. In Zusammenarbeit mit der Tochtergesellschaft Mehrwerk gGmbH wuchs die Idee, hier einen Ort zu schaffen, an dem Menschen mit Behinderung berufliche Erfüllung finden können.

Kräuter und Jungpflanzen gedeihen dank liebevoller Betreuung. Beate Ziehres
Kräuter und Jungpflanzen gedeihen dank liebevoller Betreuung.

Olaf Redlin, damals Projektleiter und heute Standortleiter des Grünen Zentrums Riddagshausen, erinnert sich an die Anfänge: „Inspiriert von den Zisterziensern, die auf diesem Gelände vor Jahrhunderten gärtnerten, wollten wir den Fokus auf den Anbau von Kräutern und Gemüse legen.“

Bevor gesät und gepflanzt werden konnte, mussten jedoch die Gewächshäuser instandgesetzt und die Böden vorbereitet werden. Dies geschah im Jahr 2013. Am 1. Februar 2014 startete das Projekt Klostergärtnerei Riddagshausen schließlich mit acht Beschäftigten, unter ihnen zwei erfahrene Gärtner.

Das Füllen der Pflanzgefäße gehört in der Klostergärtnerei Riddagshausen zu den Aufgaben. Beate Ziehres
Das Füllen der Pflanzgefäße gehört in der Gärtnerei zu den Aufgaben.

Klostergärtnerei Riddagshausen: Nachhaltig, sozial, ökologisch

„Von Anfang an standen die Attribute nachhaltig, sozial und ökologisch auf unseren Fahnen. Wir wollten im Einklang mit der Natur und der Geschichte dieses Ortes gärtnern", erklärt Olaf Redlin. 2016 erkannte das Team jedoch, dass der Weg bis zur Bio-Zertifizierung trotz guter Voraussetzungen noch Jahre in Anspruch nehmen würde.

Einige Zeit später folgte ein weiterer Schritt: Das Gebäude, in dem ich nun mit Olaf Redlin zusammensitze, wurde grundlegend umgebaut, um den Anforderungen als Arbeitsstätte zu entsprechen. Heute gibt es hier Büros, aber auch Sozialräume für die Beschäftigten. Mit dem Abschluss der Umbauarbeiten ließ die Klostergärtnerei den Projektstatus hinter sich.

Seit 2019 ist die Gärtnerei eine Säule des Grünen Zentrums Riddagshausen, das unter dem Dach der Mehrwerk GmbH firmiert. Die Mehrwerk GmbH wiederum ist Bestandteil der Unternehmensgruppe Evangelische Stiftung Neuerkerode. Weitere Säulen des Grünen Zentrums sind die Grünwerker und der Berufsbildungsbereich Grün.

Grünwerker bei der Arbeit in der Klostergärtnerei Riddagshausen. Beate Ziehres
Grünwerker bei der Arbeit.

Die Grünwerker kümmern sich ums Rasenmähen und Heckenschneiden, sowohl auf dem eigenen Gelände als auch in Privatgärten. Der Berufsbildungsbereich Grün bietet sieben Schulabgängern die Möglichkeit, sich zu orientieren und auszuprobieren. Ein Bildungsbegleiter unterstützt sie auf ihrem Weg. „Im Verbund ‚Mehrwerk’ können die jungen Leute ihr Talent entdecken“, verdeutlicht Olaf Redlin. Im Grünen Zentrum arbeiten heute übrigens 35 Beschäftigte, zusätzlich fünf Gruppenleiter und 1,5 Produktionskräfte.

Der Weg zur Bioland-Zertifizierung

Von Beginn an arbeitete das Team der Klostergärtnerei Riddagshausen daran, das begehrte Bio-Label zu erhalten. Nach einem ersten Testballon im Jahr 2015/16 wurde jedoch schnell klar, dass noch wichtige Schritte zu unternehmen waren, um die hohen Standards zu erfüllen.

Nach Jahren intensiver Bemühungen und engagierter Arbeit nahm das Team schließlich 2019/20 den Prozess der Bioland-Zertifizierung ernsthaft in Angriff. Mit Erfolg. Im Jahr 2020 erhielt die Klostergärtnerei erstmals Besuch vom Anbauverband Bioland, der den Ist-Bestand ermittelte.

