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Harz, wir kommen:
Wir testen spannende, kurvenreiche Motorradstrecken

Das Wetter spielt mit, die schönen Tage müssen genutzt werden: Die BMW wird gesattelt und es geht auf in unser Gebirge zur Kurvenfahrt. Der Harz bietet für Biker spannende Strecken. Hier locken grüne Wälder, karge Felsen und pittoreske Orte. 

Unsere Harz-Tour beginnt nach einem guten Frühstück am mittelalterlichen Marktplatz von Goslar. Bei der Fahrt aus der Stadt hinaus bewundern wir die trutzigen Gebäude, die so gut erhalten sind und Goslar zu Recht zum UNESCO-Weltkulturerbe machen. Aber Sightseeing steht heute nicht auf dem Plan, damit geht es auf zur ersten Etappe an den Okerstausee.

Die B 498 verläuft durch den kleinen Ort Oker. Der Name ist Programm: Vorbei am „Okertaler Mineralbrunnen“ führt die Strecke immer am Fluss entlang. Noch sind die Kurven gemütlich und fordern den Fahrer nicht besonders. Doch dann tritt plötzlich die Schönheit des Harzes in den Blick – die Marienwand im Okertal. Sie ist eine Felsformation, die auch bei Kletterern beliebt ist. Die Umgebung weckt selbst in mir den Wunsch, hier abzusteigen und am Wasser mit den großen Felsen zu wandern. In voller Motorradkluft ist das jedoch zu umständlich und so begnüge ich mich mit einem sehnsüchtigen Blick und verspreche mir selbst: „Nächstes Mal, ganz bestimmt!“

 

Das „kleinste Königreich Deutschlands“ liegt im Harz

Ein paar Kurven weiter kommen wir in ein echtes Königreich! Am Romkerhaller Wasserfall befindet sich gegenüber des Wasserkraftwerks das „Königreich Romkerhall – das kleinste Königreich Deutschlands“. Das Anwesen, ein ehemaliger Jagdsitz von König Georg V., ist heute ein Hotel und Restaurant. 1988 wurde es in dem gemeindefreien Gebiet zum Königreich ausgerufen und besitzt seitdem sogar eine offizielle eigene Währung, den Königsthaler.

Wo es der Gegenverkehr zulässt und es erlaubt ist, wird zügig überholt und so kommen wir schon nach wenigen Minuten an die Okertalsperre. Das historische „Café Okerterrasse“ ist ein beliebter Bikertreffpunkt. An der Hauptstaumauer des Okerstausees halten bei schönem Wetter viele Motorradfahrer, um in der Sonne zu sitzen, einen Kaffee zu trinken und den Blick übers Wasser schweifen zu lassen. „Berge und Meer“ fällt mir dazu ein, auch wenn der Stausee genau genommen ja kein echtes Meer ist – die Kombination aus Felsen und Wasser ist das, was den Harz für (Motorrad-)Touren so reizvoll macht. Auch für uns gehört ein Stopp an dieser Stelle dazu. Nach einem Blick über die Staumauer, deren gewaltige Höhe doch immer wieder beeindruckend ist, bewundern wir noch einmal die gut gepflegten Maschinen und steigen wieder auf.

Weiter geht’s mit dem weißen Blitz. Über die Weißwasserbrücke führt der Weg nach Altenau. Nun werden die Kurven enger und der Fahrspaß größer. Die dunklen Fichtenwälder spenden auch bei strahlendem Sonnenschein Schatten, hier ist die Luft feuchter und kühler, es duftet würzig nach Wald. Doch schon in der nächsten Kurve ist es wieder sonnig und warm, so wechseln sich die Eindrücke ab, die man nur auf dem Motorrad in dieser Art erleben kann!

 

Mit dem Motorrad durch märchenhafte Wälder

Altenau mit seinem Kräuterpark und der Kristalltherme ist ein hübscher Bergort. Die Straße schraubt sich langsam hoch, die Häuser sind hier im typischen Harzstil erbaut. Vorbei geht es im Kreisverkehr an der Kirche des Dorfes, wir wollen weiter hinauf Richtung Clausthal-Zellerfeld.

Auch hier fliegen wir durch die Kurven, das Auge kann sich kaum sattsehen an den hohen Felswänden rechts und links der Straße, die mit dichten Wäldern bewachsen und stellenweise doch lichtdurchflutet sind. „Märchenhaft“, schießt es mir in den Sinn. Hier könnten auch Hänsel und Gretel das Hexenhaus gefunden haben.

Marvin Reepschläger

Wir verlassen die Bundesstraße 498 und biegen nach links auf die B 242 ab, die uns direkt nach Clausthal-Zellerfeld führt. Kurz vor dem Ort nehmen wir die Abzweigung auf die B 241, die wir nach nun schon kurvigerer Strecke kurz darauf wieder verlassen und stattdessen auf der Landstraße 516 weiterfahren. Hier macht das Fahren Spaß, so manche spitze Kehre fordert Fahrer und Maschine und echtes Bergfahrfeeling kommt auf. Hahnenklee lassen wir rechts liegen, fahren in Lautenthal ab auf die L 515 und genießen das Gefühl, das uns beim Kurvenfahren beschert wird, wenn die Maschine sich Richtung Straße neigt und die Knie fast den Asphalt berühren. In diesem „Flow“ kurven wir an Wildemann vorbei, bis wir wieder auf die altbekannte B 242 stoßen, die ein paar kitzlige Abschnitte zu bieten hat und der wir ein kurzes Stück zurück Richtung Clausthal-Zellerfeld folgen. Doch dieses Mal sind wir auf der anderen Seite der Berg- und Universitätsstadt und begeben uns nun auf die B 241.