Ein Jahr später bestand die Klostergärtnerei die Erstkontrolle durch eine unabhängige Kontrollstelle, die EU-Standard Bio und gleichzeitig Bioland prüft. Seitdem unterzieht sich der Betrieb jährlichen Kontrollen, um sichergestellt zu wissen, dass die hohen Qualitätsstandards eingehalten werden.

Verkauf ausschließlich im Klosterladen

Die Zertifizierung umfasst nicht nur den Anbau selbst, auch Jungpflanzen und Saatgut müssen in Bio-Qualität zum Einsatz kommen. Jeder Schritt im Prozess wird genau überwacht – von der Düngung bis hin zur Ernte. Olaf Redlin legt mir eine Liste mit  akribischen Aufzeichnungen vor. Ihr kann ich entnehmen, dass die Klostergärtnerei im Jahr 2023 unter anderem genau 1101 Schlangengurken, 260 Kohlrabis und 1140 Kilo Tomaten geerntet hat.

Auf eher bescheidenen 1000 Quadratmetern Anbaufläche gediehen im vergangenen Jahr auch Auberginen, beachtliche 15 Kilo Chilischoten, Fenchel, Wassermelonen und sage und schreibe 590 Salatköpfe. Übrigens geht die komplette Ernte im Klosterladen über den Ladentisch. Die Zeiten, als die Klostergärtnerei mit Gemüse, Obst und Kräutern auf ausgewählten Märkten wie beispielsweise dem Braunschweiger Blumenmarkttag anzutreffen war, sind vorbei.

Inzwischen bietet der Betrieb auch Bio-Zierpflanzen an – ein Alleinstellungsmerkmal, welches das Grüne Zentrum zumindest in Braunschweig von anderen Anbietern abhebt. Bei meinem Besuch habe ich meine Freude an blühenden Stiefmütterchen, Hornveilchen, Tulpen und Narzissen – stimmungsaufhellenden Farbtupfern in einer zu dieser Zeit noch eher eintönigen Welt.

Ob es die bunten Blumen sind, die im Frühling Kunden aus der ganzen Region zwischen Helmstedt, Salzgitter und Peine anziehen? Oder die Gemüse-, Kräuter- und Erdbeerpflanzen in Bio-Qualität? Man kann es nicht genau sagen. Fest steht jedoch: besonders viele Menschen kommen an den Frühlingswochenenden in die Klostergärtnerei, um sich das frische Grün nach Hause zu holen. Im Sommer, zur Erntezeit von Zucchini, Paprika und Blumenkohl, liegt natürlich frisches Gemüse in der Käufergunst ganz vorn.

Werbung braucht die Klostergärtnerei im Übrigen nicht zu machen. Die Kunde von qualitativ hochwertigen Produkten aus eigenem Anbau verbreitet sich via Mundpropaganda.  

Klostergärtnerei Riddagshausen: Leidenschaft für mehr Nachhaltigkeit

Während meines Rundgangs durch die Klostergärtnerei kommen mir wieder Olaf Redlins Worte in den Kopf. Die Gärtnerei ist nicht nur eine grüne, blühende Oase, sondern in erster Linie eine Arbeitsstätte, die völlig unterschiedlichen Charakteren die Möglichkeit gibt, sich ganz ihren persönlichen Vorlieben entsprechend zu entfalten. Hier wird Nachhaltigkeit und soziale Integration gelebt.

Zum Abschied spricht Olaf Redlin eine gemeinsame Zukunftsvision für das gesamte klösterliche Areal in Riddagshausen an: Klosterkirche, der Park und die Klostergärtnerei sollen zu einem Ort werden, an dem die einzigartige Atmosphäre bewahrt bleibt. Ein Ort, der das Leben der Zisterzienser ehrt und die Tradition des Kräuteranbaus und der Kräuternutzung weiterlebt. In diesem kleinen, weltabgeschiedenen Paradies kann bereits heute jeder Besucher Ruhe finden, der Vergangenheit nachspüren und mit neuer Kraft in die Gegenwart zurückkehren.