 

Bundesstrasse mit Spitzkehren

Hier cruisen wir nach der aufregenden Bergfahrt hinunter bis nach Osterode am Harz, wo wir einen kurzen Tankstopp einlegen müssen. Frisch versorgt sind wir von dem angenehmen Wetter und der schönen Strecke so beseelt, dass es sofort wieder weitergeht. Die B 248 erwartet uns mit Spitzkehren vor dem Sösestausee, den wir am Ende überqueren. Die sich hochschraubende Straße leitet uns wieder Richtung Altenau, doch an der Krezung zur B 242 folgen wir der Strecke nach rechts.

Marvin Reepschläger

Nach wenigen Kilometern begrüßt uns der Nationalpark Harz. Das Naturschutzgebiet ist ein Wanderparadies und die „Rennleitung“ passt hier auch gerne mal auf, dass die Motorradfahrer nicht zu übermütig werden. Wir lassen uns in langgezogenen Kurven am Oderteich entlanggleiten, herrlich ist die Aussicht und das Gefühl. Um den Fahrspaß noch etwas zu verlängern, fahren wir hinab Richtung Braunlage, lassen uns ein Stück auf der B 27 treiben und genießen im Nationalpark die Serpentinenfahrt auf der L 519 hinauf Richtung St. Andreasberg. Der Luftkurort mit seinen Bergwiesen ist ein hübscher Anblick und wer mag, kann hier sogar die Sommerrodelbahn nutzen. Doch uns steht der Sinn nur nach gewundenen Straßen, die uns durch die bewaldeten Berge tragen.

Ein Muss für Biker: Kaffeepause am Torfhaus

Die Landstraße 519 ist eine Spaßstrecke, wenn kein Auto in Sicht ist. Enge Kurven lassen den Motor aufheulen, rasant geht es vorwärts, auf der B 242 noch einmal am Oderteich vorbei und dann zur wohlverdienten Kaffeepause zum Torfhaus. Am Wegesrand liegt viel totes Holz, das mit seinen Gerippen der Landschaft hier oben etwas Gespenstisches verleiht – selbst bei Sonnenschein. Doch das ist schnell vergessen, als wir den Motorradparkplatz auf ca. 800 Metern ü. N. N. erreichen.

Hier ist wie immer gucken, flanieren und fachsimpeln angesagt! Interessante Maschinen gibt es zu bestaunen, einige haben sicher schon etliche Kilometer und auch Jahre hinter sich. Und immer wieder sind auch besondere Motorräder zu sehen – so wie die im Retrostyle gehaltene Kawaski W800 mit Beiwagen im selben Design. Gunnar Dunker ist mit seiner Frau auf Sonntagsfahrt, „nur mal eben schnell einen Kaffee trinken“, meint der begeisterte Motorradfan. „Mit dem Beiwagen fährt es sich ganz anders“, erklärt er mir auf Nachfrage, er hat extra ein Training für solche Fahrten absolviert. „120 bis 140 km/h Spitze schafft das Gespann – es ist eher ein gemütliches Fahren“, teilt er mir mit. Und dann hat der Salzgitteraner auch noch Tipps für die beste Fahrzeit für mich: „Sonntags früh morgens ist noch nicht so viel im Harz los – oder Samstagabend ab 19 Uhr, da macht das Fahren auch wieder Spaß. Sonst ist einfach zu viel Verkehr auf den Straßen.“ Recht hat er, an diesem Sonntagmittag war so manches (langsame) Auto eine Hürde, viele Motorradfahrer sind uns entgegengekommen und die schönen Kurvenstrecken lassen sich mit Spaß manchmal nur fahren, wenn dem Vordermann ein paar Minuten Vorsprung gelassen wird, um dann selbst mit Schwung in die Kehre zu gehen.

Bike-Feeling für Kinder am Radau-Wasserfall

Mit dem Kaffeebecher in der Hand werfen wir den obligatorischen Blick auf den Brocken, bevor wir uns auf den Heimweg machen. Hinunter geht es auf der gut ausgebauten, aber stark tempobeschränkten B 4 nach Bad Harzburg. Wir kommen am Radau-Wasserfall vorbei, der heute aber wenig Wasser führt und seinem Namen demnach keine Ehre macht. Jedoch kann auf dem Spielplatz der zugehörigen Gaststätte der Motorradnachwuchs herangezogen werden: Ein kleines Safari-Motorrad wird mit Münzen gefüttert und steht für eine kurze Fahrt bereit.

Marvin Reepschläger

Nach 140 gefahrenen Kilometern und einer reinen Fahrzeit von 2,5 Stunden (Pausen nicht mitgerechnet) endet unsere Halbtagstour in Bad Harzburg. Schön war’s – und sicher nicht das letzte Mal.